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Übeltäter Schimmelpilz Wie man Exposition und Symptomatik diagnostisch in Einklang bringt

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Hier braucht es mehr als neue Raufaser und ein bisschen Farbe, um den Schimmelbefall dauerhaft zu beseitigen. Hier braucht es mehr als neue Raufaser und ein bisschen Farbe, um den Schimmelbefall dauerhaft zu beseitigen. © Nymphalyda – stock.adobe.com
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Schimmelpilze in der Wohnung zu tolerieren, kann gefährlich werden. Es drohen Allergien, Vergiftungen und systemische Mykosen. Für deren Diagnostik gibt es zahlreiche Optionen. Welche sinnvoll sind und welche man sich sparen kann, klärt eine aktuell überarbeitete Leitlinie.

Inzwischen hat man zahlreiche Erkrankungen identifiziert, die durch eine Schimmelpilzexposition hervorgerufen oder verschlimmert werden. Das Spektrum reicht von der allergischen Rhinitis bis zur pulmonalen Aspergillose (s. Kasten). Besonders gefährdet sind Immunsupprimierte und Patienten mit Asthma bronchiale, Mukoviszidose oder schwerer Influenza bzw. COVID. Die Betroffenen sollten deshalb über die möglichen Folgen des Befalls und geeignete Präventionsmaßnahmen (z.B. Wohnraumsanierung) aufgeklärt werden. Häufig vermuten Patienten einen Zusammenhang mit Erkrankungen, für die es keine Evidenz gibt (z.B. Multiple Sklerose, chronisches Müdigkeitssyndrom, Malignome). In diesem Fall kann eine Information über den aktuellen Wissensstand beruhigend wirken.

Was Schimmelpilze auslösen können

Klare Evidenz

  • allergische Atemwegserkrankungen
  • allergische Rhinitis
  • allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) und andere allergische bronchopulmonale Mykosen (ABPM)
  • ambulant erworbene Aspergillus-Pneumonie
  • Aspergillom
  • Aspergillus-Bronchitis
  • Asthma (Manifestation, Progression, Exazerbation)
  • Begünstigung von Atemwegsinfekten
  • Bronchitis
  • exogen-allergische Alveolitis
  • systemische Mykosen
  • Organic Dust Toxic Syndrome
  • pulmonale Aspergillose (subakut, chronisch)
  • Rhinosinusitis

Eingeschränkte oder vermutete Evidenz

  • atopische Dermatitis (Manifestation)
  • COPD
  • Irritation der Schleimhäute
  • Sarkoidose

Aus medizinischer Indikation sind Schimmelpilzmessungen im Innenraum in der Regel nicht sinnvoll, so heißt es in der unter Koordination von Dr. Julia Hurraß,  Gesundheitsamt der Stadt Köln,  erarbeiteten Leitlinie der GHUP*. Liegt ein sichtbarer Befall vor, kann auf die Bestimmung der Spezies verzichtet werden. Wichtiger ist die Beseitigung des Befalls samt Ursache.

Hohes Erkrankungsrisiko bei schlechter Immunabwehr

Invasive Mykosen treten nur selten auf, sind aber eine Hauptursache für Morbidität und Mortalität durch Schimmelpilze. Es erkranken am ehesten Patienten mit Immunsuppression oder stark eingeschränkter Infektabwehr, etwa nach einer Chemotherapie oder Stammzelltransplantation. Die Infektion erfolgt vorwiegend inhalativ. Prophylaktisch sollten betroffene Patienten auf Gartenarbeit und potenziell sporenbelastete Lebensmittel verzichten. Auch eine regelmäßige Kontrolle auf Infektionszeichen ist sinnvoll.

Vergiftungen durch Myko­toxine werden meist durch eine orale Aufnahme über Nahrungsmittel verursacht. Sie können auch bei einer sehr starken inhalativen oder dermalen Exposition ohne ausreichende Schutzmaßnahmen (z.B. am Arbeitsplatz) auftreten.

