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Screening: Jeder zweite detektierte Lungenkrebs hätte nie Probleme bereitet

Autor: Manuela Arand

Beim Low-dose-CT kommt es zu häufig zu Überdiagnosen. Beim Low-dose-CT kommt es zu häufig zu Überdiagnosen. © iStock/utah778
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Viele Länder erwägen derzeit die Einführung des Lungenkrebsscreenings per Low-dose-CT, auch Deutschland. Doch ein internationales Forscherteam warnt vor einer hohen Zahl an Überdiagnosen.

Abzuwägen ist beim Screening mit dem Low-dose-CT (LDCT) der Benefit der Früherkennung und -therapie inklusive besserer Heilungschancen gegen das Potenzial, indolente Tumoren zu entdecken. Letzere richten „niemals Schaden an, schreiten nie oder so langsam fort, dass sie nie Symptome verursachen oder remittieren spontan“, schreiben Professor Dr. John Brodersen vom Department of Public Health der Universität Kopenhagen und seine Kollegen. Aus ihrer Sicht erfüllt das LDCT-Screening auf Lungenkrebs beste Voraussetzungen für Über­diagnosen:

  • Das LDCT hat eine so hohe Auflösung, dass es auch sehr kleine, womöglich indolente Knoten entdeckt.
  • Die Wachstumsraten der entdeckten Tumoren variieren erheblich, was für einen relevanten Anteil langsam oder gar nicht wachsender Tumoren spricht.
  • Raucher und Exraucher als wesentliche Zielgruppe des Screenings haben ein hohes Risiko, an anderen Erkrankungen zu sterben, vor allem kardiovaskulären.

Um die Situation korrekt zu bewerten, muss man erst einmal wissen, wie häufig Überdiagnosen vorkommen. Das herauszufinden, war Ziel der Metaanalyse von Prof. Brodersen und seinen Kollegen. Von neun randomisierten kontrollierten Studien zum LDCT-Screening waren allerdings nur fünf zu verwerten. Zwei mussten ausgeschlossen werden, weil sie die Lungenkrebsinzidenz nach dem Check nicht berichtet hatten. Diese Information ist aber entscheidend, um Überdiagnosen abzuschätzen. Denn nur wenn die Inzidenz bei gescreenten und nicht gescreenten Patienten im Langzeitverlauf vergleichbar ausfällt, kann man davon ausgehen, dass die entdeckten Tumoren auch ohne Untersuchung klinisch relevant geworden wären.

In 38 % der Fälle handelte es sich um Überdiagnosen

Zwei weitere Studien fielen raus, weil sie aktive Vergleichsarme hatten (Thoraxröntgen). Die verbliebenen fünf kamen zusammen auf fast 29 000 Teilnehmer, allesamt Raucher und Exraucher. Das mediane kumulative Lungenkrebsrisiko in den Kontrollgruppen betrug knapp 4 % während der drei bis fünf Jahre, in der sich die Verumgruppen dem CT unterzogen. Durch das Screening stieg die Inzidenz um 22 %, das entspricht neun Bronchialkarzinomen pro 1000 gescreenten Probanden. Aus dem Langzeitvergleich errechnete sich, dass es sich in 38 % der Fälle um Überdiagnosen handelte.

Zielpopulationen müssen besser selektiert werden

Noch krasser fiel das Ergebnis aus, wenn nur die beiden qualitativ hochwertigsten Studien ausgewertet wurden, mit zusammen 8156 Teilnehmern. Dann lag die Rate an Überdiagnosen sogar bei 49 %. Basierend auf jüngeren Reviews schätzen die Autoren, dass ein Screening sieben Lungenkrebstote pro 1000 Untersuchten verhütet. Sie berechnen daraus, dass auf einen verhinderten Krebstod drei Überdiagnosen kommen.

Die Analysen sind nicht gänzlich ohne Probleme, betonen die Forscher. Die eingeschlossenen Studien weisen mehr oder minder große Lücken in den berichteten Daten zu Methodik und Ergebnissen auf. Außerdem lässt sich nicht immer klar erkennen, wie viele Teilnehmer in den Kontrollgruppen eine Thoraxbildgebung erhielten.

Nichtsdestotrotz muss man davon ausgehen, dass ein LDCT-Screening zu einer relevanten Zahl von Überdiagnosen führt, warnen Prof. Brodersen und seine Kollegen. Eine Möglichkeit, dies zu vermeiden, böte eine bessere Selektion der Zielpopulation nicht allein aufgrund von Alter und Rauchanamnese wie bisher. Künftige Forschung sollte sich der Suche nach weiteren Variablen widmen.

Quelle: Brodersen J et al. Breathe 2020; 16: 200013; DOI: 10.1183/20734735.0013-2020