Anzeige

Vom Fußbad bis zur Kühlinsel Abkühlung in Zeiten des Klimawandels

Autor: Dr. Sonja Kempinski

Prognostisch wird es in Zukunft noch wärmer und immer mehr Menschen werden lernen müssen, mit den heißen Außentemperaturen umzugehen. Prognostisch wird es in Zukunft noch wärmer und immer mehr Menschen werden lernen müssen, mit den heißen Außentemperaturen umzugehen. © iStock/batuhan toker
Anzeige

Der Klimawandel gibt Gas: Hitzeperioden werden häufiger und dauern immer länger. Ihre Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und Produktivität sind erheblich. Deshalb sucht man weltweit nach Strategien, die Menschheit abzukühlen.

Ohne Frage – das Klima verändert sich. Extreme Hitzeperioden, die früher selten waren, sind jetzt schon an der Tagesordnung, schreibt eine Expertengruppe um Professor Dr. Ollie Jay, Thermal Ergonomics Laboratory, Faculty of Medicine and Health, University of Sydney. Die Auswirkungen des heißen Wetters bekommt man vielerorts zu spüren. Hitzebedingte Morbidität und Mortalität steigen, besonders betroffen sind alte Menschen, chronisch Kranke und Arme.

Prognostisch wird es in Zukunft noch wärmer und immer mehr Menschen werden lernen müssen, mit den heißen Außentemperaturen umzugehen. Weltweit setzt man dafür vor allem auf Klimaanlagen. Schätzungsweise 1,6 Milliarden Einheiten sind in Gebrauch, die Hälfte davon in China und den USA. Vom gesundheitlichen Aspekt her sind die Geräte durchaus sinnvoll. Sie schaffen ein angenehmes Raumklima und schützen vor den gesundheitlichen Folgen der hohen Temperaturen. In Kliniken eingesetzt, reduzieren sie in Hitzeperioden das Sterberisiko um 40 %. Außerdem erhält die kühle Luft in Büros und Industrie die Produktivität und die Lernfreude in Schulen und Universitäten. Doch es gibt mehrere Nachteile:

  • Klimaanlagen selbst erzeugen Wärme und heizen damit die Umgebung auf.
  • Ihr Stromverbrauch ist gewaltig. In Großstädten geht bei extremer Hitze bis zu drei Viertel des Stromverbrauchs auf ihre Kosten. Das kann zu Stromausfällen mit schweren Folgen wie z.B. dem Ausfall (lebens)wichtiger Geräte führen.
  • Durch den immensen Verbrauch an Energie erhöhen Klimaanlagen je nach Art der Stromerzeugung den Ausstoß an Treibhausgasen. In 2019 produzierten sie weltweit etwa 1 Milliarde Tonnen CO2.
  • Sie funktionieren nur in geschlossenen Räumen. In vielen Regionen werden die Menschen aber bei ihrer Arbeit im Freien durch die Aufheizung bedroht.
  • Ein großer Teil der von den Hitzeperioden besonders stark betroffenen Menschen kann sich weder die Anschaffung noch den Unterhalt der Geräte leisten.
  • Klimaanlagen reduzieren die physiologische Akklimatisierung.

Klimaanlagen sind daher wohl nicht die Rettung für das weltweite Hitzeproblem. Übergreifend müssen strategische, den Städte- und Hausbau betreffende Maßnahmen ergriffen werden.

In den Städten ist für reichlich Schatten zu sorgen. Dazu eignen sich sowohl Überdachungen von Bürgersteigen, Spielplätzen oder Bushaltestellen als auch Wasserinstallationen und der Erhalt von Laubfläche in Parks und Grünanlagen (Kühl­inseln). Die Infrastruktur muss sich dem Klima insofern anpassen, dass Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können und weniger Emissionen durch den Verkehr entstehen. Das gelingt auch über das Umstellen von Fahrzeugen auf elektrische Antriebsmodelle. Wichtig ist zusätzlich, dass Städteplaner zukünftig auf eine bessere Durchlüftung der Straßenzüge achten, z.B. über Frischluftschneisen und mehr Grünflächen (u.a. im Straßenbereich).

Gebäude haben ebenfalls Potenzial im Kampf gegen die Hitze. Spezielle Beschichtungen von Fassaden und Dächern können Strahlen reflektieren und gemeinsam mit Dämmstoffen das Aufheizen der Gebäude verringern. Fenster lassen sich mit reflektierenden Folien ausrüsten und die Sonne blocken Jalousien, Mar­kisen oder Vordächer. Last but not least sorgen bepflanzte Außenfassaden und Dächer für Verdunstungskühlung und Schatten und lassen weniger Wärme nach innen gelangen.

