Anzeige

Coronavirus Mit Antidepressiva COVID-19 besser überstehen

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Einige Antidepressiva zeigen antivirale und antiiflammatorische Effekte. Einige Antidepressiva zeigen antivirale und antiiflammatorische Effekte. © doucefleur – stock.adobe.com
Anzeige

Einige Antidepressiva wirken aufgrund ihrer antiviralen und antiinflammatorischen Eigenschaften auch gegen das Coronavirus. Doch lassen sich die Erfahrungen aus dem Reagenzglas in klinischen Studien bestätigen?

Eine besondere Eigenschaft der Antidepressiva ist die Verstärkung antiinflammatorischer und die Abschwächung proinflammatorischer Reaktionen des Immunsystems. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf antivirale Effekte einzelner Substanzen. So hemmten die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Fluvoxamin und Fluoxetin im Rahmen von In-vitro-Experimenten das Eindringen von SARS-CoV-2 in die Zellen und die Replikation des Virus. 

Ganz ähnliche Effekte ließen sich für andere SSRI, Serotonin-Nor­adrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und trizyklische Antidepressiva zeigen, berichten Prof. Dr. Udo­ Bonnet­ von der Universität Duisburg-­Essen und Prof. Dr. Georg­ Juckel­ von der Ruhr-Universität Bochum. Ihrer Einschätzung nach haben Antidepressiva das Potenzial, eine SARS-CoV-2-­Infektion zu bremsen beziehungsweise zu verhindern und eine durch COVID-19 geschwächte psychophysiologische Resilienz zu stärken.

Signifikante Wirkung des Antidepressivums Fluvoxamin

Bis Anfang Juli dieses Jahres wurden bereits mehr als 30 klinische Beobachtungs- und Behandlungsstudien mit Antidepressiva bei ­COVID-19 durchgeführt, schreiben die beiden Psychiater. Die stärkste Evidenz besteht für Fluvoxamin als Add-on-Behandlung zur Standardtherapie bei leichten bis moderaten COVID-19-­Symptomen. Dabei wurde das Antidepressivum in der Regel zwei- bis dreimal täglich in einer Dosierung von 100 mg über 10 bis 14 Tage gegeben. Die Studien zeigten für Fluvoxamin bei ­COVID-19 überwiegend eine signifikante und klinisch relevante Reduktion der Raten für Hospitalisierung, Intubation und Mortalität. Je früher der SSRI zum Einsatz kam, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit für schwere COVID-19-­Verläufe.

Darüber hinaus gibt es Hinweise aus klinischen Registern und Kohorten, dass eine laufende Therapie mit Antidepressiva die SARS-CoV-2-Infektionsrate sowie die COVID-19-bedingte Morbidität und Mortalität senken kann. Möglicherweise hilfreich ist neben den spezifischen Effekten auch die Verringerung von Angst- und Depressionssymptomen, die des Öfteren im Zusammenhang mit ­COVID-19 beschrieben wurden.

Könnten Antidepressiva auch Patienten mit Long COVID helfen? Von dieser Erkrankung sind bzw. waren Schätzungen zufolge seit Ausbruch der Coronapandemie knapp 36 Millionen Menschen innerhalb der Europäischen Union betroffen. Die Symptome schränken die Patienten oft in ihrem Alltag stark ein. Es erscheint plausibel, dass Antidepressiva aufgrund ihrer antiviralen und antiiflammatorischen Effekte vor Long COVID­ schützen könnten. Diese Hypothese ließ sich allerdings bislang nicht in Studien bestätigen. Erste Ergebnisse deuten auf einen Vorteil der Substanzen bei moderater bis schwerer Long-COVID-Depression hin. So ließ sich in einer kleinen Untersuchung mit 80 Patienten mit dem SNRI Vortioxetin nach drei Monaten eine fast 90%ige Remission der Depression erreichen, einschließlich kognitiver und körperlicher Symptome, die vermutlich ebenfalls auf Long COVID­ zurückzuführen waren. Auch andere SNRI sowie SSRI und Bupropion könnten unter Umständen bei Long-COVID-Depression oder Long-COVID-Angst wirksam sein. Bislang reicht die Evidenz jedoch nicht für konkrete Empfehlungen aus.

Quelle: Bonnet U, Juckel G. DNP 2023; 24: 34-39; DOI: 10.1007/s15202-023-5754-x