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Klimawandel Mit welchen hitzebedingten Erkrankungen ist künftig vermehrt zu rechnen?

Autor: Stefanie Menzel

36 Grad und es wird noch heißer: Experten prophezeien für die Mitte des Jahrhunderts jährlich neue Hitzerekorde. 36 Grad und es wird noch heißer: Experten prophezeien für die Mitte des Jahrhunderts jährlich neue Hitzerekorde. © photoschmidt – stock.adobe.com
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Hitzewellen werden immer häufiger. Das treibt auch die Zahl der Menschen, die unter hitzeassoziierten Krankheiten leiden, in die Höhe. Die wichtigste Devise lautet: die Patienten frühzeitig über angemessenes Verhalten aufklären und so Schlimmeres verhindern. 

In den letzten 20 Jahren hat die hitzebedingte Mortalität bei über 65-Jährigen weltweit um fast 54 % zugenommen. Schon heute geht mehr als ein Drittel der Todesfälle im Zusammenhang mit extremen Außentemperaturen auf das Konto des globalen Klimawandels – Tendenz steigend. Experten prophezeien bereits für Mitte des Jahrhunderts alljährliche Perioden mit Werten, die sämtliche Rekorde brechen.

Ausgleichsmaßnahmen des Körpers haben ihr Limit

Heiße Sommertage stellen für einen gesunden Organismus normalerweise kein Problem dar, erläutern Prof. Dr. ­Cecilia ­Sorensen vom Department of Environmental Health Sciences an der Mailman School of Public Health in New York und Kollegen. Durch periphere Vasodilatation, Erhöhung des Herzzeitvolumens, Schwitzen und gesteigertes Durstempfinden versucht er physiologisch gegenzusteuern und die Kerntemperatur bei etwa 37 °C zu halten. Sind diese kompensatorischen Mechanismen ausgeschöpft und kommen evtl. noch Anstrengungen dazu, kann es binnen 10–15 Minuten zu Überwärmung und akutem Hitzeschaden kommen.

Spektrum der Hitzeerkrankungen

Ausprägung

häufige Symptome

Hitzschlag

Triade aus Überwärmung (> 40 °C), Bewusstseinsveränderung und neurologischen Symptomen (z.B. Verwirrtheit, Delir, Agitation, Bewusstseinseintrübung, Schwindel, Schwäche, Übelkeit/Erbrechen, Krämpfe); Anzeichen renaler, kardialer und hepatischer Organfunktionsstörungen, Atemnot; übermäßiges Schwitzen evtl. nur nach körperlicher Anstrengung

Hitzeerschöpfung

Körpertemperatur normal oder leicht erhöht (max. 38–39,5 °C), Müdigkeit, ausgeprägte Schwäche, Übelkeit, Kopfschmerzen, Tachykardie, Oligurie, blasse und feuchtkalte Haut

Hitzekollaps/-synkope

Schwindel und/oder Bewusstlosigkeit (v.a. nach langem regungslosem Stehen bei großer Hitze); cave: andere Ursachen für die Synkope ausschließen

Hitzekrampf

schmerzhafte Muskelspasmen, v.a. in Abdomen und den Armen (v.a. während oder nach körperlicher Betätigung); feuchte/kühle Haut, normale bis leicht erhöhte Herzfrequenz, Körpertemperatur im Normalbereich

Hitzeausschlag

stark juckende, zunächst oberflächliche Bläschen (meist auf bedeckter Haut), Infektion mit Staphylokokken und Eindringen in tiefere Hautschicht inkl. Chronifizierung möglich

Je nach Symptomen (s. Tabelle) unterscheidet man zwischen:

  • Hitzschlag: schwerste Form
  • Hitzeerschöpfung und Hitzesynkopen: moderate Formen
  • Krämpfen und Ausschlag: milde Reaktionen 

Bei Verdacht auf einen moderaten bis schweren Hitzeschaden sollte man den Betroffenen so schnell wie möglich in kühle Bereiche bringen und von unnötigen Kleidungsstücken befreien. Vordringlichstes Ziel ist es, die Körpertemperatur möglichst rasch zu senken. Hierzu eignen sich beispielsweise kaltes Wasser, Eispacks, Ventilator oder Kühldecke. Bei Hitzschlag kann auch die intravenöse Gabe von gekühlter Flüssigkeit zur Rehydratation einen guten Effekt haben. Antipyretika und Dantrolen bewirken nichts, betonen die Experten. Der Patient muss unter Aufsicht bleiben, damit man im Fall von Komplikationen (wie Bewusstseinsveränderungen, Elektrolytmangel, Krämpfe, Herzrhythmusstörungen) sofort handeln kann. 

