Brustkrebs im Alter Wie viel Behandlung tut not?

ESMO Breast Cancer 2025 Autor: Mascha Pömmerl

Ältere Erkrankte tolerieren intensive Therapien oft schlechter. Ältere Erkrankte tolerieren intensive Therapien oft schlechter. © Halfpoint - stock.adobe.com

Gebrechlichkeit („Frailty“), Komorbiditäten, andere Tumorbiologie und ein alterndes Immunsystem – ältere Brustkrebspatient:innen können oft nicht mit Standardtherapien behandelt werden. Fachleute beleuchteten was warum beachtet werden sollte. 

Wann sind Patient:innen gebrechlich? „Wenn dauerhaft ein Stressor gleich jeder Art aufgrund in multipler Hinsicht fehlender Reserven nicht kompensiert werden kann, sondern mit einem Abwärtstrend verbunden ist“, erklärte Dr. Tania Kalsi, Guy‘s and St. Thomas‘ NHS Foundation Trust, London.1 Zur Frailty können bei Krebskranken neben den normalen Alterungsvorgängen, chronischen Grunderkrankungen und Polypharmazie die Tumorerkrankung und die Toxizität der Therapie beitragen. „Frailty ist nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit Komorbidität oder Behinderung“, spezifizierte die Expertin. 

„Wir behandeln Menschen, nicht deren Tumor“ 

Um den Grad einer möglichen Frailty zu messen, stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, die allerdings verschiedene Schwerpunkte abbilden. Wichtig sei, ältere Brustkrebspatient:innen überhaupt darauf zu screenen bzw. ein geriatrisches Assessment durchzuführen, wie es unter anderem ASCO, ESMO und NCCN empfehlen, betonte Dr. Kalsi. So ließen sich das Risiko für Nebenwirkungen einer Chemotherapie und für Dosismodifikationen sowie die notwendigen supportiven Maßnahmen besser einschätzen.

Grundsätzlich sollten Ärzt:innen die Risiken unbedingt vor Therapiebeginn kennen. „Wir behandeln Menschen, nicht deren Tumor“, erinnerte die Kollegin. So sollten gerade bei älteren Patient:innen deren Therapiewünsche und -ziele erfragt und berücksichtigt werden. Oft stünden für diese nicht die Verlängerung der Überlebenszeit, sondern der Erhalt der Unabhängigkeit oder Schmerzfreiheit im Mittelpunkt.

Ist Brustkrebs im Alter biologisch anders?

Mit biologischen Unterschieden zwischen Brustkrebs bei jüngeren und älteren Patient:innen befasste sich Prof. Dr. Dr. Hans Wildiers, Universitätsklinikum Leuven.2 Während das Brustkrebsrisiko eigentlich mit zunehmendem Alter ansteigt, sinken die Inzidenzraten ab circa 80 Jahren wieder ab. „Es mag kontraintuitiv sein, aber hohes Alter schützt also vor Brustkrebs“, fasste der Onkologe provokativ zusammen. 

Er wies auf einen weiteren scheinbaren Widerspruch hin: Luminale Mammakarzinome kommen bei älteren Erkrankten häufiger vor – trotz des niedrigen Östrogenspiegels nach der Menopause. Die Proliferationsrate dieser luminalen Tumoren ist gering, die Oncotype Recurrence Scores sind niedrig und die Patient:innen erzielen nach neoadjuvanter Chemotherapie seltener eine pathologische Komplettremission als jüngere Frauen, so Prof. ­Wildiers. 

Transkriptomische und genomische Analysen zeigten, dass die Tumoren der älteren Betroffenen eine höhere endokrine Sensitivität und trotz einer höheren Tumormutationslast eine geringere Expression von Immungenen aufwiesen. Außerdem lasse sich bei diesen seltener ein Lymphknotenbefall und weniger Tumor infiltrierende Lymphozyten (TIL) nachweisen. Obwohl die Immunantwort bei Betagten weniger effektiv ausfällt, scheinen Checkpoint-Inhibitoren bei jüngeren und älteren Patient:innen in etwa gleich wirksam zu sein, schilderte der Referent. Deren Nebenwirkungen seien jedoch im Alter ausgeprägter.

Vorsicht mit adjuvanter Chemotherapie geboten

Bei der Behandlung älterer Personen müssen Mediziner:innen konkurrierende Risiken berücksichtigen, konstatierte Prof. Dr. Dr. Etienne Brain, Institut Curie, Saint-Cloud.3 Gerade bezüglich der Intensität der Therapie bestünde hohe Unsicherheit. Er kritisierte, dass ältere Brustkrebspatient:innen in klinischen Studien noch immer die am deutlichsten unterrepräsentierte Gruppe darstellten. 
Der Experte wandte sich gegen eine Übertherapie älterer Erkrankter und erinnerte daran, dass der Benefit einer adjuvanten Chemotherapie ab der Postmenopause kontinuierlich abnimmt, wie eine Reihe von Studiendaten unterstreiche. Nebenwirkungen machten es oft schwierig, die notwendige Dosisintensität einzuhalten. Gefährdete Patient:innen müssten vor Therapiebeginn identifiziert, überwacht und supportivmedizinisch betreut werden, wie die ­HOPE-Studie bestätigte.  Abschließend betonte  Prof. Brain, es gebe keine altersunabhängigen prognostischen Tools und verwies auf ein aktuell entwickeltes Deep-Learning-System zur Schätzung des biologischen Alters auf Basis von Gesichtsfotos.

Quellen:

1. Kalsi T. ESMO Breast Cancer Congress 2025; Vortrag „How to integrate frailty in the Tx decision making process?“

2. Wieldiers H. ESMO Breast Cancer Congress 2025; Vortrag „Breast cancer biology in older vs younger patients: Similar or different?“ 

3. Brain E. ESMO Breast Cancer Congress 2025; Vortrag „Which tool to guide adjuvant Tx in older ones with breast cancer?“