Anzeige

Brustkrebs Nach Abschluss der Therapie gibt es zunehmend Versorgungsprobleme

Autor: Friederike Klein

Nach der Primärtherapie eines frühen Mammakarzinoms läuft in der weiteren Betreuung nicht alles optimal. Nach der Primärtherapie eines frühen Mammakarzinoms läuft in der weiteren Betreuung nicht alles optimal. © Gorodenkoff – stock.adobe.com
Anzeige

Werden Patient:innen nach der Primärtherapie eines frühen Mammakarzinoms in die Nachsorge entlassen, liegt die weitere Betreuung meist bei ihrer Gyn­äkologin bzw. ihrem Gynäkologen. Dabei läuft nicht alles rund. Wir sprachen mit einer Patient:innenvertreterin, zwei niedergelassenen und einer in der Klinik tätigen Gyn­äkologin.

Immer öfter bekommt Brigitte Welter, Mitglied des Vorstands von mamazone e.V. aus Augs­burg, Anrufe von Frauen mit Brustkrebs zum Thema Nachsorge. Da ist die Patientin, deren vertrauter Frauenarzt aufgehört hat zu praktizieren, und die wenigen anderen Frauenarztpraxen in der Nähe nehmen keine neuen Patientinnen an. „Es gibt nicht genügend Gynäkolog:innen, die nachsorgen“, bestätigt Dr. ­Marion K. Schäfer, niedergelassene Gynäkologin in Augsburg und Vorsitzende des Bezirks Schwaben des Berufsverbands der Frauenärzte. In den nächsten zehn Jahren werde sich das Problem verschärfen, befürchtet sie. Viele Gynäkolog:innen treten in den Ruhestand und werden Schwierigkeiten haben, Nachfolger:innen zu finden. Dabei gibt es einen großen Bedarf, ist doch das Mammakarzinom das häufigste Karzinom der Frau.

Nachsorge zwischen Theorie und Praxis

Die Empfehlungen der S3-Leitlinie und der AGO Kommission Mamma sehen eine Nachsorge nach Primärtherapie eines Mammakarzinoms über zehn Jahre vor.1,2 In den ersten drei Jahren sind vierteljährliche Untersuchungen in der gynäkologischen oder auch onkologischen Praxis mit einer Tastuntersuchung von Brust, Thoraxwand und Lymph­abflusswegen vorgesehen, die später in zunehmend längeren Abständen stattfinden sollen. Einmal im Jahr erfolgt eine Mammografie (bei brust­erhaltender Therapie beider Brüste, nach Mastektomie der kontralateralen Brust), nach Möglichkeit ergänzt um eine Sonografie.

Kein Mammografie-Termin

Immer häufiger hört Welter allerdings von Frauen, dass sie Probleme haben, einen Termin für die Kontrollmammografie zu erhalten. Erst neulich sei einer Brustkrebs­patientin zwei Wochen vor dem Termin erklärt worden, die radiologische Praxis mache das nicht mehr. „Eine Praxis nach der anderen vergibt keinen Termin mehr“, ist Welters Erfahrung. „Oder es wird ein MRT angeboten und die Krankenkassen lehnen die Kos­tenerstattung ab.“ Der Hintergrund der eingeschränkten Terminierung außerhalb des Screenings ist unter anderem ein monetärer, berichtet Dr. Schäfer: Die Screening-Mammografie wird etwa doppelt so hoch vergütet wie die kurative.

Männer im Niemandsland

Männliche Brustkrebspatienten werden aufgrund der Expertise häufig in der Gynäkologie operiert. Die Nachsorge muss dann der Hausarzt bzw. die Hausärztin übernehmen. Niedergelassene Frauenarztpraxen erhalten für die Nachsorge der Betroffenen kein Honorar. Prof. Ditsch hat drei Männer in der Nachsorge, ohne dies angemessen vergütet zu bekommen. „Sie haben darauf bestanden, von jemandem mit Erfahrung nachgesorgt zu werden“, sagt sie.

Nachsorge in der Hand der Niedergelassenen

Manche Patientinnen würden am liebsten weiter im Brustzentrum nachgesorgt werden, ist Welters Eindruck. Grund ist vor allem die Annahme einer höheren speziellen Expertise im Brustzentrum als in der gyn­äkologischen Praxis. Die Nachsorge erfolgt allerdings regulär dort, wo sie vergütet werden kann, erklärt Prof. Dr. Nina Ditsch, Leiterin des Brustzentrums der Universitätsklinik Augsburg: im Bereich der Niederlassung, über Medizinische Versorgungszentren (MVZ) oder bei gesonderten Verträgen wie zur Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) auch in Klinik­ambulanzen. Sie findet auch, dass Anamnese, klinische Untersuchung und Beratung ureigenste Aufgaben der gynäkologischen Praxen sind. „Die niedergelassene Gynäkologin bzw. der Gynäkologe kennt die Patientin oder den Patienten meist am besten und ist im Idealfall die Person des Vertrauens“, sagt sie.

