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Depressionen Was bringt die Therapie bei KHK und Herzinsuffizienz?

DGK-Jahrestagung 2024 Autor: Dr. Sascha Gehrken

Sogenannte psychosoziale Therapie half KHK-Patienten am besten Sogenannte psychosoziale Therapie half KHK-Patienten am besten © Orapun - stock.adobe.com
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Depressive Symptome schränken nicht nur die Lebensqualität von herzkranken Patienten ein, sie erhöhen auch die Mortalität. Trotzdem profitiert nicht jeder von Psychotherapie und/oder Antidepressiva. Zurückhaltung ist insbesondere bei den Medikamenten gefragt.

Patienten mit KHK oder Herzinsuffizienz entwickeln häufig eine Depression. Beispielsweise ist die Prävalenz bei Herzschwäche zwei- bis viermal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Um der Komorbidität zu begegnen, empfehlen das DGK-Positionspapier zur Bedeutung von psychosozialen Faktoren in der Kardiologie und die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Chronische KHK psychotherapeutische Maßnahmen. Ab einer mittelgradigen depressiven Störung kommen laut NVL auch Antidepressiva infrage. In jedem Fall sollten die Behandlungspräferenzen des Patienten beachtet werden, betonte Prof. Dr. Christian Albus, Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Uniklinik Köln. Außerdem sei eine gute interdisziplinäre Abstimmung wichtig (s. unterer Kasten).

Doch was bringen Psychotherapie und Antidepressiva für Herzkranke eigentlich? Prof. Albus präsentierte neuere Studien zur Effektivität der beiden Optionen, die seit der Veröffentlichung von Positionspapier bzw. NVL erschienen sind.

KHK und ACS

Eine Metaanalyse von 14 randomisierten Studien mit insgesamt etwa 4.000 KHK-Patienten bescheinigte der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) einen signifikanten Vorteil, was die Linderung der Depressivität betrifft.1 Bei den meisten Teilnehmern waren die Symptome nach einem akuten Herzinfarkt aufgetreten. Allerdings fielen die Resultate der einzelnen Studien sehr heterogen aus und wiesen eine breite Streuung auf, so Prof. Albus. Die positiven Effekte waren eher schwach bis mittelgradig ausgeprägt.

Dem Vergleich verschiedener Behandlungsansätze widmete sich eine Netzwerkmetaanalyse.2 Sie umfasste 30 Studien mit ca. 12.000 Patienten, die nach einem akuten Koronarsyndrom unter einer Depression litten. Gegenüber der Standardtherapie schnitten KVT und Antidepressiva ähnlich gut ab. „Bei der koronaren Herzerkrankung können Sie tatsächlich beides tun“, hielt der Referent fest. Am deutlichsten half den Teilnehmern jedoch eine sogenannte psychosoziale Therapie. Diese bestand Prof. Albus zufolge aus regelmäßigen Gruppengesprächen, Psychoedukation und Lebensstil-Programmen. Derartige Elemente sollen die Re-Integration unterstützen. „Psychotherapie im engeren Sinne ist ja nicht notwendigerweise das, was Patienten am besten finden“, so der Kollege.

Hinsichtlich der KHK-Prognose führten psychologische Interventionen in einer Metaanalyse zu 18 % weniger kardiovaskulären Ereignissen.3 Speziell die Infarktrate sank um 28 %. Kardiovaskuläre und Gesamtmortalität gingen nicht zurück. Einschränkend erwähnte der Referent, dass pro signifikantem Endpunkt nur fünf bzw. neun Studien vorlagen und es Unterschiede zwischen den eingeschlossenen Kohorten, genutzten Verfahren und erzielten Effekten gab.

Antidepressiva scheinen den Verlauf der Herzerkrankung nicht zu beeinflussen. In einem Cochrane-Review, das pro Endpunkt lediglich drei bzw. zwei randomisierte Studien einschloss, fand sich kein eindeutiger Hinweis auf die Reduktion von Infarkten und Gesamtmortalität.4

Blutungsrisiko und andere Nebenwirkungen

Beim Einsatz von Antidepressiva müssen immer die potenziellen unerwünschten Nebenwirkungen bedacht werden, die „wir erst recht in der Kardiologie nicht so gerne sehen“, erinnerte Prof. Albus. Z.B. ergab eine aktuelle Metaanalyse ein um 49 % höheres relatives Risiko für gastrointestinale Blutungen, wenn zu NSAR (inkl. ASS) ein seleketiver Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) hinzu kam. Bei einer NOAK-Dauertherapie bezifferte eine weitere Untersuchung den relativen Risikoanstieg für schwerwiegende Blutungen durch SSRI auf 33 %.

Darüber hinaus können die Psychopharmaka u.a. zu Agitation (SSRI) bzw. Sedation (Mirtazapin), Arrhythmien und Gewichtszunahme führen. Tri- und Tetrazyklika gilt es wegen kardialer Nebenwirkungen zu vermeiden. Unbedingt erfoderlich ist dem Kollegen zufolge ein sorgfältiges Monitoring mit wiederholter EKG-Diagnostik vor und während der Therapie.

