Pandemie der Ignoranz Was der Klimawandel für Menschen mit Allergien bedeutet

Autor: Dr. Anna-Lena Krause

„Alles, was das Wachstum von Pflanzen beeinflusst, verändert auch unser Leben.“ „Alles, was das Wachstum von Pflanzen beeinflusst, verändert auch unser Leben.“ © nobeastsofierce - stock.adobe.com

Pollen verursachen heute mehr Beschwerden als früher. Ein Treiber dieses wachsenden Problems ist der anthro­pogene Klimawandel. Er könnte auch Kontakt- und Nahrungsmittelallergien im Zusammenhang mit Pflanzen verstärken.

„Alles, was das Wachstum von Pflanzen beeinflusst, verändert auch unser Leben. Denn wir sind auf sie angewiesen“, begann Prof. Dr. Lewis Ziska von der Mailman School of Public Health an der Universität Columbia seinen Vortrag. Zu den beeinflussenden Faktoren zählt zum einen die Erderwärmung. Vergleicht man den Zeitraum 1901 bis 2000 mit dem Jahr 2024, ist die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur von 13,9 °C auf 15,2 °C angestiegen. Zum anderen trägt die kontinuierlich zunehmende CO2-Emission zu Veränderungen in der Vegetation bei. Als sich vor Urzeiten die ersten Pflanzen entwickelten, war der Kohlendioxidgehalt der Luft geringer als jetzt. „In den letzten Millionen Jahren hatten sie also quasi einen CO2-Mangel“, so der Referent. 

Nicht alle Pflanzen profitieren gleichermaßen von dem wachsenden Angebot an Kohlendioxid. Einer der Gewinner ist der Kletternde Giftsumach (Toxicodendron radicans), dessen Inhaltsstoff Urushiol Kontaktdermatitiden auslöst. Der Neophyt gedeiht bei höherer CO2-Konzentration nicht nur besser, er bildet auch mehr bzw. potentere Allergene. Derselbe Effekt wurde für das besonders bei Landwirten unbeliebte Karottenkraut (Parthenium hysterophorus) beobachtet. Das von ihm gebildete Parthenin verursacht ebenfalls schwere Hautreaktionen, fungiert aber auch als Bodengift für artfremde Pflanzen, sodass sich die Spezies besser verbreiten kann.

Unter den Auslösern von Pollenallergien, die vom Klimawandel profitieren, nannte Prof. Ziska die Ambrosie und die Eiche. Mehr Kohlendioxid fördert nicht nur die Menge ihrer Pollen, sondern auch deren Gehalt an Allergen Amb a 1 bzw. Que a 1. Das Wiesen-Lieschgras, das häufig in Heu enthalten ist, verbreitet mit steigender Kohlendioxidkonzentration auch mehr Schimmelpilzsporen (v. a. ­Alternaria). „Heuschnupfen“ sei in diesem Zusammenhang eher eine Reaktion auf den Pilz als auf die Pollen.

Da in Ballungsgebieten und Städten die Temperaturen und der CO2-Gehalt höher sind, finden sich dort mehr Ambrosiapollen. Im Stadtzentrum von Baltimore wurde über ein Jahr insgesamt zehnmal mehr Blütenstaub pro Kubikmeter Luft gemessen als im ländlichen Raum. Die Zunahme der Pollenkonzentration ist ein globales Problem. Ob in Turku, Reykjavik oder Genf, überall wurde seit den 1990er-Jahren ein kontinuierlicher Anstieg gemessen. Die Ursache liegt nachweisbar im anthropogenen Klimawandel.

CO2 erhöht den Allergengehalt in manchen Erdnüssen

Die Inzidenz von Lebensmittelallergien hat in den vergangenen 30 Jahren um mehr als das Fünffache zugenommen. Ein Zusammenhang mit dem Klimawandel ist zwar noch nicht ausreichend untersucht, doch es gibt Hinweise darauf. Erdnüsse der Sorte Jumbo enthalten z. B. bei höherem Kohlendioxidangebot mehr Allergen Ara h 1.

Abschließend richtete Prof. Ziska einen Appell an das Publikum: „Die größte Gefahr für die Gesundheit, die stetig zu wachsen scheint, ist aus meiner Sicht die Ignoranz. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass sie großen Schaden anrichten und viele Todesfälle verursachen kann. Bitte helfen Sie, diese Pandemie der Ignoranz zu bekämpfen.“

* American Academy of Allergy, Asthma & Immunology/World Allergy Organization

Quelle: AAAAI/WAO* Joint Congress 2025