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Planetary Health Diet Sonntagsbraten rettet die Welt

DGIM 2022 Autor: Dr. Susanne Gallus

Mit der richtigen Ernährung kann man sich selbst und dem Planeten etwas Gutes tun. Mit der richtigen Ernährung kann man sich selbst und dem Planeten etwas Gutes tun. © iStock/luplupme
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Vegane Kost ist gesund und hinterlässt den geringsten CO2-Fußabdruck. Fleischverzehr hingegen kann unter diesen Aspekten kaum punkten, gilt vielen aber als ein Stück Lebensqualität. Wie wäre es mit einem Kompromiss? Das Konzept der Planetary Health Diet macht es vor.

Unsere Ernährungsweise bzw. die Produktion der Nahrungsmittel treibt die globalen Ökosysteme an ihr Limit und zum Teil bereits darüber hinaus, erklärte Dr. ­Eleonore ­Heil von der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Letzteres betrifft schon jetzt die Treibhausgasemissionen und die Verwendung von Phosphat und Nitrat. Und bis 2050 werden laut Hochrechnungen auch die Grenzen überschritten sein, innerhalb derer die Ökosysteme Landnutzung und Frischwasserverbrauch noch kompensieren können.

Teil der Lösung könnte die Planetary Health Diet sein. Sie zeigt einen nachhaltigen Mittelweg zwischen den verschiedenen Ernährungsformen auf. Zudem berücksichtigt sie, dass beispielsweise der Konsum von stark verarbeitetem Fleisch mit vielen verschiedenen Erkrankungen wie koronarer Herzkrankheit, Typ-2-Diabetes oder Krebs assoziiert ist. Im Gegenzug kommt etwa die Erkenntnis in die Waagschale, dass Hülsenfrüchte und Nüsse gesundheitliche Vorteile bringen. 

Auf sein Leibgericht verzichten muss praktisch keiner, absolute Verbote gibt es nicht. Die Planetary Health Diet ist zwar pflanzen­basiert – der Großteil besteht aus Gemüse (300 g/d), Getreide (232 g/d), Obst (200 g/d) und Hülsenfrüchten (75 g/d). Dennoch haben tierische Erzeugnisse wie Milchprodukte (250 g/d), Eier (13 g/d), Fleisch (14 g/d) und Fisch (28 g/d) weiterhin ihren Platz – eben nur einen kleineren.*

Vereinfacht gesagt: „Wir gehen zurück zu dem sogenannten Sonntagsbraten“, so Dr. Heil. Auf diesen könne man sich freuen, und er wäre auch mit den ökologischen Bedingungen vereinbar. Angst vor Mangelzuständen muss man nicht haben. Die einzigen zwei Mikronährstoffe, die eine vegane Ernährungsweise (als Extrembeispiel) in weniger ausreichendem Maß bietet als Mischkost, sind Kalzium und Vitamin B12. Letzteres lässt sich jedoch leicht substituieren (s. Kasten). Im Gegenzug sind Veganer mit Vitamin A, Folaten, Kalium und Ballaststoffen deutlich besser versorgt – und das bei einer gleichzeitig geringeren Kalorienaufnahme.

Vorsicht bei Supplement-Wütigen

Bei einer ausgewogenen veganen Ernährungsweise besteht eigentlich nur ein Vitamin-B12-Defizit, da dieses ausschließlich über tierisches Eiweiß aufgenommen wird. Veganer müssen B12 daher extern zuführen, was der Hausarzt so auch kommunizieren sollte. Allerdings besteht oft vonseiten der Patienten der Irrglaube, dass es generell auch an anderen Mikronährstoffen mangelt (z.B. Eisen). Oft werden daher auf Gutdünken in Eigenregie weitere Supplemente hinzugefügt – z.B. auch bei der Ernährung von kleinen Kindern. Man sollte die Patienten also dahingehend aufklären und ggf. über das Labor eventuelle Defizite abklären. Ohne manifesten Mangel ist das Zuführen von Mikronährstoffen oder Vitaminen nicht nur völlig unnötig, sondern mitunter kontraproduktiv.

Um nachhaltige Verhaltensänderungen zu bewirken, braucht es niedrigschwellige Handlungsempfehlungen, betonte die Referentin. Einige von ihr erarbeitete Ratschläge lauten:

  • pflanzliche Lebensmittel bevorzugen, Gemüse und Hülsenfrüchte zur Hauptmahlzeit machen
  • auf ökologische oder regenerative Erzeugung achten, weil das einen sorgsameren Umgang mit der Natur bedeutet
  • gering verarbeitete Lebensmittel bevorzugen, da sie gesünder sind
  • auf regionale und saisonale Lebensmittel setzen, denn Produkte aus beheizten Gewächshäusern oder aus der Tiefkühltruhe helfen auch nicht weiter
  • Ressourcen schonen und Lebensmittelabfälle vermeiden, z.B. Blätter bei Gemüse (wie Kohlrabi) mitverwenden
  • auf umweltfreundliche Verpackung achten oder nach Möglichkeit Unverpacktes einkaufen
  • eine genussvolle Esskultur leben, denn was keinen Spaß macht, behält man auf Dauer nicht bei

Eine große Hürde für die Planetary Health Diet ist zum einen die unzureichende Bereitstellung von Informationen. Zum anderen hapert es auch an der Übertragung der gewonnenen Einsichten auf den Alltag. Lösungsvorschläge wären beispielsweise eine entsprechend ausgerichtete Systemgastronomie, Mensen oder Märkte. Mindestens ebenso wichtig sind mit gutem Beispiel vorangehende Multiplikatoren. Zu diesen zählte Dr. Heil auch die Hausärzte. 

Ein wesentlicher Punkt dabei sei, auf den erhobenen Zeigefinger zu verzichten und stattdessen auf positive Erlebnisse zu setzen. „Verbote polarisieren in den meisten Fällen nur“, warnte die Expertin. So sei es doch möglich, z.B. bei der nächs­ten Gartenparty nicht ausschließlich für die Vegetarier Gemüse zu grillen, sondern jedem diese Option schmackhaft zu machen. Und schließlich könne man als Hausarzt auch versuchen, den bewegungsfaulen Patienten zum Gärtnern zu animieren. Das hält fit, liefert gesundes Gemüse und ist gut für den Planeten.

* Orientierungswerte bei einer täglichen Zufuhr von 2.500 kcal

Quelle: 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin