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Benigner Lagerungsschwindel Sichere Diagnose mit speziellen Manövern

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Beim Manöver nach Epley sitzt der Patient zunächst auf der Liege und dreht seinen Kopf um 45° in Richtung des erkrankten Ohrs. Dann legt er sich rasch auf den Rücken und hält diese Position in leichter Kopfhängelage ca. 30 Sekunden lang. Anschließend dreht er den Kopf um 90° auf die nicht-betroffene Seite, verharrt wiederum etwa 30 Sekunden, um dann in die gleiche Richtung Kopf und Körper um weitere 90° zu drehen. Nach 30 Sekunden setzt er sich zügig wieder auf. Beim Manöver nach Epley sitzt der Patient zunächst auf der Liege und dreht seinen Kopf um 45° in Richtung des erkrankten Ohrs. Dann legt er sich rasch auf den Rücken und hält diese Position in leichter Kopfhängelage ca. 30 Sekunden lang. Anschließend dreht er den Kopf um 90° auf die nicht-betroffene Seite, verharrt wiederum etwa 30 Sekunden, um dann in die gleiche Richtung Kopf und Körper um weitere 90° zu drehen. Nach 30 Sekunden setzt er sich zügig wieder auf. © Science Photo Library/Editorial Image
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Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel ist keineswegs so harmlos wie der Name nahelegt. Die Attacken erhöhen das Sturzrisiko und können die Psyche massiv beeinträchtigen. Spezielle Manöver ermöglichen eine sichere Diagnose und Therapie.

Charakteristisch für den benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS) sind etwa 20 Sekunden anhaltende Attacken, eventuell begleitet von Übelkeit und Oszillopsien. Er wird durch Kopflagewechsel ausgelöst, z.B. beim Hinlegen, Aufrichten bzw. Umdrehen im Bett oder beim Bücken. Typischerweise verläuft er episodisch-rezidivierend, heißt es in der Leitlinie der Deutschen Fachgesellschaften für Neurologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie sowie Audiologie.

Wo sitzt die Störung?

  • Die Kanalolithiasis wird durch dislozierte Otholitenfragmente verursacht. Die Otokonien schwimmen in der Endolymphe eines Bogengangs und reizen bei einer Kopflagenänderung das Vestibularorgan.
  • Die Kupulolithiasis entsteht durch Otokonien, die an der Bogengangskuppel anhaften.

Posteriorer oder horizontaler Bogengang betroffen?

Die Diagnose lässt sich via Provokationstests sichern. Zum Nachweis der Kanalolithiasis des posterioren Bogengangs (80 % der Fälle) eignet sich die beidseitig durchzuführende Hallpike-Lagerung: Der Untersucher dreht den Kopf des auf der Liege sitzenden Patienten um 45 Grad zur zu testenden Seite und legt dann den Kranken rasch auf den Rücken, wobei er den  Kopf in einer reklinierten, um 45 Grad zur Seite gedrehten Position hält. So kommt es zu einer maximalen Stimulation des posterioren Bogengangs. Bei positivem Ausfall ist ein vertikal zur Stirn schlagender Nystagmus mit torsioneller Komponente zum unten liegenden Ohr zu beobachten, der durch eine visuelle Fixation nicht unterdrückt wird. Der Lagerungsnystagmus tritt erst nach einigen Sekunden auf, nimmt rasch an Intensität zu und bildet sich dann langsam zurück. Das Ganze dauert normalerweise 5–20 Sekunden und maximal eine Minute.  Dem Nachweis eines BPLS des horizontalen Bogengangs dient der Head-Roll-Test: Der Kopf wird aus der liegenden Position etwa 30 Grad angehoben und nach beiden Seiten gedreht – mit der Folge eines horizontalen Nystagmus. Dieser schlägt bei einer Kanalolithiasis in beiden Kopfseitlagerungen in Richtung des unten liegenden Ohrs (max. 1 Minute). Bei der Kupulolithiasis schlägt er zum oben liegenden (> 1 Minute). Die rhythmischen Augenbewegungen sind bei der Kanalolithiasis auf der betroffenen Seite stärker, bei der Kupulolithiasis schwächer ausgeprägt.  Die Existenz eines Lagerungsschwindels des anterioren Bogengangs ist nach wie vor umstritten. Diagnostisch wird ebenfalls das Hallpike-Manöver genutzt. Dabei treten die Symptome auch auf der gesunden Seite und in Rückenlage mit hängendem Kopf auf. Außerdem schlägt der Nystagmus in allen Positionen vorwiegend vertikal nach unten (Dauer < 1 Minute).  Die wichtigste Differenzialdiagnose zum benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel ist die zentrale infratentorielle Läsion. Neben Symptomen einer Hirnstamm- oder Kleinhirnschädigung weckt ein atypischer Lagerungsnystagmus den Verdacht. Die Schlagrichtung passt oft nicht zu einer Störung des getes­teten Bogengangs. Außerdem finden sich fast immer weitere Hinweise auf eine zentrale Genese wie Rumpfataxie, Blickrichtungsnystagmus und sakkadierte Blickfolge. Eine zerebrale MRT erhärtet die Diagnose.  Patienten mit BPLS lassen sich mit Befreiungsmanövern erfolgreich behandeln. Die dislozierten Otokonien werden per Kopfdrehung wieder in Richtung Utrikulus befördert. 

