
Lungenkrebs vor dem 50. Lebensjahr Wenn junge Nichtrauchende an Lungenkrebs erkranken

Die Häufigkeit von Lungenkrebs bei Patientinnen und Patienten unter 50 Jahren ist alarmierend – zumal viele von ihnen nie geraucht haben. Diese Population erfordert die umgehende Aufmerksamkeit der medizinischen Fachwelt und der Forschung, warnen Dr. Narjust Florez, Harvard Medical School in Boston, und ihr Team. In einer aktuellen Übersichtsarbeit haben sie besondere klinisch-pathologische Merkmale sowie spezifische Bedürfnisse von jungen Lungenkrebspatientinnen und -patienten unter die Lupe genommen.
Regional bis zu 10 % der Erkrankten unter 40 Jahre
Zwischen 2012 und 2021 ist die globale Inzidenz von Lungenkrebs bei Männern um 3 % und bei Frauen um 1,4 % pro Jahr zurückgegangen. Dabei scheinen jedoch Menschen im mittleren Lebensalter eine Ausnahme zu bilden. Darauf deuten erste Forschungsarbeiten aus verschiedenen Ländern hin. So wurde in den letzten Jahren eine steigende bzw. stagnierende Inzidenz von Young-Onset-Lungenkrebs bei Frauen mit hispanischer Abstammung in den USA sowie Frauen in Frankreich, Italien, Spanien und China im Alter von unter 50 Jahren festgestellt. In Lateinamerika sind 1 % bis 10 % der an Lungenkrebs Erkrankten unter 40 Jahre alt. Ob es sich insgesamt um ein globales Phänomen handelt, kann bei der derzeitigen Studienlage nicht beurteilt werden.
Obwohl das Rauchen als einer der Hauptrisikofaktoren für Lungenkrebs gilt, ist der Anteil an Tabakkonsumierenden bei jüngeren Betroffenen deutlich niedriger als bei älteren. Auch deswegen ist das Risiko einer Missinterpretation der Symptome bei jungen Patientinnen und Patienten, die nie geraucht haben, hoch. Häufige Fehldiagnosen umfassen Allergien, Asthma, Tuberkulose, Sarkoidose, Virusinfektionen und Pneumonie. Zusammen mit anderen Faktoren führt das dazu, dass die korrekte Diagnose oft erst mit Verzögerung gestellt wird. Jüngere Betroffene befinden sich deshalb bei Diagnose häufiger bereits in einem fortgeschrittenen bzw. metastasierten Stadium als ältere.
Eine weitere Besonderheit ist die relative Häufung von somatischen Mutationen bzw. Aberrationen (z. B. EGFR, ALK, RET, ROS1) bei jungen Lungenkrebskranken. Andererseits findet sich somit bei Betroffenen unter 50 Jahren mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Treibermutation, für die es eine zielgerichtete Therapie gibt. Frühzeitige genetische Tests sind essenziell, um einen maßgeschneiderten Behandlungsansatz zu finden. Insbesondere Fusionsmutationen sind in dieser Patientengruppe weit verbreitet. Da DNA-basierte Tests in diesen Fällen meist keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern, sprechen sich die Autoren für ein RNA-basiertes Next Generation Sequencing aus.
Je nach molekularbiologischem Tumorprofil und Krankheitsstadium kommen bei Lungenkrebs neben OP, Bestrahlung und Chemotherapie zielgerichtete Substanzen und Immuntherapien zum Einsatz. Dabei haben sich die Möglichkeiten dank moderner Tyrosinkinaseinhibitoren wie Osimertinib, Lorlatinib und Repotrectinib in den letzten Jahren deutlich erweitert.
Viele Gründe für das längere Überleben von Jüngeren
Verglichen mit älteren weisen jüngere Betroffene ein besseres Gesamtüberleben auf. Dies liegt vermutlich u. a. an der oben erwähnten höheren Prävalenz von Treibermutationen, die zielgerichtet angegangen werden können. Da jüngere Menschen bei Diagnosestellung tendenziell körperlich fitter sind und weniger Komorbiditäten haben, tolerieren sie chirurgische Eingriffe und systemische Therapien i. d. R. besser als ältere. Deshalb nehmen sie auch mit höherer Wahrscheinlichkeit an klinischen Studien teil und erhalten durchschnittlich mehr Behandlungslinien.
Doch das verbesserte Überleben in jüngeren Jahren bringt auch neue Herausforderungen mit sich. So wird die Diagnose nicht selten in einer Lebensphase gestellt, in der z. B. Familienplanung, psychosoziale Interaktionen oder finanzielle Verpflichtungen eine große Rolle spielen. Um dem gerecht zu werden, benötigen Betroffene ggf. psychologische Unterstützung.
Ursachen für steigende Inzidenzen sind unklar
Was die Gründe dafür sind, dass die Zahl der Lungenkrebsfälle in jungen Jahren steigt, ist bislang nicht geklärt. Forschungsanstrengungen sollten bekannte Risiken wie Passivrauchen, Radonexposition, Luftverschmutzung einbeziehen, die teils auch im Verdacht stehen, für Darmkrebs bei jungen Menschen verantwortlich zu sein, so das Autorenteam. Angesichts der hohen Rate an betroffenen Frauen müsse man auch typisch weibliche Themen (z. B. Schwangerschaften, Geburten, orale Kontrazeptiva) berücksichtigen. Außerdem brauche man mehr Daten zu den Auswirkungen der Behandlung auf die Fruchtbarkeit und sexuelle Gesundheit der jungen Betroffenen sowie zum Einsatz komplementärmedizinischer Verfahren.
Quelle: Florez N et al. Front Oncol 2025; 15: 1570143; doi: 10.3389/fonc.2025.1570143