Bei milderer Symptomatik genügt meist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr (oral oder i.v.) sowie die Regulation des Elektrolythaushalts. Gegen Krämpfe oder Schüttelfrost kommen Benzodiazepine in Betracht. Bei Hitzebläschen eignen sich kortikosteroidhaltige und antibakterielle Cremes.

Prinzipiell ist das Risiko an heißen Tagen für jeden hoch, insbesondere bei körperlicher Betätigung. Aber bei manchen Menschen besteht größere Gefahr als bei anderen (s. Kasten). Darüber hinaus ist eine Reihe von chronischen Erkrankungen relevant, da sie unter hohen Temperaturen exazerbieren können – unabhängig vom Alter. Dazu zählen u.a.

Hohes Risiko bei großer Hitze

Diese Gruppen sind besonders gefährdet, bei hohen Außentemperaturen einen Hitzeschaden zu erleiden:

  • Personen über 65 Jahre
  • (Klein-)Kinder
  • chronisch Kranke
  • Menschen, die im Freien arbeiten
  • Schwangere
  • Sportler
  • Patienten, die z.B. Diuretika oder Anti­depressiva einnehmen
  • Bewohner von Städten

Neuropsychiatrische und psychische Störungen werden mitunter ebenfalls durch große Hitze getriggert. In der Folge können sich z.B. Psychosen, Angststörungen oder Depressionen verschlimmern oder neu auftreten. Besondere Vorsicht gilt zudem in der Schwangerschaft. Muten sich werdende Mütter zu viel Hitze zu, kann dies die körperliche Entwicklung des Fötus beeinflussen und im schlimmsten Fall zu einer Früh- oder Fehlgeburt führen.

Einfluss von Medikamenten nicht unterschätzen

Besonderes Augenmerk verdient auch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, die Thermoregulation oder Kognition beeinträchtigen (z.B. Betablocker, Antidepressiva, Diuretika, Anticholinergika, Antihistaminika, Sedativa und Dopaminant­agonisten). Und schließlich stellen Alkoholabusus oder Drogenkonsum Risikofaktoren dar. 

Damit es bei Patienten gar nicht erst zum Hitzschlag kommt, raten Prof. Sorensen und Kollegen zur Prävention. Dazu gehört es zum einen, über das richtige Verhalten bei hohen Außentemperaturen aufzuklären (s. Kasten unten). Zum anderen sollten Patienten für die Anzeichen einer Hitzeerkrankung sensibilisiert werden und wissen, wann sie ärztliche Hilfe aufsuchen müssen. Besonders vulnerable Personengruppen gilt es zu stratifizieren und die Patienten am besten einzubestellen, um ggf. ihre Medikation anzupassen.

Tipps zur Prävention

Richtiges Verhalten hilft dabei, die heißen Tage gut zu überstehen:

  • kühle Räume aufsuchen
  • Gardinen vorziehen/Jalousien runterlassen
  • Ventilator/Klimaanlage benutzen
  • körperliche Anstrengung ver­meiden
  • ausreichend trinken
  • lockere Kleidung bevorzugen
  • kalt duschen
  • auf Symptome von Überhitzung achten (bei sich selbst und anderen)

Für die Praxisräume empfehlen die Experten, Wasser bereitzustellen und Ventilatoren zu installieren. Sinnvoll sei es zudem, Eiswürfel vorzuhalten und, falls nötig, gut klimatisierte Bereiche für vulnerable Patienten einzurichten. Man sollte das Personal zum regelmäßigen Trinken anhalten, Pausen gewähren und die Mitarbeitenden darin schulen, Symptome einer Hitzeerkrankung schnell zu erkennen.

Quelle: Sorensen C et al. BMJ 2022; 378: e070762; DOI: 10.1136/bmj-2022-070762