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Tuberkulose: BCG-Impfstoff mukosal zu applizieren trainiert die Immunzellen

Autor: Manuela Arand

Die BCG-Impfung der Mutter führt zum Priming-Effekt beim Nachwuchs. Die BCG-Impfung der Mutter führt zum Priming-Effekt beim Nachwuchs. © iStock/jarun011
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Der BCG-Impfstoff gilt als einer der schwächsten, die je im Einsatz waren. Zu Unrecht? Zwar schützt die Vakzine nur mäßig vor Tuberkulose, dafür aber via Immunmodulation vor anderen Infektionen.

Selbst die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt die BCG-Impfung zurzeit nur für Neugeborene in Populationen, deren Infektionsrisiko für Tuberkulose bei mindestens 0,1 % liegt. In Deutschland ist sie schon seit 20 Jahren „out“, der Impfstoff gar nicht mehr zugelassen.

Studien aus Entwicklungsländern zeigen durchaus eine Wirksamkeit der Vakzine mit einer substanziellen Senkung der Mortalität bei Kleinkindern, berichtete Dr. Simone Joosten vom Leiden University Medical Centre. So sprach eine Untersuchung in Guinea-Bissau für rund 40 % weniger Todesfälle bei BCG-geimpften Kindern zwischen 4,5 Monaten und 3,5 Jahren im Vergleich zu nicht-immunisierten.

Geschützt waren vor allem jene, deren Mutter ebenfalls geimpft war. Dann sank die Sterberate sogar um 66 %. Offensichtlich führt die Impfung der Mutter zu einem Priming-Effekt beim Nachwuchs.

Weniger Atemwegsinfekte nach erneuter BCG-Impfung

Es gibt zudem Hinweise auf eine günstige immunmodulatorische Wirkung beim Impfling selbst. Aktuelle Daten aus Australien zeigen, dass viele Impfungen besser anschlagen, wenn zuvor gegen BCG immunisiert wurde. Es konnten höhere Seroprotektionsraten gegenüber bestimmten Pneumokokken-Serotypen, Masern-, Mumps- und Rötel-Virus beobachtet werden. Anscheinend schützt die Vakzine auch gegen ganz andere Pathogene, wahrscheinlich im Zuge der Aktivierung angeborener unspezifischer Immunmechanismen, so Dr. Joosten. Das würde die Beobachtung erklären, dass junge Menschen nach Wiederimpfung mit BCG weniger Atemwegsinfekte erleiden.

Das angeborene Immunsystem sorgt im Körper für eine Art Sofort-Eingreiftruppe als erste Abwehrlinie. Bei Kontakt mit (bekannten oder unbekannten) Eindringlingen werden Glykolyse und Zytokinproduktion hochgefahren. Der Effekt lässt sich trainieren: Selbst wenn eine Infektion kein Immungedächtnis hinterlässt, fällt die Antwort beim zweiten Mal stärker aus. Möglicherweise findet eine epigenetische Umprogrammierung der Immunzellen statt. Trainierbar sind ganz verschiedene Zelltypen – Monozyten, Makrophagen, dendritische Zellen, NK-Zellen. Als Stimuli wirken z.B. oxidiertes LDL oder β-Glucan aus Pilzen oder eben mikrobielle Stimuli wie BCG.

In-vitro-Versuche haben ergeben, dass BCG hämatopoetische Stammzellen „erziehen“ kann, sodass sie sich zu Makrophagen und Monozyten differenzieren und eine einzigartige epigenetische Signatur ausbilden, berichtete Dr. Joosten.

Mit BCG trainierte Makrophagen entfalten eine starke Schutzwirkung gegen eine pulmonale Infektion mit M. tuberculosis und sorgen für eine beschleunigte Keimelimination – nicht nur von Mykobakterien. Dies wirft die Frage auf, weshalb der Impfstoff es nicht schafft, diese Zellen auf den Plan zu rufen. Möglicherweise nutzt die Impfung per injectionem einfach den falschen Weg. Appliziert man BCG direkt auf Schleimhäute, induziert dies einen ausgeprägten systemischen Zelltrainingseffekt.

Mikronährstoffe für stärkere Immunantwort

Experimentiert wird derzeit außerdem mit Mikronährstoffen und sogenannten „Nanobiologika“. Sie wurden eigentlich erprobt, um Knochenmarkzellen zu modulieren und Transplantate vor Abstoßung zu schützen. Jetzt sollen sie helfen, die angeborene Immunantwort zu stärken. Womöglich steht auch BCG eine Renaissance bevor – nicht als Impfstoff, sondern als Impfantwort-Promoter.

Kongressbericht: ERS International Congress 2019