Doch diese Kühlmaßnahmen sind z.T. noch Zukunftsmusik und vor allem den Menschen vorbehalten, die in Ländern mit hohen Einkommen leben. Als einfache, kostengünstige Maßnahmen im Umgang mit hohen Temperaturen, die überall funktionieren, setzen die Autoren auf verschiedene individuelle Effekte.

Ventilatoren erzeugen auf der Haut Verdunstungskühle. Da sie 10–50-mal weniger Energie verbrauchen als Klimaanlagen, lassen sie sich auch mit Batterien oder Solarpaneelen betreiben und sind in Regionen mit schlechterer Infrastruktur einsetzbar. Bei trockener Hitze (ab 35 °C) dreht sich der kühlende Effekt allerdings um und ab 45 °C heizen die Geräte den Körper so stark auf, dass vom Gebrauch generell abgeraten wird. Empfohlen wird der Einsatz für gesunde 18–40-Jährige bei weniger als 39 °C und für Gesunde über 65 Jahren bei unter 38 °C. Gesunde Erwachsene, die Anticholinergika einnehmen, sollten Ventilatoren nur bis maximal 37 °C nutzen. Generell gilt, dass der dehydrierende Effekt der Ventilatoren durch reichlich Trinken ausgeglichen werden muss.

Ventilatoren mit Sprühnebel können die Lufttemperatur in unmittelbarer Nähe verringern. Allerdings steigern sie die Humidität, was den kühlenden Effekt reduziert. Insgesamt eignen sie sich wenig für Innenräume.

Ist es heiß und trocken, können Verduns­tungskühler die Lufttemperatur um bis zu 10–15 °C senken, bei feuchtem und sehr heißem Wetter büßen sie aber deutlich an Effekt ein. Nachteil der Geräte sind außerdem die relativ hohen Anschaffungskosten. Und ohne richtige Wartung besteht die Gefahr, dass sie insbesondere in Subtropen und Tropen zu Moskitobrutstätten werden. Eine Wasserkühlung funktioniert auch ohne Strom und eignet sich daher auch zur Überbrückung während eines Stromausfalls.

Besonders hilfreich ist es, größere Hautareale mit einem nassen Schwamm oder Waschlappen zu kühlen. Das erhöht die Verdunstung auf der Haut und ist bis zu Temperaturen von 47 °C effektiv. Ideal ist etwa 20 °C warmes Leitungswasser. Abkühlung verschafft auch das Tragen von einem angefeuchteten Baumwoll-T-Shirt. Handbäder sind eine weitere Alternative, verwendet wird etwa 10 °C kaltes Wasser, bei Fuß­bädern dürfen es ruhig 20 °C sein.

Kälte-Packs (alternativ Eiswürfel in einem feuchten Handtuch) im Nacken oder auf der Brust erhöhen die Wärmeabgabe über Konvektion. Werden sie alle zehn Minuten für ein bis zwei Minuten lang aufgelegt, lässt sich der Hitzestress deutlich reduzieren. Kalte Getränke kühlen dagegen von innen. Allerdings reduzieren sie über Thermorezeptoren im Magen das Schwitzen und wirken also nur auf die Körpertemperatur, wenn man nicht schon schwitzt.

Empfehlungen sollten auf neuen Erkenntnissen beruhen

Bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten helfen Pausen von fünf bis zehn Minuten, die Körpertemperatur wieder zu senken. Outdoor-Arbeitern sollte die Möglichkeit gegeben werden, beschattete Areale aufzusuchen. Außerdem sollten ausreichend Getränke und Wasser zur Verfügung stehen. Um die Wärmeabgabe über die Haut zu verbessern, ist es hilfreich, möglichst leichte Kleidung zu tragen. Zu achten ist allerdings trotzdem auf ausreichenden UV-Schutz.

Neben den Strategien zur globalen, lokalen und individuellen Abkühlung setzen die Forscher auch auf Aktionspläne, um alle Bevölkerungsanteile zu schützen. Empfehlungen sollten jedoch durch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt sein und nicht auf konventionellem Erfahrungswissen kühlerer Perioden beruhen. Von den Strategien müssen auch die profitieren können, die aufgrund von Armut, Alter oder chronischen Erkrankungen am meisten durch Hitzeextreme gefährdet sind.

Quelle: Jay O et al. Lancet 2021; 398: 709-724; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)01209-5