Anzeige

Seltene Melanome Was T-Zell-Engager & Co. bewirken können

EADO 2024 Autor: Dr. Daniela Erhard

Könnten T-Zell-Engager im Kampf gegen Hautkrebs helfen?
Könnten T-Zell-Engager im Kampf gegen Hautkrebs helfen? © FutureStock Studio – stock.adobe.com
Anzeige

Checkpoint-Inhibitoren sind wichtige Therapeutika im Kampf gegen Hautkrebs. Bei Melanomen der Schleimhäute und des Auges wirken sie dagegen kaum. Inwiefern können T-Zell-Engager hier helfen?

Ziel von Immuntherapien in der Onkologie ist es, die körpereigene Abwehr in die Lage zu versetzen, Tumoren anzugreifen und zu zerstören. Während Checkpoint-Inhibitoren die Immunantwort von T-Zellen reaktivieren, die durch den Krebs lahmgelegt wurde, sorgen T-Zell-Engager dafür, dass die Immunzellen überhaupt erst zum Tumor gelangen.

Ein wichtiger Vertreter dieser Substanzklasse ist Tebentafusp. Das bispezifische Fusionsprotein ist als Erstlinienpräparat beim metastasierten uvealen Melanom zugelassen. Es kann gleichzeitig an das gp100-Oberflächenprotein von Tumoren und an den CD3-Rezeptor von T-Zellen binden. Die Folge: CD3+, CD8+ und CD4+ T-Zellen werden aktiviert und infiltrieren den Krebs. In der Zulassungsstudie führte das zu einem signifikanten Überlebensvorteil gegenüber dem Kontrollarm. 

Auch nach drei Jahren Follow-up sei Tebentafusp überlegen, berichtete Dr. Sophie Piperno-Neumann, Wissenschaftlerin am Institut Curie in Paris und Mitautorin der Studie.1 Das Drei-Jahres-Überleben habe bei 27 % gelegen, im Gegensatz zu 18 % in der Kontrollgruppe. Zwar sei die allgemeine Ansprechrate (ORR) mit 11 % bescheiden, ebenso wie das mediane PFS von gut drei Monaten. „Aber wir sehen eine Krankheitskontrollrate von nahezu 50 %, mit anhaltender Tumorreduktion, die einer partiellen Remission ähnelt“, sagte die Onkologin.

Tebentafusp bindet nur an Tumorzellen mit HLA-A*02:01-Antigen. „Die Hälfte unserer Patient:innen sind HLA-A*02:01-negativ. Wir brauchen also neue Wirkstoffe“, sagte Dr. Piperno-Neumann. Diese seien in der Entwicklung.

Ähnliche Ergebnisse hatten Forschende vor wenigen Jahren mit einem weiteren Molekül erzielt, das statt an das gp100-Protein an das PRAME-Peptid von Tumorzellen bindet. Die Daten zu der Phase-1-Studie fasste Dr. Dr. Victor Moreno, Hospital Universitario Fundación Jiménez, Madrid, zusammen.2 Demnach vertrugen die Teilnehmenden das Präparat gut, und drei von sechs Patient:innen mit uvealem Melanom, die zuvor nicht mit Tebentafusp behandelt worden waren, sprachen zumindest partiell an. Bei den fünf weiteren Erkrankten, die schon einmal Tebentafusp erhalten hatten, war dies nicht der Fall. In der Gruppe von Personen mit kutanem Melanom betrug das partielle Ansprechen 33 %.

Der klinische Nutzen

Gemessen an der Größenänderung des Tumors habe der Effekt längerfristig angehalten und sich die Erkrankung in der Mehrheit der Fälle stabilisieren lassen. Für Dr. Moreno ein deutlicher klinischer Nutzen. Und: Hier gingen die ctDNA-Level ebenfalls mehrheitlich zurück, teils sogar unter die Nachweisgrenze – auch bei Patient:innen mit Progression. 

Wie der Experte berichtete, wird der T-Zell-Engager derzeit in einer Phase-3-Studie in Kombination mit Nivolumab und Relatlimab weiter getestet. Zudem gebe es ein ähnliches immunaktives Molekül, das eine längere Halbwertszeit aufweisen soll und daher seltener verabreicht werden müsse. Nach beeindruckenden präklinischen Ergebnissen solle hierzu in diesem Jahr eine Phase-1/2-Studie starten, stellte Dr. Moreno in Aussicht.

Ein anderes Antigen, das sich häufig in Melanomen finde, sei TYRP1. Dazu stellte der Experte einen bispezifischen Antikörper vor, der sowohl an das Tumorprotein als auch an Rezeptoren der T-Zellen binden kann. „Es scheint, dass eine fraktionierte Dosierung ein Zytokin-Freisetzungssyndrom komplett vermeiden kann“, sagte Dr. Moreno. Steigerten die Mediziner:innen die Dosis von initial 0,05 mg auf zunächst 0,1 mg und ab dem zweiten Zyklus auf 0,4 mg, trat dieser Nebeneffekt nicht auf. Ein größeres Problem mit dem bispezifischen Antikörper war aber offenbar die Bildung von Antikörpern gegen das Präparat. Sie hebe die antitumorale Wirkung auf, sagte der Experte.