Lagerungsmanöver für die selteneren Fälle
Kanalolithiasis des anterioren Bogengangs
Yakovino-Manöver
Aus dem Sitzen wird der Patient in Kopfhängelage gelegt (mindestens 30 Grad Reklination). Im Liegen nimmt er rasch das Kinn auf die Brust. Nach 30 Sekunden wird er wieder aufgerichtet.
Kanalolithiasis des horizontalen Bogengangs
Barbecue- Manöver
Patient wird aus der Rückenlage in drei Schritten von je 90 Grad um die Körperlängsachse zum nicht-betroffenen Ohr gedreht (jede Position 30 Sek. halten).
Gufoni- Manöver
Patient legt sich aus dem Sitzen rasch auf die gesunde Seite und verharrt in dieser Position bis der Nystagmus verschwindet. Anschließend dreht er den Kopf rasch um 45 Grad nach unten und hält die Position für zwei Minuten.
AlternativeMehrere Stunden auf dem nicht-betroffenen Ohr liegen.
Cupololithiasis des horizontalen Bogengangs
Gufoni- Manöver
Patient legt sich aus dem Sitzen rasch auf die erkrankte Seite und verharrt in dieser Position bis der Nystagmus verschwindet. Anschließend dreht er den Kopf rasch um 45 Grad nach unten und hält die Position für zwei Minuten.
Kopf­schüttelnDer Kopf wird im Sitzen um 30 Grad nach unten gesenkt und mit einer Frequenz von 3 Hz geschüttelt.
Vibration
Applikation von Vibration am Mastoid

Epley so gut wie Semont

Zur Therapie der Kanalolithiasis des posterioren Bogengangs eignet sich das Epley-Manöver mit einer Kopf- und Rumpfrotation des liegenden Patienten in leichter Kopfhängelage. 50–80 % der Behandelten sind bereits nach der ersten Lagerung beschwerdefrei, mit einer Wiederholung sogar bis zu 90 %.  Eine alternative Option ist das Semont-Manöver. Dabei dreht der Patient im Sitzen seinen Kopf um 45 Grad zur nicht-betroffenen Seite. Anschließend wird er um 90 Grad zur Seite des erkrankten Laby­rinths gelagert und muss in dieser Position mindestens eine Minute bleiben. Danach folgt der „große Wurf“: Der Kranke wird möglichst rasch unter beibehaltener Kopfposition um 180 Grad auf die Seite des betroffenen Labyrinths umgelagert, wo er mindestens eine Minute aushalten muss, bevor er sich aufsetzen darf.  Hinsichtlich der Wirksamkeit gibt es keinen Unterschied zwischen den beiden Manövern. Adipöse lassen sich besser nach Epley, Menschen mit Begleiterkrankungen in Schulter oder Nacken nach Semont behandeln. In bis zu einem Drittel der Fälle kommt es durch die Manöver zu passagerer Übelkeit, die sich z.B. durch die Prämedikation mit 100 mg Dimenhydrinat verhindern lässt. Als weitere Nebenwirkung wird ein sog. Residualschwindel, eine Stunden bis Tage anhaltende Gangunsicherheit, beobachtet.  Mit dem Epley-Manöver kann sich der Patient auch dreimal täglich selbst behandeln. Allerdings ist die Erfolgsrate mit 64 % nach einer Woche wesentlich niedriger als bei den vom Arzt durchgeführten Manövern.  Sinnvoll kann eine Kontrolle des Vitamin-D-Spiegels sein. Neuere Daten sprechen für einen Zusammenhang zwischen Mangel und rezidivierender Vertigo.

Quelle: S2k-Leitlinie „Vestibuläre Funktionsstörungen“, AWMF-Register-Nr. 017/078, www.awmf.org