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Diabetische Retinopathie Weniger Netzhautbefunde im Kindes- und Jugendalter – aber noch immer zu wenig konsequentes Screening

Autor: Nicole Finkenauer

Wie aktuelle Studienergebnisse zeigen, sind immer weniger junge Menschen mit Diabetes von einer diabetischen Retinopathie betroffen (Agenturfoto). Wie aktuelle Studienergebnisse zeigen, sind immer weniger junge Menschen mit Diabetes von einer diabetischen Retinopathie betroffen (Agenturfoto). © coldwaterman – stock.adobe.com
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Lange Zeit war die diabetische Retinopathie eine der Hauptkomplikationen bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes. Doch mittlerweile gibt es hier einen Trend zu weniger Augenerkrankungen, wie eine internationale Kohortenstudie zeigt.1

Anhand der Daten von mehr als 156.000 jungen Menschen mit Diabetes ließ sich darin zeigen, dass die Erkrankungszahlen bei dieser Komplikation international rückläufig sind. Diese positive Entwicklung ist nach Einschätzung von Professor Dr. Reinhard Holl vom epidemiologischen Institut der Universität Ulm auf die verbesserte glykämische Kontrolle in den letzten Jahren zurückzuführen. Er hatte mit dem deutschen DPV-Register (Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation) an der Studie mitgewirkt und betont: „Das trug offenbar erheblich dazu bei, mikro- und makrovaskuläre Komplikationen, die zur Retinopathie, aber auch zur Nephropathie und Neuropathie führen, hinauszuzögern oder gar zu verhindern.“

Prof. Dr. Holl nimmt die aktuelle Publikation aber auch zum Anlass, auf Lücken in der Diabetesversorgung hinzuweisen. Denn die Studie zeige auch, dass in einigen Ländern – darunter Deutschland – weiterhin zu wenige Maßnahmen zur Prävention von Hypertonie ergriffen werden. 

Späte Behandlung, Zugang zum Screening nicht für alle 

Trotz der klaren Assoziation zwischen Bluthochdruck und Gefäßschäden sei die frühzeitige antihypertensive Behandlung noch zu selten Teil der Diabetestherapie. Nur etwa jeder dritte Erwachsene mit Diabetes erhalte im Falle einer dauerhaften Hypertonie ausreichende medikamentöse Behandlung, kritisiert der Experte mit Blick auf eine Untersuchung von 2020.2 
Außerdem haben zum leitliniengerechten Augen-Screening bei Diagnose nur ein Drittel und nach zwei Jahren Diabetesdauer lediglich die Hälfte der Patient*innen Zugang.3

„Das ist definitiv ein Versäumnis, wenn man bedenkt, dass im Frühstadium eines Diabetes die Netzhaut das einzige Gefäßgebiet ist, das hyperglykämische Schäden anzeigt – im Gegensatz beispielsweise zur Niere, die vor allem bei Insulinresistenz reagiert“, mahnt Professor Dr. Hans-Peter Hammes, ehemaliger Ko-Vorsitzender der AG Diabetes & Auge. Würde konsequenter augenärztlich untersucht und würden Risikofaktoren effektiver behandelt, ließen sich noch weit mehr Fälle von diabetischer Retinopathie verhindern.

Literatur:
1. Bratina et al. Pediatric Diabetes 2022; 23(8): 1656–1664; DOI: doi.org/10.1111/pedi.13416
2. Shah et al. Diabetes Obes Metab 2020; 22(9): 1577–1585; DOI: 10.1111/dom.14069
3. Hammes et al. Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022