Statt einzelner Antikörper lassen sich aber auch Zellen direkt applizieren, die die Tumorabwehr übernehmen. Eine Möglichkeit, die beim Melanom bereits zum Einsatz kommt, sind tumorinfiltrierende Lymphozyten (TIL). Solche Zellen finden sich in Läsionen, deren Mikroumgebung oder in Metastasen, entwickeln dort aber nicht immer ihre Wirkung. Aus Tumorgewebe gewonnen, kann man besonders geeignete Zelllinien im Labor selektieren, vermehren und nach einer Lymphozytendepletion den Erkrankten wieder infundieren. Dieser Prozess geht innerhalb weniger Wochen vonstatten. „Die Wartezeit für die Patient:innen ist in der Regel kurz genug, sodass sie keine Überbrückungstherapie benötigen“, schilderte Prof. Dr. John Haanen vom Netherlands Cancer Institute in Amsterdam einen Vorteil der TIL-Therapie.3 Auch erholten sich die behandelten Personen rasch und könnten nach etwa zwei Wochen das Krankenhaus wieder verlassen.

Ansprechen auf Tebentafusp spielt für OS keine Rolle

Aufgefallen sei zudem, dass der Überlebensvorteil durch Tebentafusp unabhängig vom Ansprechen bestehe, auch bei Patient:innen mit fortschreitender Erkrankung nach RECIST-Kriterien. „Die RECIST-Kriterien unterschätzen also den Nutzen von Tebentafusp“, folgerte Dr. Piperno-Neumann und betonte den Bedarf an Ersatzparametern für das Outcome. Aussagekräftiger scheint die ctDNA zu sein. Ging sie während der ersten neun Wochen der Behandlung ganz oder mindestens um die Hälfte zum Ursprungswert zurück, war dies laut der Expertin mit der größten OS-Verbesserung assoziiert.

Als TIL ist Lifileucel Prof. Haanen zufolge seit 2023 Standard für die Therapie von Patient:innen mit metastasiertem kutanem Melanom und Progression unter Anti-PD-1-Therapie. Nach der Zulassung in den USA Anfang 2024 arbeite man derzeit an der europäischen Zulassung. Der Experte hob vor allem die Ansprechrate und das Überleben in der stark vorbehandelten Studienkohorte hervor: Die ORR habe 31 % betragen, die mediane Dauer des Ansprechens sei nicht erreicht worden. Auch das Überleben sei für diese Population sehr gut und erreichte nach drei bis vier Jahren noch 25–30 %. Aktuell liefen Studien zur TIL-Therapie bei uvealen und mukosalen Melanomen, so der Mediziner. Für ihn etwas überraschend, ergaben erste Untersuchungen selbst in der Gruppe der Aderhautmelanome positive Effekte – trotz der deutlich geringeren Tumormutationslast dieses Krebstyps.

Ähnlich wie TIL lassen sich T-Zell-Rezeptor-T-Zellen (TCR-T) kreieren. Dabei handelt es sich um T-Zellen mit erhöhter Affinität zu Tumorantigenen, die den Patient:innen zur Krebsabwehr injiziert werden können. Anders als bei den TILs genügen für die Herstellung allerdings periphere Zellen. Zudem führe deren endogene Aktivierung zu einem Immungedächtnis, beschrieb Prof. Dr. Paul Nathan vom Mount Vernon Cancer Center in Northwood einen weiteren Vorteil.4

Als Beispiel für ein funktionierendes Konstrukt erwähnte er eine TCR-T-Zelllinie mit hoher Affinität und Spezifität zum PRAME-Peptid. In einer kleinen deutsch-amerikanischen Studie, unter anderem mit 13 stark vorbehandelten Melanom-Patient:innen, hätten sechs dieser Teilnehmenden angesprochen – sowohl solche mit kutanem als auch solche mit uvealem Melanom. „Der frühe Hinweis auf Wirksamkeit beim refraktären Melanom ist sehr ermutigend“, bewertete Prof. Nathan die Ergebnisse. Allerdings gebe es noch viele Fragen, die zu klären seien. Dazu zählte der Onkologe unter anderem die Wahl des richtigen Zielmoleküls, die Optimierung der Zellen, beispielsweise hinsichtlich der Affinität und der Spezifität, oder aber das Vermeiden von Toxizitäten.

Quellen:
1. Piperno-Neumann S. 20th EADO Congress; Vortrag: „Talk on tebentafusp for uveal melanoma“
2. Moreno V. 20th EADO Congress; Vortrag: „Talk on other T-Cell engagers incl. PRAME Imtec“
3. Haanen J 20th EADO Congress; Vortrag: „Talk on TIL for melanoma“
4. Nathan P. 20th EADO Congress; Vortrag: „Talk on TCR-T covering MAGE antigens and PRAME“