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Schilddrüsenunterfunktion Vorteile einer T4/T3-Kombinationstherapie bleiben fraglich

DGIM 2022 Autor: Dr. Angelika Bischoff

Ein etwas anderer Blick auf die Schilddrüse. Dieses rasterelektronenmikroskopische Bild zeigt diverse Follikel (orange) mit den hormonbildenden Epithelzellen (grün) und Bindegewebe (rot). Ein etwas anderer Blick auf die Schilddrüse. Dieses rasterelektronenmikroskopische Bild zeigt diverse Follikel (orange) mit den hormonbildenden Epithelzellen (grün) und Bindegewebe (rot). © Science Photo Library/Gschmeissner, Steve
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Ob Levothyroxin zur Substitutionstherapie bei Schilddrüsenunterfunktion ausreicht oder besser mit Trijodthyronin kombiniert werden sollte, wird kontrovers diskutiert. Für beide Vorgehen gibt es Argumente.

Die Schilddrüse sezerniert normalerweise Levothyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) im Verhältnis 14:1. Etwa 80 % des aktiven Meta­boliten T3 entstehen erst durch Dejodierung des Prohormons T4 in peripheren Organen. Bei Hypothyreose ist die Hormonproduktion gestört. Zum Ausgleich des Mangels erhalten Patienten synthetisch hergestelltes T4, ein Natriumsalz des Thyroxins.

Doch das war nicht immer so: Zu Beginn der Substitutionstherapie, vor etwa 130 Jahren, behandelte man Patienten mit frischen Extrakten aus der Schafschilddrüse. „Sie erhielten auf diese Weise eine frühe Form der Kombinationstherapie“, erklärte Dr. ­Viktoria ­Köhler, Endokrinologin am Klinikum der LMU München. 

Mit T4 alleine bleibt der T3-Spiegel zu niedrig

Heute gebe es wieder gewichtige Argumente, statt der etablierten T4-Mono- eine T3/T4-Kombinationstherapie durchzuführen. So zeigten experimentelle Untersuchungen an thyreoidektomierten Ratten, dass eine T4-Monotherapie auch bei hohen Dosen auf Organebene keine physiologischen T3-Spiegel induzierte. Dies gelang nur durch die zusätzliche Gabe von T3.

In Studien ergab sich ein ähnliches Bild: Mehr als 15 % der Patienten, die nach Thyreoidektomie eine T4-Mono­therapie erhielten, lagen unterhalb eines physiologischen T3-Spiegels, rund 7 % aber oberhalb eines physiologischen T4-Spiegels. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die T4-Monotherapie durch Effekte auf die Dejodinase-Aktivität möglicherweise in der Peripherie die T3-Verfügbarkeit beeinträchtigt – bei normalem TSH-Spiegel. Aus Übersichtsarbeiten ging außerdem hervor, dass unter einer T4-Monotherapie vermehrt Angst und Depression auftreten. Zwischen fünf und 15 % der behandelten Patienten fühlten sich mit der T4-Mono­therapie nicht wohl. 

Diese neuen Erkenntnisse fanden Widerhall in den Antworten einer Umfrage unter US-amerikanischen Endokrinologen: Die meisten Teilnehmer sprachen sich für eine Kombinationstherapie aus, sofern unter Monotherapie trotz laborchemischer Euthyreose weiterhin Hypothyreosesymptome bestehen.

Die vorliegenden Studien zur dualen Therapie weisen allerdings Limitationen auf: Sie haben meist geringe Teilnehmerzahlen, sind häufig nicht-kontrolliert oder schlecht dokumentiert. Außerdem sind die Daten hinsichtlich Pathogenese und Medikation sehr heterogen. Objektivierbare Resultate konnten somit kaum erhoben werden. Wohl aber zeichnete sich eine subjektive Präferenz der Patienten für die Kombinationsbehandlung ab.

Auch zu Langzeitrisiken gibt es kaum Daten, da die meisten Studien kürzer als ein Jahr liefen. Studien­ergebnisse aus Schottland weisen allerdings darauf hin, dass die doppelte Hormongabe nicht mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einhergeht.

Als Konsequenz forderten europäische und amerikanische Endokrinologen 2021 in einem Konsensuspapier neue Studien, die nach aktuellen Qualitätskriterien die duale Behandlung mit der Monotherapie vergleichen. Noch 2012 wurde die Kombinationstherapie in der ETA*-Leitlinie als „experimenteller Ansatz“ bezeichnet, der nur bei Hypo­thyreosepatienten in Betracht zu ziehen sei, die trotz normaler TSH-Spiegel mit fortbestehenden Symptomen zu kämpfen hätten.

Es gibt keinen Grund, an der Monotherapie etwas zu ändern“, konstatierte Prof. Dr. ­Joachim ­Feldkamp von der Inneren Medizin am Klinikum Bielefeld. Jede Körperzelle sei in der Lage, T3 aus T4 herzustellen. „Mit T4 alleine haben wir immerhin 70 Jahre Erfahrung.“ Nicht ohne Grund seien fast ausschließlich T4-Produkte in verschiedenen Stärken auf dem Markt. Nur drei Kombinationspräparate stünden zur Verfügung, von denen keines ein physiologisches T4/T3-Verhältnis aufweise, so der Experte.

Während der T4-Serumspiegel normalerweise sehr konstant verläuft, schwankt der T3-Spiegel über den Tag wellenförmig. „Gibt man nun T3, so kann man unphysiologisch starke Konzentrationsanstiege beobachten“, erläuterte Prof. ­Feldkamp.

Ein relevanter klinischer Nutzen der Kombinationstherapie bei manifester Hypothyreose konnte bisher nicht abschließend nachgewiesen werden. Zudem ließ sich in Studien die erwartete Reduktion des Körpergewichts durch Umstellung auf T4 plus T3 kaum dokumentieren. Neuere Meta­analysen fanden auch keine besseren Effekte im Hinblick auf Depression, Schmerz, Müdigkeit und Ängstlichkeit.

Zu wenig Infos über Wechselwirkungen von T3

Darüber hinaus fehlen Informationen, ob und wie die T3-Resorption durch andere Medikamente beeinflusst wird. Dagegen sind die relevanten Wechselwirkungen bei T4-Einnahme hinlänglich bekannt.
Für Prof. Feldkamp sind Langzeiterfahrung, belegte Effektivität, gute Resorption, günstiges Nebenwirkungsprofil, einfache Anwendung und geringe Kosten schlagende Argumente: Seiner Meinung nach bleibt Levothyroxin alleine das Präparat der Wahl bei Hypo­thyreose.

* European Thyroid Association

Quelle: 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin