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Demenz Risiko steigt mit Dauer der Diabeteserkrankung

Autor: Ulrike Viegener

Es besteht ein linearer Zusammenhang zwischen Auftreten der Diabetes-Erkrankung und dem Risiko einer Demenz. Es besteht ein linearer Zusammenhang zwischen Auftreten der Diabetes-Erkrankung und dem Risiko einer Demenz. © freshidea – stock.adobe.com
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Schon länger wurde vermutet, dass sich das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, bei Menschen mit Typ-2-Diabetes über die Jahre „aufsummiert“. Eine klare Evidenz dafür fehlte jedoch – bis jetzt.

Unterm Strich ein rund 1,5-fach erhöhtes Demenzrisiko tragen Personen mit Typ-2-Diabetes, darin sind sich Forschende von verschiedenen Metaanalysen einig. Weniger Konsens herrscht dagegen über die genauen Pathomechanismen, die der Demenz zugrunde liegen. Ein Zusammenhang zum Manifestationsalter des Diabetes mellitus wird zwar oft vermutet, umfassend untersucht hat man ihn bislang aber noch nicht.

Datenanalyse von mehr als 10 000 Personen

Im Gegensatz zu neurokognitiven Erkrankungen ist bekannt, dass ein früher Beginn des Typ-2-Diabetes mit einer hohen kardiovaskulären Morbidität einhergeht. Dies könnte auch mit Blick auf die Demenzgefahr relevant sein. Es gibt Hinweise darauf, dass kardiovaskuläre Pro­bleme bei Diabetes ebenjenes Risiko steigern. Dadurch lässt sich die erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit allerdings nur zum Teil erklären – zumal auch dafür belastbare Daten fehlten. Geschlossen haben diese Lücke Wissenschaftler um Dr. ­Claudio ­Barbiellini ­Amidei von der Universität Paris mit ihrer retrospektiven Analyse von Daten der Whitehall-II-Studie.

Die prospektive bevölkerungsbasierte Langzeituntersuchung Whitehall-II aus Großbritannien umfasst Daten von 10 095 Teilnehmenden, rund zwei Drittel von ihnen Männer. Diese hatte man zwischen 1985 und 1988 rekrutiert und in regelmäßigen Abständen untersucht. Das letzte Follow-up fand im März 2019 statt, womit Beobachtungszeiträume von median mehr als 30 Jahren vorliegen. Das Studien­eintrittsalter lag bei 35–55 Jahren. Im Studienverlauf entwickelten 1710 Teilnehmende einen Diabetes und 639 eine Demenz. Dr. Barbiellini Amidei und sein Team hatten nun jene Häufigkeit, mit der es über die Jahre zu einer Demenz kam, in Bezug zu früheren Diabetesdiagnosen gesetzt.

Lag bei den Demenzerkrankten im Alter von 55 Jahren, 60 Jahren, 65 Jahren und 70 Jahren ein Dia­betes vor? Für die Altersstufe 70 verglich man zum Beispiel 70-jährige Nicht-Diabetes­patienten mit Personen, die in diesem Alter oder früher an einem Typ-2-Diabetes erkrankt waren. Wer erst später einen Diabetes entwickelte, wurde für diesen Zeitpunkt als stoffwechselgesund gewertet. Bei Menschen ohne Diabetes im Alter von 70 Jahren wurde eine Demenzrate von 8,9 auf 1000 Personenjahre festgestellt. Im Vergleich betrug die Rate bei Menschen mit Typ-2-Diabetes – der sich bis zu fünf Jahre vor dem 70. Lebensjahr manifestiert hatte – 10 pro 1000 Personenjahre. Bei einem Diabetes-Manifestationsalter, das sechs bis zehn Jahre zurücklag, wurde eine Demenzrate von 13 pro 1000 Personenjahre ermittelt und bei einem mehr als zehn Jahre bestehenden Typ-2-Diabetes eine Demenzrate von 18,3 pro 1000 Personenjahre.

Auf Basis dieser Zahlen errechneten die Forschenden für 70-jährige Dia­betespatienten mit einer mehr als zehn Jahre bestehenden Diagnose ein doppelt so hohes Risiko für eine Demenz im Vergleich zu Stoffwechselgesunden. Lag das Manifestationsalter sechs bis zehn Jahre zurück, betrug die Demenzgefahr das knapp 1,5-Fache und bei einem bis zu fünf Jahre bestehenden Diabetes lag sie 1,11-mal höher.

Keine Effekte beim Prädiabetes

Pro fünf Jahre früherem Erkrankungsalter nimmt also das Risiko um den Faktor 1,24 zu. Ein Prä­diabetes korrelierte hingegen nicht mit der Demenzhäufigkeit, egal in welchem Alter er auftrat. Weiterhin stellten die Forschenden fest, dass bei Dia­betespatienten das Auftreten von Schlaganfällen mit einem zusätzlich erhöhten Risiko für Demenz einherging.

Quelle: Barbiellini Amidei C et al. JAMA 2021; 325: 1640-1649; DOI: 10.1001/jama.2021.4001