Neue Empfehlungen Febrile Neutropenie: Fieberursache unbekannt

DGHO 2025 Autor: Lara Sommer

Fieber unbekannter Genese bei Neutropenie erfordert risikoadaptiertes Vorgehen und Deeskalation bei Entfieberung. Fieber unbekannter Genese bei Neutropenie erfordert risikoadaptiertes Vorgehen und Deeskalation bei Entfieberung. © Wellnhofer Designs – stock.adobe.com

Fieber unbekannter Genese bei neutropenischen Patient:innen kann sowohl dramatisch als auch unkompliziert verlaufen. Die neuen Empfehlungen der AGIHO betonen ein risikoadaptiertes Vorgehen und stärken auch eine Deeskalation bei rascher Entfieberung.

Eine febrile Neutropenie (s. Kasten) ist ein hämatoonkologischer Notfall, mahnte PD Dr. Michael Sandherr, ehemaliger ärztlicher Leiter der Schwerpunktpraxis für Hämatologie und Onkologie im MVZ Penzberg. „Botschaft Nr. 1: In so einer Konstellation nicht warten, sondern aktiv werden.“ 

Einer der wichtigsten Prognosefaktoren für schwere Verläufe besteht in der Dauer der Neutropenie. Dementsprechend teilen die Expert:innen in der neuen Leitlinie „Fieber unbekannter Genese (FUO) bei neutropenischen Patienten“ Fälle vorrangig danach ein, ob die Neutropenie länger oder kürzer als sieben Tage lang besteht bzw. voraussichtlich anhalten wird (hohes vs. Standardrisiko). Unabhängig davon zählen auch Erkrankte zur Hochrisikogruppe, die relevante Komorbiditäten aufweisen.

Empirische Antibiose frühestmöglich beginnen

Für Hochrisikopersonen sollte zusätzlich zur umfassenden klinischen Abklärung unmittelbar eine empirische Antibiotikatherapie starten, möglichst innerhalb von zwei Stunden nach Fieberbeginn. „Monotherapie ist der Standard“, betonte der Referent, auch wenn Kombinationen z. B. für schwer septische Intensivpatient:innen mit resistenten Erregern durchaus infrage kommen. Dabei sollten Ärzt:innen unbedingt eine Substanz wählen, die gegen Pseudomonas aktiv ist, den Beginn nicht zugunsten der Diagnostik verzögern und das spezifische Resistenzprofil ihrer Einrichtung berücksichtigen. Wie die Leitlinie explizit aufführt, gibt es keinen Grund dafür, Reserveantibiotika routinemäßig anzuwenden.

Febrile Neutropenie

Eine febrile Neutropenie ist wie folgt definiert:

  • Neutrophile < 500/µl ODER < 1000/µl und Abfall unter 500/µl innerhalb der nächsten zwei Tage erwartet und
  • oral gemessene Körpertemperatur ≥ 38,3 °C oder zweimal ≥ 38,0 °C, für mindestens eine Stunde oder innerhalb von zwölf Stunden
  • kein Hinweis auf eine nichtinfektiöse Ursache des Fiebers

Findet sich kein konkreter Infektionserreger oder -Herd, spricht man von Fieber unbekannter Genese (FUO). Dieses geht im Vergleich zu bestätigten Infektionen mit einer besseren Prognose einher.

Antiinfektive Therapie darf trotz Neutropenie enden

Bleibt der/die Erkrankte bei einer Evaluation nach 96 Stunden klinisch instabil und hat weiter Fieber, sollten die Behandelnden sowohl das Antibiotikum wechseln als auch eine empirische Antimykose beginnen. Wirken Patient:innen zu diesem Zeitpunkt stabil, aber fiebrig, kann die Antibiose zunächst unverändert fortgeführt werden. Es besteht allerdings Anlass zu einer Thorax-CT und einer präemptiven antimykotischen Therapie. 

Neu ist die Empfehlung, dass Ärzt:innen die antiinfektive Behandlung unabhängig von den Neutrophilenzahlen stoppen können, wenn die Person klinisch stabil und 48 Stunden fieberfrei ist. Obligat bleibt aber ein engmaschiges Monitoring bis zur Regeneration des Blutbilds.

Ambulante Behandlung erfordert stabilen Zustand 

Auch bei Patient:innen mit Standardrisiko sollten Ärzt:innen zunächst die Situation bewerten: „Wenn ein Erkrankter klinisch instabil ist, eine klinisch oder mikrobiologisch dokumentierte Infektion hat, geht er in stationäre Behandlung.“ Liegt hingegen bestätigt FUO vor, können Fachleute oral und ambulant behandeln, sofern der MASCC*-Score mindestens 21 beträgt. Dieser bildet die Wahrscheinlichkeit eines unkomplizierten Verlaufs ab. 

Zudem müssen Patient:innen stabil sein und folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Medizinische Versorgung gesichert
  • Patient:in lebt nicht allein und lässt sich erreichen
  • geeignete Klinik in einer Stunde zu erreichen
  • hohe Compliance für orale Therapie
  • Person gut orientiert und sich des Risikos bewusst
  • keine Prophylaxe mit Fluorchinolonen
  • hämodynamisch stabil und keine Hinweise auf Organversagen

Hier stellen Amoxicillin/Clavulansäure und Ciprofloxacin die Mittel der ersten Wahl dar. Entfiebern Betroffene unter der Behandlung nicht innerhalb von 96 Stunden, rechtfertigt dies eine stationäre Aufnahme. Andernfalls darf das Antibiotikum unabhängig von der Neutrophilenzahl abgesetzt werden. „Wenn Sie das tun, sollten Sie den Patienten täglich sehen“, erinnerte der Experte erneut.

Grundsätzlich entwickelt sich die Therapie aus Sicht von Dr. Sandherr hin zu einem individualisierteren Vorgehen. Künftig kann er sich sogar vorstellen, dass es eine Subgruppe mit besonders niedrigem Risiko gibt, bei der man im Sinne einer Watch-and-wait-Strategie zunächst auf eine Antibiose verzichten kann. „Das ist aber kein klinischer Standard.“

*    Multinational Association for Supportive Care in Cancer

Quelle:
Sandherr M. Jahrestagung 2025; Vortrag V650