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Muskelinfarkt wird bei insulinpflichtigen Diabetikern wohl unterdiagnostiziert

Autor: Dr. Alexandra Bischoff

Ein normaler HbA1c-Wert schließt den diabetischen Muskelinfarkt nicht aus. Ein normaler HbA1c-Wert schließt den diabetischen Muskelinfarkt nicht aus. © iStock/gilaxia
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Mitte 40, insulinpflichtiger Diabetes und heftige Beinschmerzen? Angesichts dieser Kombination sollten Sie unbedingt einen diabetischen Muskelinfarkt in Betracht ziehen. Das kann Ihrem Patienten so manche Untersuchung ersparen.

Aufgrund von starken Schmerzen im Bereich der linken Hüfte suchte eine 44-Jährige die Klinik in Lugano auf. Das Areal über ihrer linken Hüfte zeigte sich bei der klinischen Untersuchung schmerzhaft geschwollen, aber nicht gerötet. Das C-reaktive Protein war leicht erhöht messbar. Bei der Patientin bestand seit elf Jahren ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2, der zu einer fortgeschrittenen chronischen Niereninsuffizienz geführt hatte. Der aktuelle HbA1c-Wert lag bei 7 %.

Dr. Jennifer Scotti Gerber und ihre Kollegen vom Ospedale Regionale di Lugano vermuteten als Ursache der akuten Beschwerden eine nekrotisierende Faszitis oder einen Abszess. Sie veranlassten daher eine Kernspintomographie, doch die Untersuchung ergab eine völlig andere Diagnose: Nekrose der Adduktoren im Rahmen eines diabetischen Muskelinfarkts!

Therapie mit Bettruhe und Analgetika

Unter der daraufhin eingeleiteten konservativen Behandlung mit Bettruhe plus Analgetika besserten sich die Beschwerden der Frau rasch.

Der diabetische Muskelinfarkt kann als seltene Komplikation im Rahmen eines langjährigen insulinpflichtigen Diabetes mellitus auftreten und wird vermutlich unterdiagnostiziert. Warum es zu den muskulären Nekrosen kommt, ist unklar. Atherosklerose und diabetische Mikroangiopathien scheinen bei der Entstehung ebenso eine Rolle zu spielen wie Endothelschäden und Hyperkoagulabilität. Meist führen Thrombosen in kleinen und mittelgroßen Gefäßen letztlich zu der Muskelnekrose, schreibt Dr. Scotti Gerber.

Als Risikofaktoren gelten eine langjährige Insulintherapie (durchschnittlich 14 Jahre), eine schlechte Blutzuckereinstellung (hohes HbA1c) und vaskuläre Komplikationen (dia­betische Nephropathie). Dennoch schließt ein normaler HbA1c-Wert das Risiko eines diabetischen Muskelinfarkts nicht aus (siehe Fallbeispiel!).

Die Erkrankung tritt überwiegend im Alter zwischen 40 und 50 Jahren auf, wobei Frauen etwas häufiger betroffen sind als Männer. Typisch sind einseitige starke Schmerzen, die zusammen mit einer Schwellung vor allem im Bereich der Ober- und Unterschenkel auftreten, teilweise auch bilateral. Eine Rötung des betroffenen Areals sowie systemische Symptome fehlen oftmals. Von den Entzündungsparametern ist häufig nur der CRP-Wert erhöht.

Die Diagnose wird mittels MRT gesichert, wobei eine Kontrastmittelgabe nur bei Verdacht auf Weichteil-infektion oder Abszess erforderlich ist. Unter Bettruhe und Analgetika sowie anschließender Physiotherapie heilt die Erkrankung in der Regel vollständig aus, sodass eine Resektion der infarzierten Muskulatur nur in Ausnahmefällen nötig ist. Allerdings kann ein diabetischer Muskelinfarkt äußerst hartnäckig sein – etwa jeder Fünfte erleidet ein Rezidiv.

Quelle: Scotti Gerber J et al. Swiss Med Forum. 2018; 38: 782-784