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Kolorektalkarzinom Stellschraube Stroma

Autor: Dr. Moyo Grebbin

Forschenden gelang es, Tumorzellen durch eine Signalwegmodulation angreifbarer gegenüber verschiedener Therapien zu machen. Forschenden gelang es, Tumorzellen durch eine Signalwegmodulation angreifbarer gegenüber verschiedener Therapien zu machen. © Sirichai Puangsuwan – stock.adobe.com
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Die Präsenz von T-Zellen und Fibroblasten bestimmt maßgeblich die Prognose von Betroffenen mit Kolorektalkarzinomen. An diesem Punkt setzen Forschende nun an: Modulierten sie Signalwege in den Umgebungszellen, konnten sie die Tumoren angreifbarer gegenüber einer Radiotherapie oder Checkpointblockade machen. 

Die Tumormikroumgebung ist wichtig – wichtiger sogar als alles andere. Und dafür ist Darmkrebs ein Paradebeispiel. Mit diesen Statements begann Prof. Dr. ­Florian ­Greten vom Georg-Speyer-Haus in Frankfurt am Main seine Präsentation.1 Das Zusammenspiel der verschiedenen Zellen bestimme von Anfang an das Tumorwachstum und beeinflusse die Metastasierung, erinnerte er. Zudem – was oft vergessen werde –wirke es sich auf die Therapie­antwort aus. Sobald Betroffene zytotoxische Wirkstoffe erhalten, die eine Entzündungsreaktion hervorrufen, löse dies auch eine Antwort des Stromas aus. 

Doch weshalb sollte Darmkrebs ein Paradebeispiel für die Rolle der Tumormikroumgebung sein? Zunächst seien die T-Zellen und Tumor-assoziierten Fibroblasten (cancer-associated fibroblasts, CAF) außerordentlich wichtig für die Prognose der Erkrankten, erklärte Prof. ­Greten. „Ein von Jérôme Galon­ und Kolleg:innen entwickelter, auf dem Tumormicroenvironment basierender Immunscore liefert sogar eine bessere Vorhersage als die TNM-Klassifikation“, konstatierte er. Des Weiteren habe eine Analyse des Bulk-Transkriptoms vor einigen Jahren ergeben, dass weniger die Eigenschaften der Krebszellen, sondern vielmehr ein hoher Anteil an CAF mit einem schlechteren Überleben korrelierte. Dafür, wie die Stromazellen in neue Therapien einbezogen werden könnten, beschrieb Prof. ­Greten im Folgenden zwei Beispiele. 

Urolithin A rekrutiert T-Zellen und sensitiviert für CPI

So habe sein Team vor einigen Jahren herausgefunden, dass der Verlust von Stat3 in Epithelzellen einen komplexen Prozess auslöst, der bei der Krebsentstehung die Antigenpräsentation erhöht.1 Um zu prüfen, ob ein ähnlicher Vorgang auch in etablierten Tumoren induziert werden kann, setzten die Forschenden den Mitophagie-induzierenden Wirkstoff Urolithin A in einem Mausmodell mit subkutan transplantierten Tumororganoiden ein. 
„Gaben wir den Mäusen über das Futter Urolithin A, beobachteten wir einen protektiven Effekt und eine erhöhte T-Zell-Infiltration. In Modellen ohne die Immunzellen fand der Wachstumsrückgang nicht statt.“ Bei genauerer Analyse sahen die Forschenden dass die Gabe von Urolithin A die T-Zellen nicht nur rekrutierte, sondern auch gegenüber einer Checkpointblockade sensitivierte. Grund ist eine Signalkaskade, die nicht von dem ursprünglich entdeckten Prozess im Epithel ausgeht, sondern durch die Mitophagie der T-Zellen ausgelöst wird.2 

Da Urolithin A bereits als Lifestyle-Droge verfügbar ist, konnten die Forschenden recht schnell eine humane Untersuchung mit dem Wirkstoff konzipieren. In der Phase-­1-Studie MitoImmune erhalten Proband:innen das Präparat. Aktuell ist die Rekrutierung abgeschlossen. Prüfen wird das Team jetzt, wie sich Urolithin A auf die metabolische Gesundheit und die Funktion der Immunzellen auswirkt. „Findet sich der Effekt aus dem Mausmodell bei Proband:innen wieder, wäre der nächste Schritt natürlich, das in Kombination mit einer Checkpointblockade im Tumorkontext zu testen“, erklärte Prof. ­Greten.

Gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der Radioonkologie in Frankfurt widmete sich der Referent in einem weiteren Projekt auch den CAF. Darin gingen die Wissen­schaftler:innen der Frage nach, weshalb nur ein Teil der Erkrankten mit Rektalkrebs auf eine Neoadjuvanz anspricht. In Laser-Capture-präparierten Tumor­zellen fand das Team zunächst keinen Unterschied. „Die Tumorzellen waren irrelevant für die Prognose“, betonte Prof. ­Greten. „Bei den Betroffenen, die nicht gut auf die Therapie ansprachen, war hingegen die Zahl der Vimentin-positiven Fibro­blasten erhöht.“

Genauere Analysen ergaben, dass es die Subgruppe der inflammatorischen CAF war, die das Überleben vorhersagte: Personen mit schlechtem Ansprechen wiesen höhere IL1a-Level auf. Grund war ein Germline SNP in einem IL1a-­Antagonist, was zu einer Polarisierung hin zu einem inflammatorischen Phänotyp führte. Erhielten diese Patient:innen eine Bestrahlung, löste das eine Seneszenz in den inflammatorischen CAF aus, da sie die erhöhten DNA-Schäden nicht tolerieren konnten. 

In der Folge kam es zu einer massiven Anhäufung von ECM-Komponenten. „Wir vermuteten, dass das die Therapieresistenz induzierte“, so Prof. ­Greten. Blockierten die Forschenden den IL1-Signalweg, so konnten sie in Mausmodellen den Phänotyp umkehren, und Tumoren gegenüber einer Radiotherapie sensitivieren. Zudem korrelierte das Überleben mit dem IL1-Level. 

„Auch in diesem Fall hatten wir Glück und es existierte bereits ein Medikament mit dem rekombinanten IL1-Rezeptor-Antagonisten Anakinra“, erklärte Prof. ­Greten. In einer Phase-1-„drug-repurposing“-Studie erhielten Betroffene Anakinra zusätzlich zum üblichen neoadjuvanten Therapieprotokoll. Beim erneuten Staging nach 10 Wochen sprachen neun Tumoren (75 %) komplett an. In zwei Fällen kam es zum Rezidiv; 54 % jedoch blieben in Remission – gegenüber 10–15 % unter der Standardtherapie. Eine nachfolgende Studie ist für Anfang kommenden Jahres geplant.

Quellen:
1.    Greten F. 3. Deutscher Krebsforschungs­kongress; Vortrag „CRC tumor microenvironment“
2    Ziegler PK et al. Cell 2018; 174: 88-101.e16; DOI: 10.1016/j.cell.2018.05.028
3.    Denk D et al. Immunity 2022; 55: 2059-2073.e8; DOI: 10.1016/j.immuni.2022.09.014