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Was verraten Biomarker wie Troponine und natriuretische Peptide?

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Sterben Herzmuskelzellen, gelangt kardiales Troponin ins Blut. Entdeckt wurde das an der Uniklinik Heidelberg. Sterben Herzmuskelzellen, gelangt kardiales Troponin ins Blut. Entdeckt wurde das an der Uniklinik Heidelberg. © molekuul.be – stock.adobe.com
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Das Einsatzgebiet der kardialen Biomarker – allen voran Troponine und (NT-pro)BNP – wächst. So eignen sie sich im perioperativen Management zur Risikostratifizierung und Diagnostik. Bei der Interpretation gilt es aber einiges zu beachten.

Mit einer klassischen ST-Hebung im EKG fällt die Infarktdiagnose leicht. Deutlich mehr Schwierigkeiten bereitet es, einen Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) sicher zu identifizieren. Doch dank der hochsensitiven Assays auf kardiale Troponine (hs-cTn) lassen sich inzwischen selbst kleine Verletzungen der Kardiomyo­zyten früh aufdecken, betonen Dr. Danielle­ Menosi Gualandro von der Klinik für Kardiologie am Universitätsspital Basel und Kollegen. Und das sogar kostengünstig: Die neuen Tests sind nicht teurer als die alten, weltweit schwankt der Preis zwischen 2 und 15 Euro.

Nicht interpretieren wie einen Schwangerschaftstest

Die Tests weisen sowohl Troponin T als auch Troponin I nach, zwei spezifische Herzstrukturproteine. „Höchst unangebracht“ wäre es, ein pathologisches Resultat einfach als Troponin-positiv zu bezeichnen, so die Autoren. Denn die Assays funktionieren nicht wie ein Schwangerschaftstest, sondern quantifizieren exakt das Ausmaß des myokardialen Schadens. Beispielsweise liegt umso wahrscheinlicher ein Infarkt vor, je höher die initiale Konzentration und je größer die absoluten Veränderungen innerhalb von einer, zwei oder drei Stunden ausfallen.

Natürlich müssen die Ergebnisse immer im klinischen Kontext interpretiert werden. Schließlich gibt es eine Reihe kardialer und nicht-kardialer Ursachen, die mit einer Erhöhung einhergehen (s. Kasten). Echte falsch positive Befunde ergeben sich in zwei Ausnahmefällen: Beim hs-cTnI können heterophile Antikörper das Ergebnis verfälschen und das hs-cTnT fällt bei seltenen Muskelerkrankungen wie der Duchenne-Dystrophie mitunter positiv aus. Diese „Fehldiagnosen“ gehen jedoch immer mit eine Diskordanz der beiden Laborwerte einher, während sie sonst gleichermaßen steigen.

Differenzialdiagnosen bei erhöhtem kardialem Troponin

  • Myokardinfarkt
  • Tachyarrhythmien
  • Herzinsuffizienz
  • hypertensive Notfälle
  • kritische Erkrankungen (z.B. Sepsis, Schock, Verbrennungen)
  • Myokarditis
  • Takotsubo-Kardiomyopathie
  • strukturelle Herzerkrankungen (z.B. Aortenstenose)
  • Aortendissektion
  • pulmonale Hypertonie
  • Lungenembolie
  • renale Dysfunktion und damit zusammenhängende kardiale Erkrankungen
  • Koronarspasmen
  • akute neurologische Ereignisse (z. B. Schlaganfall, Subarachnoidalblutung)
  • Herzkontusion
  • Eingriffe am Herzen (z.B. Bypass-OP, Katheterintervention, Kardioversion, Ablation)
  • Schilddrüsenunter-/-überfunktion
  • infiltrative Krankheiten (z.B. Amyloidose, Sarkoidose, Sklerodermie)
  • toxische Effekte von Medikamenten
  • extreme Überanstrengung
  • Rhabdomyolyse

Die hs-cTn-Tests erlauben eine rasche Triage. Die European Society of Cardiology empfiehlt für die Ein-/Ausschlussdiagnose den 0/1-h- oder 0/3-h-Algorithmus. Das heißt: Messung bei Einlieferung und nach einer bzw. drei Stunden. Inzwischen hat sich die 0/1-h-Variante in Studien als besser erwiesen. Sie liefert das günstige Sicherheits-Effektivitäts-Verhältnis, betonen die Experten.

Erhöhte Werte als Warnhinweis vor Eingriffen aller Art

Ein schnelles rule in/rule out ist bei etwa 75 % der Patienten möglich. Bei einem Viertel der Betroffenen – oft ältere Männer mit bekannter KHK – fallen die Befunde nach einer Stunde nicht eindeutig aus. Ihnen sollte man nach drei Stunden erneut Blut abnehmen, ergänzt durch eine Bildgebung (inkl. Echo). Bis zu ein Drittel erhält letztlich doch noch die Diagnose NSTEMI oder instabile Angina pectoris. Die Troponinkonzentrationen erweisen sich auch rund um nicht-kardiale chirurgische Eingriffe als nützlich. Erhöhte präoperative Werte gelten als unabhängige Prädiktoren für kardiovaskuläre Major-Ereignisse und Mortalität. Ob eine verbesserte Risikostratifizierung durch die hs-cTn-Bestimmung klinisch relevant ist, wird aber weiterhin diskutiert.

Ab 55 bzw. 65 Jahre BNP und NT-proBNP messen

Die Autoren halten eine präoperative Messung für sinnvoll, um im Verlauf einen akuten von einem Dauerschaden unterscheiden zu können. Zumal es sich beim peri­operativen Myokardschaden/Infarkt um einen „vernachlässigten Killer“ handele. Mehr als 90 % der Betroffenen zeigen keinerlei Symptome und die 30-Tages-Sterblichkeit übersteigt 10 %. Nur mit einen routinemäßigen hs-cTnI/T-Screening könne man dieses Problem lösen. Es empfehlen sich Tests vor und an den ersten beiden postoperativen Tagen für Hochrisikopatienten. Dazu zählen:
  • Herzgesunde über 65 Jahre
  • über 45-Jährige mit koronarer, zerebraler oder peripherer arterieller Erkrankung
Ebenso kommt ein Screening auf die natriuretischen Peptide BNP und NT-proBNP* infrage. Das Ausmaß der Herzschwäche bzw. des hämodynamischen Stresses vor einem nicht-kardialen Eingriff bestimmt das postoperative Risiko für kardio­vaskuläre Ereignisse und Mortalität: Je höher die Werte, desto höher das Komplikationsrisiko. Leitlinien schlagen vor, die Konzentrationen bei über 65 Jährigen bzw. über 55-Jährigen mit mind. einem kardiovaskulären Risikofaktor zu messen. Postoperative Kontrollen sollten symptomatischen Patienten (unklare Dyspnoe) vorbehalten bleiben. Neben diesen klassischen Markern gibt es Hinweise auf weitere prognostisch nützliche Parameter im perioperativen Umfeld, zum Beispiel ST2 – einen Rezeptor der Interleukin-1-Familie – und Copeptin. Sie müssen aber zunächst noch weiter untersucht werden, ehe man Aussagen über ihren Stellenwert treffen kann.

* (N-terminal pro-)B-type natriuretic peptide

Quelle: Menosi Gualandro D et al. Swiss Med Wkly 2019; 149: w20125; DOI: 10.4414/smw.2019.20125