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West-Nil-Virus Vom Nil nach Sachsen

Neurowoche 2022 Autor: Friederike Klein

Das West-Nil-Virus verbreitet sich durch die Immigration bestimmter Mückenarten vermehrt in Europa - auch in Deutschland. Das West-Nil-Virus verbreitet sich durch die Immigration bestimmter Mückenarten vermehrt in Europa - auch in Deutschland. © Irina Starikowa – stock.adobe.com
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Warme Sommer, milde Winter – das ermöglicht bestimmten Mückenarten die Immigration in unsere Breiten. Mit ihnen gelangen Viren zu uns, die „neue“ Erkrankungen hervorrufen und auch für neurologische Symptome sorgen: Beispiel West-Nil-Virus (WNV).

In Südeuropa hat sich das Virus schon verbreitet, in Deutschland ist es regional angekommen, berichtete Prof. Dr. Matthias Maschke vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier. 2020 wurden in Europa 332, in 2022 bereits 950 Fälle einer West-Nil-Virusinfektion berichtet. In Deutschland zählte man in den gleichen Jahren 30 bzw. bislang 10 Fälle, vorrangig in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.

Das behüllte RNA-Virus aus der Familie der Flaviviridae infiziert vor allem Vögel, Pferde und andere Säugetiere. Als Zwischenwirte kommen die Tigermücke, aber auch die heimische Gemeine Stechmücke, Culex pipiens, infrage. Beim Menschen verlaufen etwa 60 % der Infektionen asymptomatisch. Die korrekte Diagnose wird nur bei etwa 5 % der Betroffenen gestellt.

Beim symptomatischen Verlauf zeigt sich klinisch ein nicht juckendes makulopapulöses Exanthem ähnlich dem bei Masern, das Hände und Sohlen ausspart. Für die Neurologie relevant sind die seltenen neuroinvasiven Verläufe. Es kann eine blande Meningitis auftreten, die meist gut ausheilt. Problematischer ist eine Enzephalitits, häufig mit einem ausgedehnten Haltetremor der Hände und extrapyramidal-motorischen Symptomen. Myoklonien der Hände und des Gesichts finden sich vor allem im Schlaf. Selten werden Ataxie, Anfälle und erhöhter Hirndruck beobachtet. Nur 37 % der Patienten mit Enzephalitis dieser Genese erreichen nach einem Jahr eine Komplettremission, sagte Prof. Maschke. Die Auswertung von neun Fällen in Deutschland ergab als häufigstes neurologisches Symptom vermindertes Bewusstsein oder Koma (5/9), Kopfschmerzen (4/9) und Fotophobie (3/9). 

Bei der Diagnosestellung hilft der Liquor oft wenig, meinte der Kollege. Bestätigt wird die Diagnose durch den Nachweis von WNV-IgM-Antikörpern im Serum. Diese können allerdings mehr als ein Jahr persistieren. Problematisch ist zudem eine Kreuzreaktivität mit anderen Flaviviren, besonders dem Usutu-Virus. Finden sich auch im Liquor IgM-Antikörper, weist dies mit größerer Sensitivität und Spezifität auf eine WNV-Infektion hin. Hilfreich ist außerdem eine RT-PCR-Untersuchung des Urins. Damit lässt sich WNV-RNA häufig auch dann nachweisen, wenn der Liquorbefund negativ ausfällt. „Es lohnt sich, Serum, Urin und Liquor einzuschicken“, betonte Prof. Maschke.

Eine kausale Therapie der WNV-Enzephalitis gibt es nicht. Der Effekt von Steroiden ist fraglich, Studien mit intravenösen Immunglobulinen und Interferon alfa waren negativ. Eine Impfung ist bei Pferden möglich, bei Menschen aber nicht in Sicht. Eine WNV-Infektion gilt in Deutschland als namentlich meldepflichtige Erkrankung, eine Isolationspflicht besteht nicht. Blutspender müssen nach Verlassen eines Endemiegebietes 28 Tage bis zur nächsten Blutspende warten.

Quelle: Neurowoche 2022