Zahlreiche Schimmelpilzarten lösen Sensibilisierungen und Allergien aus. Ihr Potenzial ist allerdings geringer als bei anderen Umweltallergenen (z.B. Haustiere, Pollen, Hausstaubmilben), betonen die Leitlinienautoren. Die Immunisierung erfolgt auf der Ebene von Protein- und Peptidkomponenten. Ein Kontakt mit ganzen Sporen oder unversehrtem Pilzmyzel ist dafür nicht notwendig. Bei Patienten mit Atopie, Rhinokonjunktivitis oder -sinusitis verstärkt schon der Aufenthalt in feuchten Innenräumen das Asthmarisiko. Ein Schimmelpilzkontakt verdoppelt die Gefahr.

Die Diagnose einer Allergie vom Soforttyp basiert auf drei Kern­elementen: Anamnese, Bestimmung der spezifischen IgE-Antikörper sowie Haut- und Provokationstests. Bei der allergischen bronchopulmonalen Aspergillose sollten zusätzlich die spezifischen IgG-Anti­körper im Serum erfasst werden. Im Fall einer exogen-allergischen Alveolitis genügt das spezifische IgG.

Polysensibilisierte Atopiker bilden häufig auch IgE-Antikörper gegen Schimmelpilze. Diese haben aber nicht zwingend Krankheitswert. Denn die klinische Ausprägung der Allergie korreliert nicht mit der Höhe des spezifischen IgE-Titers. Der Nachweis der passenden Antikörper oder ein positiver Befund im Hauttest bedeutet zunächst nur, dass sich der Patient auf die Allergene sensibilisiert hat. Klinisch relevant wird diese Reaktion erst im Zusammenhang mit allergischen Symptomen.

Umgekehrt gilt: Ein negatives Ergebnis im Hauttest oder ein fehlender IgE-Nachweis schließt eine Sensibilisierung auf Schimmelpilze nicht sicher aus. Das kann an der unterschiedlichen Zusammensetzung und Qualität der Testextrakte liegen, eventuell fehlten auch die relevanten Allergene.

Ungeeignete Diagnostik

  • Nachweis von Schimmelpilzen im Blut
  • Bestimmung von IgA-Antikörpern
  • Indentifikation von LymphozytenSubpopulationen
  • Zytokinmessung
  • Kontrolle auf oxidativen Stress
  • Visual Contrast Sensitivity Test
  • Tränenfilmabrisszeit

Die spezifischen IgG-Antikörper haben im Zusammenhang mit einer Typ-1-Allergie keine Bedeutung. Nicht indiziert im Rahmen der Diagnostik bei Schimmelexposition ist zudem die Bestimmung von Immunkomplexen, eosinophilem kationischem Protein oder b-1,3-D-Glucan im Serum. Auch vom Erfassen von Mykotoxinen in Serum oder Urin bei einer Innenraumexposition raten die Leitlinienautoren ab. Eine Kontrolle der Galaktomannane empfehlen sie nur bei Verdacht auf eine invasive pulmonale Aspergillose. Basophilen-Degranulationstest und Kontrolle der Histaminfreisetzung bleiben ebenso wie die Bestimmung anderer Mediatoren der Spezialdiagnostik vorbehalten.

In besonderen Fällen nasale und konjunktivale Provokation

Patienten mit Inhalationsallergien haben meist persistierende Atemwegs­symptome, was die ana­m­nestische Zuordnung erschwert. Dann kann der nasale Provokationstest die Diagnose bestätigen oder widerlegen. Er eignet sich auch bei Kontraindikationen für einen Hauttest, beim Verdacht auf eine lokale allergische Rhinitis und zur Verlaufskontrolle unter einer spezifischen Immuntherapie (SIT). Die konjunktivale Provokation kommt in Betracht, wenn Bindehautsymptome überwiegen, Kontraindikationen für die nasale Version vorliegen oder kurz nach einer nasalen Operation. Eine bronchiale Provokation  kann nützlich sein, falls die Diagnose nicht anderweitig gestellt werden kann. Sie hat einen hohen Stellenwert beim Verdacht auf ein perenniales allergisches Asthma durch Schimmelpilze im Innenraum.

*    Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin

Quelle: Leitlinie „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen“; AWMF-Register-Nr. 161/001, www.awmf.org