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Akutes Koronarsyndrom: Koronare Interventionen zahlen sich auch bei Hochbetagten aus

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Keine Angst vor über 80-jährigen. Keine Angst vor über 80-jährigen. © iStock.com/PeopleImages
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Mit einem akuten Koronarsyndrom ab ins Katheterlabor: Darüber diskutiert bei einem 65-Jährigen wohl keiner. Sehr alten Menschen bleiben dagegen die Interventionstüren weitgehend verschlossen – zu Unrecht.

In Studien zum akuten Koronarsyndrom (ACS) findet sich nur eine Handvoll Teilnehmer über 75 Jahre, im realen Leben machen sie inzwischen aber mehr als zwei Drittel der Patienten aus. Die wenigen Daten, die es gibt, weisen klar darauf hin, dass auch sehr alte Menschen von einem invasiven Vorgehen profitieren, berichtete Dr. Stefano Savonitto von der Kardiologie am Ospedale Alessandro Manzoni in Lecco. Zwei Untersuchungen an über 80-jährigen Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) zeigten, dass z.B. die Senioren durch aggressive Behandlung weniger kardiovaskuläre Ereignisse erlitten und sich die Zeit bis dahin deutlich verlängerte.

Der Fall

Die 87-Jährige kommt mit einem akuten Koronarsyndrom in die Klinik. Sie ist Typ-2-Diabetikerin, hat atherosklerotische Stenosen (Carotiden, untere Extremitäten) und leidet an einer Hypertonie. Dazu kommt eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz bei Einzelniere – die letzte eGFR lag bei 9 ml/min/1,73 m2 –, gepaart mit einer Herzinsuffizienz. Eine Dialyse ist geplant. Das EKG zeigt Ischämien in den anterioren Ableitungen (NSTEMI) bei erhöhtem Troponin. Aufgrund der Gesamtsituation entscheidet man sich für eine nicht-invasive Behandlung auf der Intensivstation. Zwei Monate nach diesem NSTEMI wird die alte Dame erneut eingeliefert, die Diagnose jetzt: Hebungsinfarkt (STEMI) mit akutem Lungenödem. Nun erfolgt eine sofortige Koronarangio mit Stentung von vier Stenosen. Die PCI verläuft ohne Probleme, die Seniorin kommt anschließend zur Dialyse in die Nephrologie.

Mit und ohne PCI versagt die Niere etwa gleich häufig

Besonders häufig wird Älteren mit begleitender Niereninsuffizienz eine perkutane Intervention (PCI) vorenthalten. Tatsächlich erlitten in einer Stichprobe 3,7 % von rund 2800 PCI-Patienten im mittleren Alter von 63 Jahren ein akutes Nierenversagen, was die Überlebenschancen deutlich mindert. In größter Gefahr schwebten Herzkranke mit einer eGFR< 45 ml/min/1,73 m2. Da sich etwa zwei Drittel aller über 75-Jährigen mit ihrer eGFR im Bereich zwischen 30 und 60 ml befinden, hat das natürlich klinische Relevanz, betonte der Referent. Nur: Die Rate derer, die ohne invasive Therapie ein akutes Nierenversagen entwickelten, lag in einer Studie an durchschnittlich 81-Jährigen auf etwa gleichem Niveau wie nach der PCI. Das Risiko stieg mit vorbestehender Kreatininerhöhung und eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion. Damit ist die renale Insuffizienz als Ausschlusskriterium für den Katheter fragwürdig. Ältere Frauen haben bei der interventionellen Behandlung übrigens bessere Karten als ältere Männer, wie Dr. Savonitto berichtete. Bei ihnen liegen häufiger isolierte Läsionen vor, die sich besser versorgen lassen, und keine generalisierte Atherosklerose. Man darf bei den Senioren aber auch die Thrombolyse nicht ganz vergessen, betonte die Kardiologin Dr. Vijay Kunadian vom Freeman Hospital in Newcastle upon Tyne. So schnitt in einer kanadischen Studie die Auflösung des Gerinnsels bei über 75-Jährigen im Hinblick auf die Krankenhausmortalität weit besser ab als die perkutane Angioplastie oder die Behandlung ohne solche spezifischen Maßnahmen (9,4 vs. 13,3 bzw. 19,7 %). Ein direkter Vergleich von Angioplastie und Thrombolyse an Patienten ≥ 70 Jahre zeigte keine Unterschiede in puncto Tod oder behindernde Schlaganfälle nach 30 Tagen, wobei die Teilnehmer nach der PCI weniger Reinfarkte erlitten. Die Kollegin hält daher die medikamentöse Therapie für eine akzeptable Alternative, wenn kein Katheterlabor zur Verfügung steht. 

Quelle: ESC* Congress 2018

* European Society of Cardiology