Informationsflut bewältigen

Allerdings hat die Datenfülle durch neue Therapieformen so zugenommen, dass es für Niedergelassene nicht immer leicht ist, auf dem neues­ten Stand zu bleiben. Das Brustzentrum der Universitätsklinik Augsburg unterstützt den Informationsbedarf zum Mammakarzinom-Management mit Fortbildungen. Um noch mehr Kolleg:innen zu erreichen, sind allerdings standortübergreifende Konzepte nötig, erläutert Prof. Ditsch und nennt als Beispiel, dass die CCC Allianz WERA zukünftig Ärztinnen und Ärzte gerade auch aus ländlichen Regionen zwischen den Comprehensive Cancer Centers in Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg besser einbinden will.

Unterfinanzierung der Nachsorge

Ein anderes Problem für Niedergelassene ist, dass die oft gesprächsintensive Nachsorge nicht angemessen vergütet wird, berichtet Dr. ­Sandra Rückert, niedergelassene Gynäkologin aus München. Sie kann für die Nachsorge zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung pro Quartal abrechnen:

  • Grundpauschale je nach Alter: 17,35 Euro oder 16,89 Euro
  • Ausfüllen Nachsorgeausweis: 2,79 Euro
  • Zusatzpauschale Onkologie: 21,95 Euro

Günstiger ist die Situation, wenn die Patientin in ein Disease-Management-Programm (DMP) bei Brustkrebs eingeschlossen ist, ergänzt Dr. Schäfer. So gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, extrabudgetär einmal im Jahr eine Mammasonografie, eine vaginale Sonografie, ein Depressions- und Angst-Screening mit dem HADS-D-Fragebogen und mehrere begleitende Gespräche abzurechnen. Diese Ziffern zielen explizit auf die Verbesserung der Nachsorge ab, betont sie. Nicht in allen gynäkologischen Praxen werden allerdings Patientinnen mit Brustkrebs in das DMP Brustkrebs eingeschlossen. 

Und auch im DMP sind Gesprächsleistungen nicht umfassend honoriert. Dabei heißt es in der S3-Leitlinie ausdrücklich: „Die Basis der Nachsorge ist die Zuwendung und das Gespräch.“1 „Kommunikation ist zudem auch für den Heilungsprozess von größter Bedeutung“, ergänzt Prof. Ditsch. Deshalb zielt die vom Uniklinikum Augs­burg initiierte und vom Bayerischen Zentrum für Krebsforschung durchgeführte WAVES-Studie auf eine bessere Arzt-Patienten-Kommunikation ab. 

WAVES-Studie 

Die Studie WAVES ist ein gemeinsam von Patientenvertreterinnen und Ärztinnen/Ärzten initiiertes Projekt im Rahmen des Verbundes des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF) und hat ihren Ursprung an der Uniklinik Augsburg. WAVES steht für „Wechselseitiger Patienten-Arzt-Austausch in der Versorgung bei Brustkrebs mit dem Ziel der gemeinsamen Erarbeitung neuer Patienten-orientierter Strukturen“. Ziel der Studie ist, die Basis zu legen für ein sowohl patient:innenorientiertes als auch dem Zeitmanagement von Ärzten und Ärztinnen gerecht werdendes Versorgungsmodell, das auf eine angemessene Kommunikation und bestmögliche Versorgung der Erkrankten abzielt. Gründungspartner sind Brustkrebs Deutschland e.V., mamazone e.V., das BRCA-Netzwerk e.V., Mamma Mia!, die Universitäts­kliniken Erlangen, Regensburg, Würzburg, München (LMU und TU). Weiterhin beteiligt sind viele Brustzentren bayerischer Krankenhäuser. Mithilfe eines interdisziplinär entwickelten Fragebogens werden die derzeitige Versorgungsstruktur und das damit verbundene Empfinden der Patient:innen sowie Behandler:innen als Ist-Zustand untersucht. Aktuell haben bereits über 2.000 Patient:innen teilgenommen. Die zusätzliche Befragung der Ärztinnen und Ärzte ist im Herbst 2023 gestartet.

Direkter Draht zwischen Brustzentrum und Niedergelassenen

Auch zwischen Brustzentrum und Praxen ist die Kommunikation von großer Bedeutung. Das betrifft die Übernahme der Patientin mit allen notwendigen Informationen vom Brustzentrum in die ambulante Nachsorge, aber auch die gegenseitige Erreichbarkeit bei Fragen im weiteren Verlauf. In Augsburg haben sich Brustzentrum und Niedergelassene über das gemeinsame Vorgehen verständigt und viele haben Kontaktadressen und Telefonnummern ausgetauscht. 

„Manchmal hilft einfach der direkte Griff zum Telefon“, weiß Prof. Ditsch. Grundsätzlich vorgesehen ist dieser direkte Draht zwischen Brustzentrum und Niedergelassenen in der aktuellen Versorgungsstruktur nicht. Und so kommt es vor, dass niedergelassene Gynäkolog:innen nicht im Brustzentrum, sondern bei Brigitte Welter anrufen, um über sie den Kontakt zu einem Experten oder einer Expertin zu erhalten.

Quellen:
1.    S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, AWMF-Registernummer: 032-045OL
2.    AGO Kommission Mamma: Empfehlungen Brustkrebs Nachsorge, Stand April 2023