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Todbringende Erkrankung Schon bei der Diagnose Kontakt zum Palliativmediziner herstellen

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Da sein und die Wünsche am Lebensende erfüllen: Diesen wichtigen Part übernehmen oft ehrenamtliche Hospizbegleiter. Da sein und die Wünsche am Lebensende erfüllen: Diesen wichtigen Part übernehmen oft ehrenamtliche Hospizbegleiter. © Joel bubble ben – stock.adobe.com
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Lassen sich Schmerzen und Luftnot bei Todkranken vor Ort lindern oder muss doch der Rettungswagen kommen? Wann sollte man den Palliativmediziner ins Boot holen? Antworten auf diese und viele weitere Fragen zum Umgang mit Palliativpatienten geben zwei Experten in der neuen Folge von O-Ton Allgemeinmedizin.

Ärzte wollen heilen, keine Frage. Doch in der Palliativmedizin muss man davon naturgemäß Abstand nehmen, die Frage ist wann. Für Dr. Matthias Thöns, Facharzt für Anästhesiologie, Notfall-, Schmerz- und Palliativmedizin in Witten, gibt der Patient darauf oft selbst die Antwort, wenngleich er sie meist etwas verschlüsselt. Er lehnt z.B. Operationen oder Chemotherapien ab, um zu signalisieren, dass er keinen lebensverlängernden Ansatz mehr möchte.

Im Durchschnitt kommt die Palliativversorgung zu kurz

Leider wird die palliativmedizinische Betreuung in der Regel erst sehr spät mit eingebunden, Dr. Thöns hat z.B. im Median nur 18 Behandlungstage. Dabei ist die frühzeitige Symptomkontrolle und der größtmögliche Erhalt von Lebensqualität das große Ziel seiner Disziplin. Er wünscht sich, dass die Palliativmediziner schon dann hinzugezogen werden, wenn man eine nicht heilbare todbringende Erkrankung entdeckt. 

Das späte Einschalten von Experten bestätigt Andrea Weyand, Hospiz-Palliative-Care-Fachkraft im Hospizverein Auxilium Wiesbaden. Ihr Verein bekommt die meisten Anfragen aus Krankenhäusern oder Altenheimen, wohin die Betroffenen letztendlich kommen, wenn zu Hause gar nichts mehr geht. 

Ganz großen Stellenwert haben am Lebensende neben den medizinischen Betreuern die ehrenamtlichen Hospizbegleiter. Mit das Wertvollste, das sie schenken können, ist Zeit – Zeit, die Pflegekräften und Angehörigen oft fehlt. Ob für eine Zigarette in den Park fahren, gemeinsam Gedichte lesen oder miteinander zu beten – die Ehrenamtlichen erfüllen die individuellen Wünsche der Todkranken. 

Die Mehrzahl der Menschen möchte ihre letzte Lebenszeit zu Hause bzw. in ihrem gewohnten Umfeld, z.B. dem Altenheim, verbringen. Meistens klappt das aber nicht. „Kurz vor Toresschluss wird wegen Beschwerden wie Schmerzen oder Atemnot der Rettungsdienst gerufen“, erklärt Dr. Thöns. Im Krankenhaus landen die Betroffenen dann häufig in Abteilungen, die gar nicht auf palliative Symptomlinderung ausgerichtet sind. „Nur 2 % der Klinikpatienten sterben auf Palliativstationen, allein 50 % auf einer Intensivstation“, bemängelt der Mediziner. 

Um diese Umstände zu verbessern, kämpft er seit Jahren dafür, Haus- und Fachärzte in die Versorgung sterbenskranker Menschen mit einzubinden. 

Pass als Kurzfassung der Patientenverfügung

Sehr hilfreich sind in diesem Zusammenhang Palliativpässe, d.h. verkürzte, jedoch rechtlich ebenso bindende Formen einer Patientenverfügung. Unheilbar Kranke, die nach einer eingehenden ärztlichen Beratung diesen Pass unterschreiben, verzichten damit bewusst bei einem medizinischen Notfall auf lebensrettende Maßnahmen oder Einweisungen. In Wiesbaden findet der Pass schon länger Verwendung und nach der Erfahrung von Andrea Weyand funktioniert das System sehr gut. 

Wenn möglich, werden Angehörige immer in die Versorgung eingebunden. Mit dem Palliativteam stehen ihnen Gesprächspartner auf einer neutralen Ebene zur Verfügung. „Palliativmedizin ist ja von grundauf eine ehrliche Disziplin,“ erklärt Dr. Thöns, das heißt, man versucht von vornherein, alle auf dem gleichen Wissensstand zu halten. Das bedeutet auch, dass möglichst keine Gespräche hinter verschlossenen Türen stattfinden sollten. „Ein Pallativteam behandelt immer ganze Familien“.

Grundsätzlich kann die Versorgung am Lebensende fast in jedem Fall ambulant gelingen. Und im Empfinden der Menschen ist ohnehin keine Palliativstation so gut wie das Zuhause, betont Dr. Thöns Eine zwingende Indikation für eine Einweisung ins Krankenhaus sieht der Mediziner allenfalls bei alleinstehenden Menschen mit starker Symptomlast.

Wie die Zusammenarbeit in palliativen Netzwerken funktioniert, was Betroffene und Angehörige zu Hause an die Hand bekommen und wo noch Verbesserungsbedarf besteht, hören Sie in unserer Podcastfolge zum Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen. Hören Sie rein!

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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