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Akuter Bauchschmerz bei Kindern Vorsicht, Notfall!

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Kleinkinder können meist noch nicht richtig beschreiben, wo genau der Schmerz liegt. Daher muss man selbst auf Spurensuche gehen. (Agenturfoto) Kleinkinder können meist noch nicht richtig beschreiben, wo genau der Schmerz liegt. Daher muss man selbst auf Spurensuche gehen. (Agenturfoto) © Viacheslav Yakobchuk – stock.adobe.com
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Klagt ein Kind akut über Bauchweh, ist dies als Alarmzeichen zu werten und bedarf einer raschen Abklärung. Denn häufig ist eine Intervention erforderlich. 

Vor allem kleine Kinder neigen dazu, ein krankheitsbedingtes Unwohlsein als Bauchschmerz zu empfinden und zu äußern. Deshalb darf sich die Ursachensuche nicht auf abdominelle Erkrankungen beschränken. Am Anfang der Diagnostik steht eine möglichst genaue Anamnese. Es gilt, gefährliche Situationen sofort zu erkennen, entsprechend ist primär auf Anzeichen für ein akutes Abdomen zu achten. Dazu zählen starke Leibschmerzen, Bauchdeckenspannung und eine gestörte Darmperistaltik. Betroffene machen in dieser Situation einen ernsthaft kranken Eindruck, sind blass und ängstlich. Außerdem fällt eine deutlich eingeschränkte Bauchatmung auf. In solchen Fällen muss der kleine Patient umgehend stationär eingewiesen werden, betont PD Dr. ­Burkhard ­Rodeck vom Christlichen Kinderhospital Osnabrück.

Anders sieht die Strategie aus, wenn Kinder mit akuten abdominellen Schmerzen keinerlei besondere Einschränkungen zeigen und weder ihre Aktivitäten tagsüber noch die Nachtruhe unterbrechen. Diese Patienten dürfen zunächst eine Weile beobachtet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass bei Verschlimmerung wiederholte Konsultationen des Arzt in kurzen Abständen möglich sind.

Je größer der Abstand zwischen lokalisiertem Schmerz und Nabel, desto eher besteht eine organische Ursache. Jüngere Kinder geben meist diffuse Beschwerden an und zeigen bei der Frage nach deren Lokalisation auf den Bauchnabel. Mit zunehmendem Alter werden die Angaben zu Ort und Art der Symptome differenzierter. Bei der Einordnung sollte stets bedacht werden, dass akute Bauchschmerzen auch den Beginn einer chronischen Erkrankung markieren können.

Traumatisch bedingte Symptome lassen sich meist leicht erfragen. Man sollte bei Kleinkindern jedoch sicherheitshalber immer auf äußere Verletzungszeichen achten, denn sie könnten unbemerkt gestürzt sein. Operationsnarben können auf einen Bridenileus hinweisen.

Wichtige Informationen zur Genese der Schmerzen liefern oftmals Begleitsymptome wie Diarrhö und Erbrechen, Schmerzen beim Wasserlassen (Harnwegsinfekt) und die Stuhlanamnese (akute Obstipation). Ein Infekt der oberen Atemwege inklusive Fieber und Tachypnoe kann ein Hinweis auf eine basale Pneumonie oder Pleuritis sein.

Auch eine Erkrankung anderer Organe (z.B. des Hodens) kommt potenziell als Ursache infrage. Deshalb empfiehlt Dr. Rodeck, Kinder mit akutem Bauchweh stets vollständig zu untersuchen. 

Bei der Appendizitis in typischer Lokalisation findet sich ein Druckschmerz auf der rechten Seite beziehungsweise ein Douglas-Schiebeschmerz. Ein mechanischer Ileus macht sich typischerweise mit intermittierenden kolikartigen Beschwerden bemerkbar. Das üblicherweise damit einhergehende Erbrechen kann bei einem akuten Verschluss reflektorisch bereits zu Beginn einsetzen. Ansonsten kommt der Vomitus bei einer intestinalen Obstruktion erst mit Verzögerung hinzu. Je später er auftritt, desto tiefer liegt der Engpass. Perkutorisch fällt beim mechanischen Verschluss ein hypersonorer Klopfschall auf, auskultatorisch imponieren klingende hochgestellte Darmgeräusche. Beim paralytischen Ileus fehlen die intestinalen Lautäußerungen.

Blut im Stuhl spricht für eine Invagination, kann aber auch bei einem Mesenterialinfarkt auftreten. Eine Abwehrspannung weckt Peritonitisverdacht. Tastbare Resistenzen sind häufig Zeichen einer Obstipation. Sie können aber auch von einer chronischen Darmerkrankung herrühren (Abszess, Konglomerat).

Akuter Bauchschmerz ohne OP-Bedarf

Säuglingsalter

Dreimonatskoliken

anderweitig nicht erklärbares Schreien > 3 h täglich, an mindestens 3 Tagen pro Woche über ≥ 3 Wochen, häufig Meteorismus

akute Gastroenteritis

Diarrhö, Erbrechen, Fieber, vermehrte Darmperistaltik, Abdomen diffus druckschmerzhaft, ggf. Dehydratation

Invagination

5.–9. Monat, heftigste Schmerzattacken, Blut im Stuhl, sonographisch Invaginat im rechten Oberbauch (Kokardenstuktur)

Refluxkrankheit

Spucken, Überstrecken und Unruhe nach dem Füttern, Nahrungsverweigerung

Klein- und Schulkinder

Obstipation

Verstopfung, Stuhlimpaktation, bei Symptomen seit Geburt M. Hirschsprung ausschließen

Sigmavolvulus 

heftigste krampfartige Unterbauchschmerzen, schlagartige Besserung durch Einlauf

eosinophile Ösophagitis

Schluckbeschwerden, Globusgefühl, epigastrische Schmerzen

Die Labordiagnostik umfasst neben Differenzialblutbild und Entzündungsmarkern (BSG, CRP) obligatorisch einen Urinstatus (Harnwegsinfekt). Zum Ausschluss einer Pankreatitis ist die Bestimmung der Lipase sensitiver und spezifischer als die der Amylase.

Unter den bildgebenden Verfahren besitzt die Sonographie die höchste Aussagekraft. Sie ermöglicht den Nachweis von Urolithiasis und Gallensteinen. Auch eine Appendizitis lässt sich meist gut detektieren. Das typische Kokardenzeichen spricht für eine Invagination. Beim Verdacht auf (Sub-)Ileus ist ein Röntgenbild indiziert. Auch eine Stuhlimpaktation bei akuter Obstipation ist gut zu sehen. Deshalb darf man in diesen Fällen auf eine rektal-digitale Untersuchung verzichten.

Quelle: Rodeck B. Kinder- und Jugendarzt 2022; 53: 302-308