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Ehrung Paul-Langerhans-Medaille geht an die „Mutter der Moleküle“

Autor: Angela Monecke

Wohlverdient: Dr. Lotte Bjerre Knudsen nahm beim Diabetes Kongress 2023 in Berlin die Paul-Langerhans-Medaille entgegen.  Die Laudatio hielten Prof. Dr. Matthias Blüher und Prof. Dr. Michael Nauck gemeinsam. Wohlverdient: Dr. Lotte Bjerre Knudsen nahm beim Diabetes Kongress 2023 in Berlin die Paul-Langerhans-Medaille entgegen. Die Laudatio hielten Prof. Dr. Matthias Blüher und Prof. Dr. Michael Nauck gemeinsam. © DDG/Dirk Deckbar
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 Sie gilt als einer der brillantesten Köpfe der Diabetes­forschung: Dr. Lotte Bjerre Knudsen, Chief Scientific Advisor Novo Nordisk A/S in Kopenhagen. Für ihre Forschung an GLP1 und GLP1-RA – unter ihrer Leitung wurden die Moleküle Liraglutid und Semaglutid entwickelt – hat sie die Adipositas- und Typ-2-Dia-betes-Therapie wesentlich vorangebracht, befand die Jury und zeichnete Dr. Knudsen mit der Paul-Langerhans-Medaille aus.

Normalerweise werden Angestellte aus der Industrie nicht als geeignete Kandidat*innen für wissenschaftliche Ehrungen angesehen“, erklärten Prof. Dr. Matthias Blüher und Prof. Dr. Michael Nauck bei ihrer gemeinsamen Laudatio auf die Forscherin. Denn oft sei bei der Kommunikation von Forschungsergebnissen „nicht so offensichtlich, dass sie tatsächlich frei von Einflüssen kommerzieller Interessen” seien. In der Wahrnehmung der Preisjury sei Dr. Knudsen jedoch „eine bemerkenswerte Ausnahme“, lobten die beiden Diabetologen. „Sie präsentieren und interpretieren Daten mit der Gründlichkeit einer passionierten Wissenschaftlerin und mit dem erkennbaren Ehrgeiz, die höchsten wissenschaftlichen Standards zu erfüllen – und das vollkommen unbestechlich.“

Der dänischen Forscherin nun die Paul-Langerhans-Medaille für ihre 35-jährige wissenschaftliche Arbeit zu überreichen, die maßgeblich zur Entwicklung neuer Therapien beigetragen habe, sei ihnen eine „Riesenfreude und Ehre“. Denn Dr. Lotte Bjerre Knudsen hat nicht nur die Moleküle Liraglutid und Semaglutid auf die Welt gebracht, sondern lieferte auch wichtige Beiträge zu GLP1-Rezeptoren in menschlichen Geweben sowie zur Sicherheit und zum Mechanismus dieser Wirkstoffe. Derzeit erforscht sie neue Einsatzmöglichkeiten für GLP1-RA bei neurodegenerativen Erkrankungen

Liraglutid und Semaglutid sind Knudsens Verdienst

Liraglutid war der erste zugelassene langwirksame GLP1-Rezeptoragonist mit deutlich effektiverer Wirkung als die zuvor existierenden kurzwirksamen Präparate. Knudsen hat später auch an der Entwicklung eines weiteren Moleküls – Semaglutid – entscheidend mitgewirkt. Semaglutid ist der bislang wirksamste selektive GLP1-Rezeptoragonist. Sie gelte deshalb als „die Mutter dieser Moleküle“ und in den Augen von Diabetolog*innen, Kardiolog*innen und Nephrolog*innen sowie vieler Patient*innen auch als Mutter des Erfolgs dieser Wirkstoffe.

Dr. Lotte Bjerre Knudsen absolvierte in den 1980er-Jahren eine Ausbildung zur technischen Laborassistentin und Chemieingenieurin, erwarb später ihren Doktortitel für Medizin. 1989 begann sie beim Unternehmen Novo Nordisk in Kopenhagen als Wissenschaftlerin zu arbeiten und wurde schließlich im Januar 2022 zum Chief Scientific Advisor im Bereich Forschung und Frühe Entwicklung ernannt.  

Zu einer ihrer bedeutendsten wissenschaftlichen Leistungen zählt die Entwicklung der langwirksamen GLP1-Rezeptoragonisten, die über eine bestimmte Fettsäurenseitenkette die Bindung an Albumin vermitteln. Prof. Dr. Blüher und Prof. Dr.  Nauck sind vor allem auch von der Breite Dr. Knudsens wissenschaftlicher Interessen angetan, die sich etwa in ihren wesentlichen Arbeiten zur detaillierten Beschreibung des Wirkmechanismus von GLP1-Rezeptoragonisten im Hinblick auf die Suppression von Appetit und Energieaufnahme zeigen, nachgewiesen in Studien, die hochrangige neurobiologische Forschung repräsentieren und in denen günstige kardiovaskuläre und renale Wirkungen einer Therapie mit GLP1-Rezeptorgonisten gezeigt werden konnten. 

GLP1-RA auch als orale Therapie vorangebracht

Die Wissenschaftlerin entwickelte auch die Methodik, GLP1-RA absorbierbar im Gastrointestinaltrakt zu machen, um damit eine orale Therapie mit denselben Wirkstoffen zu ermöglichen, die nach subkutaner Gabe schon so erfolgreich waren. Auch mit Fragen zur Sicherheit beschäftigte sie sich, etwa hinsichtlich des vermeintlichen Risikos der GLP1-RA für C-Zell-Tumoren oder eine Pankreasneoplasie. „Es ist ein gutes Gefühl, Anerkennung für über 30 Jahre Forschung zu erhalten, insbesondere für mich als Forscherin aus der Industrie, und ich hoffe, dass andere von dieser Auszeichnung inspiriert werden“, sagte sie.
Dr. Lotte Bjerre Knudsen ist die zweite Wissenschaftlerin, die diese Ehrung erhält. Die erste war Juleen Rae Zierath aus Stockholm, die 2015 die Paul-Langerhans-Medaille für ihre Arbeit zur Bekämpfung der Insulinresistenz und zur Vorbeugung des Typ-2-Diabetes („Muscling in on Insulin Resistance to Prevent Type 2”) entgegennahm.