Herzinsuffizienz 

Von einer kognitiven Verhaltenstherapie profitieren Herzinsuffiziente mit Depression offenbar weniger als KHK-Patienten. Zwar halten die Autoren einer Metaanalyse die KVT für eine effektive Maßnahme, um bei einer Herzschwäche depressive Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.5 Prof. Albus sprach bezogen auf diese Untersuchung aber von schwachen bis fraglichen Effekten. Es kamen neun Studien mit insgesamt 1.070 Teilnehmern zur Auswertung, die allesamt ein kurzes Follow-up von drei bzw. sechs Monaten hatten und heterogene Ergebnisse lieferten. „Wir können zumindest anhand der wissenschaftlichen Evidenz nicht sagen, die Psychotherapie ist die Methode der Wahl und die hilft auf jeden Fall“, kommentierte der Kollege. Das gilt auch in Bezug auf die kardiovaskuläre Prognose.

Ein schwacher Vorteil der KVT zeigte sich in einer Netzwerkmetaanalyse, die die Psychotherapie einem körperlichen Training und Antidepressiva gegenüberstellte.6 Herangezogen wurden 21 randomisierte Studien mit etwa 4.500 psychisch kranken Herzinsuffizienzpatienten. Im jeweiligen Vergleich mit der Standardtherapie bzw. Placebo minderte das Training die Depressivität am stärksten. Die Psychopharmaka führten – anders als bei der KHK – zu keiner gesicherten Reduktion der Symptome. Prof. Albus mahnte, dass Antidepressiva bei Herzinsuffizienz deshalb kritischer eingesetzt werden müssen.

Immerhin: Eine frisch publizierte randomisierte Studie mit 416 Herzkranken deutet darauf hin, dass Antidepressiva unter bestimmten Voraussetzungen mit der KVT mithalten können.7 Im Direktvergleich führten beide Ansätze binnen eines Jahres zu einer ca. 50%igen Verbesserung der Depressivität gemessen am PHQ-9-Score. Die Therapien waren eingebettet in ein komplexes Interventionskonzept namens Collaborative Care, erklärte der Kollege. U.a. wurden die Teilnehmer von Care Managern begleitet und waren interdisziplinär angebunden. Im Einzelfall gelingt es mit einem guten Netzwerk also, mit Medikamenten positive Ergebnisse zu erreichen.

Wer sich dafür entscheidet, Antidepressiva einzusetzen, sollte zudem die kardiovaskuläre Prognose im Blick behalten. Prof. Albus hatte eine klare Botschaft: „Es kann eine deutliche Risikoverschlechterung geben.“ Seine Aussage fußt auf einer Metaanalyse von vier Studien, bei der unterm Strich eine jeweils 21%ige Steigerung von kardiovaskulärer und Gesamtmortalität herauskam, wenn Herzinsuffiziente entsprechende Präparate einnahmen.8

An wen wenden?

EIn gut organisiertes interdisziplinäres Netzwerk verbessert die Versorgung von herzkranken Patienten mit Depression. Das Informationsportal Psychokardiologie bietet eine Adressliste psychokardiologisch qualifizierter Kardiologen, Allgemeinmediziner sowie Psychotherapeuten.

Mehr Infos unter: psychokardiologie.org

In der anschließenden Diskussion forderte Chairwoman Prof. Dr. Ingrid Kindermann vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg, mutig zu sein und Antidepressiva bei fraglicher Indikation ggf. abzusetzen. Ergänzend empfahl der Referent ein langsames Ausschleichschema über mindestens vier bis acht Wochen. Außerdem betonte er im Einklang mit der NVL, dass die Pharmakotherapie vor allem Patienten mit einer mindestens mittelgradigen Depressivität nützt. Bei leichtgradigen Beschwerden im Sinne einer Anpassungsstörung nach einem ACS spreche wenig für Medikamente.

Quellen: 

90. Jahrestagung der DGK

1. Nuraeni et al. Healthcare 2023; 11: 943; DOI: 10.3390/healthcare11070943

2. Lim et al. PLoS ONE 17: e0278326; DOI: 10.1371/journal.pone.0278326

3. Magan et al. J Psychosom Res 2022; 153: 110710; DOI: 10.1016/j.jpsychores.2021.110710

4. Tully et al. Cochrane Database Syst Rev 2021; 12: CD008012; DOI: 10.1002/14651858.CD008012.pub4

5. Nso et al. Cardiol Rev 2023; 31: 139-148; DOI: 10.1097/CRD.0000000000000439

6. Das et al. J PSychosom Res 2019; 108: 7-23; DOI: 10.1016/j.jpsychires.2018.10.007

7. IsHak et al. JAMA Netw Open 2024; 7: e2352094; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2023.52094

8. He et al. Heart Fail Rev 2020; 25: 919-926; DOI: 10.1007/s10741-019-09850-w