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Sport fürs Herz: Trainingsintensität nicht nach pauschalen Formeln festlegen

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Die Trainingsintensität muss individuell anhand objektiver Parameter festgelegt werden, pauschale Formeln sind zu vermeiden. Die Trainingsintensität muss individuell anhand objektiver Parameter festgelegt werden, pauschale Formeln sind zu vermeiden. © iStock/AndreyPopov
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Ob Primär- oder Sekundärprävention: Ein wohldosiertes Sportprogramm hat bestens belegte positive Effekte auf kardiovaskuläre Erkrankungen und entsprechende Risikofaktoren. Neben moderatem Ausdauertraining wird heute auch zu intensiveren Intervall- und Kraftübungen geraten.

Wichtig bei Sportübungen ist, dass die Intensität der Ausdauerbelastung individuell festgelegt wird. Pauschale Formeln für die maximale Herzfrequenz wie „220 minus Lebensalter“ sollte man unbedingt vermeiden, schreiben Dr. ­Claudia ­Hacke und Professor Dr. ­Burkhard ­Weisser, beide von der Universität Kiel. Denn ein gesunder 60-Jähriger könne problemlos mit einer Herzfrequenz von bis zu 190 Schlägen pro Minute trainieren, während bei einem 50-jährigen Diabetiker möglicherweise bereits bei 145 Schlägen die Grenze erreicht sei.

Die Trainingsintensität muss vielmehr individuell anhand objektiver Parameter wie der maximalen Herzfrequenz (HFmax) aus dem Belastungs-EKG oder der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) in der Spiroergometrie festgelegt werden, stellen die Sportwissenschaftler klar. Eine weitere relevante Messgröße ist die Laktatkonzentration. Mit ihr lassen sich aerobe und anaerobe Belastungen unterscheiden, wobei eine Laktatkonzentration > 4 mmol/l den Bereich der Sauerstoffschuld markiert. Subjektiv lässt sich der optimale Trainingsbereich z.B. mit der Borg-Skala bestimmen, einem Bewertungsverfahren, das gefühlte Erschöpfung, Dyspnoe und Schmerzempfinden des Trainierenden erfasst.

2,5 h Intensivsport pro Woche oder 10 000 Schritte am Tag

Zur Primärprävention wird gesunden Erwachsenen zu einer moderaten Aktivität von mindestens 300 Minuten pro Woche geraten, alternativ intensive Bewegung von wöchentlich 150 Minuten. Dies gilt für kontinuierliches Ausdauertraining, hinsichtlich hochintensiven Intervalltrainings und Krafttraining gibt es keine klaren Empfehlungen. Auch an der täglichen Schrittzahl kann man sich gut orientieren. Als optimal gilt ein Durchschnitt von 10 000 Schritten pro Tag. Spätes­tens ab dem Alter von 40 Jahren ist ein Belastungs-EKG indiziert, um die individuelle Leistungsgrenze zu bestimmen.

Für KHK-Patienten gibt es – abgesehen vom Rauchstopp – keine allgemeine Maßnahme, die Symptomlast und Prognose der Erkrankung sowie die Leistungsfähigkeit so stark bessern kann wie regelmäßige körperliche Bewegung. Die individuelle Trainingsintensität richtet sich nach dem Prozentsatz der maximalen Herzfrequenz (HFmax) bei einer Belastungsuntersuchung bzw. der Herzfrequenzreserve (HFR). Die HFR ist die Differenz zwischen Ruhepuls und Herzfrequenz bei echter Ausbelastung, erklären die beiden Autoren. Es muss aber ein wirklicher Ruhepuls bestimmt werden, d.h. der Herzkranke sollte ihn zuvor daheim messen. Trainieren sollte der Patient mit 60–75 % der HFmax bzw. 40–60 % der Herzfrequenz­reserve.

Auch ein Kraftausdauertraining ist heute gut etabliert. Empfohlen werden:

  • 2–3 Übungseinheiten pro Woche
  • 8–12 große Muskelgruppen
  • 15–25 Wiederholungen
  • bis zu 3 Serien

Wichtig bei KHK ist, dass der Patient keine Pressatmung praktiziert, weil dies den Blutdruck in die Höhe treibt.

Nicht jede Pumpe macht das Training mit

Mit dem Herzsport aussetzen muss, wer Fieber, einen Infekt oder eine Stoffwechselentgleisung hat. Neben diesen vorübergehenden Kontraindikationen gibt es einige Krankheiten, die die körperliche Belastung längerfristig verbieten. Dazu gehören eine instabile Angina pectoris, schwere Klappenvitien, entzündliche Herzerkrankungen wie Myokarditis, eine schlecht eingestellte Herzinsuffizienz und nicht beherrschte kardiale Arrhythmien.

Auch Patienten mit Herzinsuffi­zienz sollten durch regelmäßiges Training ihre Leistungsfähigkeit und die Langzeitprognose verbessern. In einer Herzgruppe trainieren können Kranke, die eine Belastbarkeit von > 1 Watt/kgKG aufweisen. Gestaltet wird das Training nach denselben Prinzipien wie bei der koronaren Herzkrankheit – mit einer Besonderheit: Schwimmen ist für Herzinsuffiziente nur bedingt geeignet, weil es durch Venenkompression die Vorlast steigert. Das körperliche Training senkt einen erhöhten Blutdruck um etwa 7/5 mmHg. Ist der Blutdruck nicht durch allgemeine Maßnahmen unter Kontrolle zu bringen, bietet sich für sportlich aktive Hypertoniker vor allem eine Pharmakotherapie mit RAAS*-Blockern und lang wirkenden Kalziumantagonisten an. Beta­blocker sind eher ungüns­tig, weil sie die Trainierbarkeit einschränken. Auch bei Diuretika ist wegen möglicher Elektrolytstörungen Vorsicht geboten. Steigt der systolische Blutdruck bei 100 Watt Belastung auf über 200 mmHg, muss die Medikation optimiert werden.

Mit PAVK weiterlaufen, auch wenn es wehtut

Ein Gehtraining auf dem Laufband nützt auch dem Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit, da es die schmerzfreie und die maximale Gehstrecke verlängert. Dabei ist es anders als bei der Koronarsklerose nicht kontraindiziert, in den Ischämieschmerz hinein zu trainieren. Denn die Ischämie setzt lokal Wachstumsfaktoren frei, welche die Kollateralenbildung fördern.

* Renin-Angiotensin-Aldosteron-System

Quelle: Hacke C, Weisser B. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 381-388; DOI: 10.1055/a-1342-3070