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Restless-Legs-Syndrom: Die Ignoranz kommt der Gesellschaft teuer zu stehen

Autor: Friederike Klein

Was das Restless-Legs-Syndrom angeht, stecken Ärzte, Fachgesellschaften und Universitäten den Kopf in den Sand. Zum Leidwesen der Patienten. Was das Restless-Legs-Syndrom angeht, stecken Ärzte, Fachgesellschaften und Universitäten den Kopf in den Sand. Zum Leidwesen der Patienten. © wachiwit – stock.adobe.com
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Zu viel verpasste Diagnosen, zu geringes Know-how seitens der Kollegen, kaum Interesse der Fachgesellschaften, zu wenig Forschung – was die Situation beim Restless-Legs-Syndrom angeht, übte das neurologische Urgestein Professor Dr. Wolfgang Oertel harsche Kritik.

Das Restless-Legs-Syndrom ist eine der teuersten neurologischen Erkrankungen. Basierend auf Daten aus Frankreich, Deutschland und Italien errechnete das European Brain Council, dass ein nicht behandeltes RLS mehr Kos­ten verursacht als z.B. Schlaganfälle, Parkinson oder MS. Die Summe beläuft sich pro Jahr auf ca. 34 Milliarden Euro, berichtete der Kollege von der Universität Marburg. Er kämpft national und international darum, dass die Erkrankung entsprechend ihrer Bedeutung berücksichtigt wird.

Immerhin leiden – vorsichtig geschätzt – 1,6 % der Bevölkerung an einem behandlungsbedürftigen RLS. Aber die Parkinson-Erkrankung ist mit einer Prävalenz von 0,1 % deutlich sichtbarer, beklagte Prof. Oertel.

Ernüchternde Therapiebilanz

Und das hat Folgen: Das RLS ist wahrscheinlich deutlich unterdiagnostiziert und die Betroffenen erhalten – wenn überhaupt – erst mit langer Latenzzeit die Diagnose. Es gibt viel zu wenig RLS-Experten im Verhältnis zur Prävalenz der Erkrankung und bei vielen Berufsgruppen, angefangen beim Hausarzt bis hin zu Neurologen, herrscht Unwissen über Dia­gnose und Therapie der Erkrankung, erklärte der Kollege. Auch in der Bevölkerung und bei Entscheidungsträgern sei wenig über das RLS bekannt.

Dazu komme die bisher ernüchternde Bilanz der Therapie. Die symptomatische Behandlung ist wirksam, aber nur für wenige Jahre und es besteht ein hohes Risiko der Augmentation. Es gibt kaum Forschung, erst recht kaum Nachwuchs in der Forschung und auch kein öffentliches Geld für die Forschung. Prof. Ortel: Derzeit unterstützt das BMBF oder die DFG kein einziges Forschungsprojekt zum RLS in Deutschland.

Doch es tut sich was: Das European Brain Council bündelt die Stimme von Fachgesellschaften, Patientenorganisationen und Industriepartnern auf europäischer Ebene und hat das RLS mit auf seine Agenda genommen. In der nächsten Ausgabe des Global-Burden-of-Diseases–Berichts wird auch das RLS berücksichtigt. Dazu wurden im Vorfeld mit deutscher Beteiligung umfangreiche Untersuchungen und Berechnungen auf Basis epidemiologischer Daten durchgeführt.

Das Ergebnis: Allein in Deutschland entstehen durch Nicht-Behandlung auf persönlicher wie gesellschaftlicher Ebene Kosten von 8–14 Milliarden Euro pro Jahr. Die Optimierung diagnostischer Maßnahmen und eine leitlinienkonforme Auswahl der therapeutischen Verfahren könnten erhebliche Einsparungen für das Gesundheitswesen bringen, betonte Prof. Oertel.

Das setzt allerdings eine bessere Kenntnis des Krankheitsbildes und der Therapiemöglichkeiten voraus. Deshalb sollte nach Meinung des Kollegen jeder neurologische Lehrstuhlinhaber in Deutschland Kennnisse über das RLS in der Aus- und Weiterbildung vermitteln. Aktuell gibt es allerdings keinen einzigen neurologischen Lehrstuhl, der mit einem RLS-Experten besetzt ist, kritisierte Prof. Oertel.

Die RLS-Forschung für den Nachwuchs attraktiv machen

Auf therapeutischer Ebene sei dringend die Suche nach neuen Therapieverfahren zu intensivieren, die das Problem der Augmentation überwinden helfen. Dazu müsste die Ursachen- und Grundlagenforschung zum RLS verstärkt werden und auch die RLS-Forschung für den Nachwuchs attraktiv gemacht werden.

Kongressbericht: 92. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie