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Mysteriöse Hepatitiden bei Kindern Welcher Erreger steckt hinter den akuten Leberentzündungen?

Autor: Michael Brendler

Adenoviren verursachen meistens Atemwegsinfekte, je nach Serotyp können auch weitere Organe Schaden nehmen. Adenoviren verursachen meistens Atemwegsinfekte, je nach Serotyp können auch weitere Organe Schaden nehmen. © Science Photo Library/CDC/Science Source
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Seit eineinhalb Jahren wird viel über die Ursache der rätselhaften akuten Leberentzündungen bei Kindern während der Pandemie diskutiert: Stecken dahinter ebenfalls Coronaviren, eine Autoimmun­reaktion oder ein anderer Erreger?

Im März 2022 wurde in Großbritannien erstmals Alarm geschlagen: Damals waren in Schottland innerhalb kürzester Zeit fünf Kinder zwischen drei und fünf Jahren mit einer akuten Hepatitis ungeklärter Ursache in Kliniken eingeliefert worden. Eine akute Leberentzündung, für die sich weder Hepatitisviren noch irgendwelche anderen Ursachen finden lassen, ist bei Kindern eine Rarität. Mitte April warnte dann auch die WHO vor der Krankheit. Bis zum Juli 2022 wurden weltweit 1.010 Kinder mit diesem Krankheitsbild erfasst. In 46 Fällen war eine Transplantation notwendig, 22 Kinder kostete die Erkrankung das Leben. 

Schon zu Beginn war aufgefallen, dass die Kinder ungewöhnlich häufig ein Adenovirus des Subtyps 41F in sich trugen. Dem Verdacht, dass es sich dabei um die entscheidende Ursache der Hepatitis handelt, sind Dr. Sema Mandal von der UK Health Security Agency in London und Kollegen nachgegangen. Sie verglichen in einer Fall-Kontroll-Studie 73 Kinder im Alter zwischen einem und zehn Jahren mit Hepatitis mit 172 Kindern, die im Studienzeitraum von Januar bis Juli 2022 aus anderen Gründen in ein Krankenhaus eingeliefert worden waren. Bei 88 % der Jungen und Mädchen mit einer Leberentzündung fand sich adenovirale DNA im Blut. In 81 % der adenoviruspositiven Fälle ließ sich der verdächtige Subtyp 41F identifizieren. 

In der Kontrollgruppe ließ sich das Virus nur bei 15 % der Kinder im Blut nachweisen. Die Virämie erhöhte damit das Risiko für die Hepatitis unklarer Genese eines Kindes um das 37-Fache. Coronatests fielen in beiden Gruppen gleich häufig positiv aus. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Adenoviren des Subtyps 41F bei der Entstehung der akuten Hepatitis eine Rolle spielen, so das Fazit der Autoren. Ob die Kinder auch Antikörper gegen SARS-CoV-2 hatten, wurde nicht erfasst. 

Aus dieser Assoziation abzuleiten, dass es sich bei den Adenoviren um das alleinige kausale Agens der Erkrankung handelt, geht in den Augen von Dr. Jordan Cates, Division of Viral Diseases, Centers for Disease Control and Prevention Atlanta, und Kollegen zu weit. Sie  nahmen 377 vergleichbare Fälle aus den USA unter die Lupe. Dr. Cates und sein Team bleiben bei der Interpretation der Daten wahrscheinlich auch deshalb so zurückhaltend, weil sie nur bei 42 % der 275 getes­teten Kinder Adenoviren fanden. In der Leber ließen sich zudem Adenoviren in einem weit geringeren Ausmaß nachweisen. Weil dieser Befund gegen einen direkten zytotoxischen Effekt des Erregers spricht, glauben sie, dass die Adenoviren den Kindern erst in Kombination mit anderen Faktoren gefährlich werden. Es gibt zunehmend Anzeichen, schreiben sie, dass zu diesen Kofaktoren die HLA-Allele der Patienten und das sogenannte adenoassoziierte Virus 2, AAV2, zählen. Dass Coronaviren oder -impfstoffe einen ähnlichen Effekt haben könnten, halten sie mangels entsprechender Assoziationen für unwahrscheinlich. Das Fazit aus der US-Analyse: Der Pathomechanismus der geschilderten Leberentzündungen bei Kindern bleibt weiterhin unklar. Weitere Forschung ist deshalb notwendig, um eine bessere Prävention und Therapie der Erkrankung sicherzustellen.

Quellen:
1. Mandal S et al. Lancet Child Adolesc Health 2023; DOI: 10.1016/S2352-4642(23)00215-8
2. Cates J et al. Lancet Child Adolesc Health 2023; DOI: 10.1016/S2352-4642(23)00192-X