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VR-Brille Virtueller Ausflug mit realen Folgen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Zu derart schweren Verletzungen bei einem scheinbar harmlosen Sturz kommt es durch den Ausfall der Schutzreflexe während der Nutzung der VR-Brille. Zu derart schweren Verletzungen bei einem scheinbar harmlosen Sturz kommt es durch den Ausfall der Schutzreflexe während der Nutzung der VR-Brille. © iStock/Azat_ajphotos
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Ausflüge in die virtuelle Realität können böse enden. Denn mit einer Cyberbrille auf dem Kopf ist das Gehirn offenbar abgelenkt und vernachlässigt seine Schutzmechanismen

Computerspielen in einer virtuellen Umgebung findet immer mehr Anhänger, aber die Gefahren werden unterschätzt. Die Headsets können zu schweren Unfällen mit massiven körperlichen Verletzungen führen, wie der Fall eines 57-Jährigen zeigt. Der ansonsten gesunde Mann kam mit Kopf- und Nackenschmerzen, Parästhesien der oberen Extremitäten sowie akuter Verwirrtheit in die Klinik. Sämtliche Symptome waren nach einem häuslichen Sturz mit VR-Brille aufgetreten, schreiben Natasha Warner vom Wellington Hospital und Dr. James Teo vom King’s College Hospital in London.

Der Patient selbst erinnerte sich nur noch daran, dass er in einer virtuellen Szene nach vorne gefallen war, ohne sich mit ausgestreckten Armen abzufangen. Seine Familie hatte bemerkt, wie er mit der Stirn auf ein Geländer aufschlug, zu Boden stürzte und für fünf Minuten das Bewusstsein verlor. Bei der ärztlichen Untersuchung fiel eine rechtsseitige Deviation der Zunge auf, die den Patienten beim Sprechen und Schlucken behinderte, außerdem motorische Ausfälle in Höhe C5.

Die bildgebende Diagnostik förderte gleich mehrere brisante Befunde zutage, darunter eine Contusio spinalis plus Bandverletzung auf Höhe C5, bilaterale Frakturen der Hinterhauptkondylen und thorakale Wirbelkörperbrüche. Ferner sah man eine Dissektion der rechten Arteria vertebralis, die bereits zu einem zerebellären Insult geführt hatte. Außerdem litt der Patient an einer traumatischen Hirnschädigung und einer Hypoglossusparese, was die vorhandene Zungendeviation erklärte.

Visueller Input wichtiger als posturale Signale des Körpers

Dabei hatte der 57-Jährige noch Glück im Unglück: Die Wirbelsäulenfrakturen ließen sich mit einer Zervikalorthese stabilisieren. Thrombozytenhemmer verhinderten eine erneute Hirnembolie und eine gezielte Rehabilitation sorgte binnen zwei Wochen für die Rückbildung der neurologischen Beeinträchtigungen.

Zu derart schweren Verletzungen bei einem scheinbar harmlosen Sturz kommt es durch den Ausfall der Schutzreflexe. Ausgelöst wird dieser durch einen Fehler in der zerebralen Informationsbearbeitung. Das Gehirn bewertet den visuellen Input aus der virtuellen Realität der Brille höher als die aus dem Körper eingehenden posturalen Signale und reagiert mit einer Top-down-Modulation der Haltungsreflexe.

Durch die zunehmende Verbreitung von Virtual-Reality-Computerspielen treten solche Verletzungen zukünftig wahrscheinlich immer häufiger auf, fürchten die Autoren. Es gibt zwar inzwischen Sicherheitswarnungen, unklar ist jedoch, ob die Nutzer diese auch beachten.

Quelle: Warner N, Teo JT. BMJ Case Rep 2021; DOI: 10.1136/bcr-2021-243424