Anzeige

Duodenale Zottenatrophie Algorithmus erleichtert Diagnose bei seronegativer Enteropathie

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Im Fall einer histologischen Abheilung hat der Patient höchstwahrscheinlich eine idiopathische villöse Atrophie (IVA) vom Typ 1. Diese Erkrankung verläuft selbstlimitierend, wird symptomatisch behandelt und hat eine gute Prognose. Im Fall einer histologischen Abheilung hat der Patient höchstwahrscheinlich eine idiopathische villöse Atrophie (IVA) vom Typ 1. Diese Erkrankung verläuft selbstlimitierend, wird symptomatisch behandelt und hat eine gute Prognose. © iStock/comzeal
Anzeige

Keine Antikörper, keine Zöliakie – oder vielleicht doch? Die Abklärung von Patienten mit duodenaler Zottenatrophie ist eine harte Nuss. Ein Leitfaden erleichtert das Vorgehen.

Hauptverursacher einer Atrophie der Dünndarmschleimhaut ist und bleibt die seropositive Zöliakie. Doch für die restlichen 5 % der Zottenatrophien, die sogenannten seronegativen Enteropathien, sind andere Faktoren verantwortlich. An erster Stelle ist dabei die seronegative Zöliakie zu nennen. Betroffene Patienten sprechen auf eine glutenfreie Diät an, bilden aber nicht die typischen Antikörper.

An zweiter Stelle stehen Infektionen wie Giardiasis, HIV, Tuberkulose und Morbus Whipple, an dritter iatrogene Schäden, etwa infolge einer Chemo- oder Radiotherapie. Auch Störungen der körpereigenen Abwehr wie das variable Immundefektsyndrom und die Autoimmunenteropathie sowie lymphoproliferative Veränderungen kommen als Ursache in Betracht. Zudem muss man mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn und eosinophiler Gastroenteritis rechnen.

Die Abgrenzung all dieser seronegativen Enteropathien ist wegen überlappender Symptome und histologischer Befunde oft nicht einfach. Erschwerend kommt die relative Seltenheit der einzelnen Krankheitsbilder hinzu, schreiben Annalisa Schiepatti von der Universität Pavia und Kollegen. Außerdem lässt sich in etwa einem Zehntel der Fälle keine spezielle Ätiologie identifizieren, sodass man von einer idiopathischen Form ausgeht, von der inzwischen drei Varianten bekannt sind (s. Kasten).

Varianten der idiopathischen Zottenatrophie

  • Typ 1: transiente, wahrscheinlich postinfektiöse villöse Atrophie mit Diarrhö, Gewichtsverlust und Dyspepsie, histologisch nicht von Zöliakie zu unterscheiden, Spontanremission innerhalb von sechs Monaten, 5-Jahres-Überlebensrate 96 %
  • Typ 2: persistierende, nicht-lymphoproliferative Zottenatrophie mit schwerer Malabsorption, histologisch meist nicht von Zöliakie zu differenzieren, 5-Jahres-Überlebensrate 100 %, immunsuppressive Therapie
  • Typ 3: persistierende Atrophie mit Lymphoproliferation, schwere Malabsorption, Histologie wie Zöliakie, immunsuppressive Therapie, 5-Jahres-Überlebensrate 27 %

Zur primären Diagnostik empfiehlt das Autorenteam, alle Patienten mit duodenaler Zottenatrophie zunächst auf eine Zöliakie hin zu untersuchen. Dazu bestimmt man die typischen IgA-Antikörper gegen Gewebstransglutaminase (tTG-Ak), Endomysium (EMA) und deaminierte Gliadin-Peptide (GDP). Der Antikörpernachweis in Kombination mit dem histologischen Befund sichert die Diagnose Zöliakie. Ein negatives Resultat kann allerdings auch durch einen Mangel an Immunglobulin A bedingt sein. Bei einem solchen Defizit muss die Serologie mit den entsprechenden IgG-Antikörpern wiederholt werden. Lassen sich diese nachweisen, hat der Patient eine (seropositive) Zöliakie und weist zusätzlich ein IgA-Defizit auf.

Wichtige Hinweise liefert oft schon die Anamnese

Anders sieht die Situation bei einer normalen Produktion von Immunglobulin A bzw. einer negativen IgG-Serologie aus. Dann ist eine gezielte Ursachenfahndung indiziert. Wichtige Hinweise auf die Ätiologie liefert oft schon die sorgfältige Anamnese, wobei man sich insbesondere nach Reisen (z.B. tropische Sprue), potenziell auslösenden Medikamenten (z.B. Olmesartan) und möglichen Autoimmunerkrankungen erkundigen sollte. Labordiagnostisch ist eine genauere Untersuchung von Blut, Fäzes und duodenalen Gewebeproben angezeigt. Dazu gehören Stuhltests auf Giardia lamblia und andere Parasiten sowie Viren und fäkales Calprotectin (z.B. Morbus Crohn). Je nach Konstellation ist auch eine Kontrolle auf Morbus Whipple, Tuberkulose und HIV sinnvoll. Wird man hier fündig, richtet sich die Behandlung nach der jeweiligen Ätiologie. Die Prognose ist in den meisten Fällen gut. Bei Patienten mit variablem Immundefekt oder Autoimmunenteropathie muss man allerdings mit schweren Komplikationen rechnen. Wenn sich bei einem Patienten mit Zottenatrophie weder Zöliakie-Antikörper noch Hinweise auf eine andere Genese finden, empfehlen die Autoren eine Bestimmung von HLA-DQ2, -DQ8 und -DQ7.5. Bei einem positiven Resultat darf man zunächst auf eine spontane Besserung warten, ohne dass der Patient Diätempfehlungen bekommt. Falls sich die Beschwerden innerhalb der folgenden drei bis sechs Monate zurückbilden, raten die Autoren zu einer erneuten Biopsie. Im Fall einer histologischen Abheilung hat der Patient höchstwahrscheinlich eine idiopathische villöse Atrophie (IVA) vom Typ 1. Diese Erkrankung verläuft selbstlimitierend, wird symptomatisch behandelt und hat eine gute Prognose. Im ersten Jahr nach der Dia­gnose raten die Autoren zu einer halbjährlichen klinischen Kontrolle, danach nur noch im Bedarfsfall. Bilden sich die Symptome bei HLA-positiven Patienten nicht zurück, empfehlen die Autoren eine strikte glutenfreie Diät. Bei schwerer Malabsorption und einem Alter > 50 Jahre kann eine Steroidbehandlung die Abheilung fördern. Kommt es unter diesem Regime zu einer klinischen und histologischen Besserung, lautet die Diagnose seronegative Zöliakie. Falls die angestrebte Remission unter einer glutenfreien Ernährung ausbleibt, hat der Patient entweder eine komplizierte Form der Zöliakie oder eine IVA vom Typ 2 oder 3 (siehe Kasten).

Nach negativem HLA-Test erst mal abwarten

Bei Patienten, die für HLA-DQ2, -DQ8 und -DQ7.5 negativ sind, setzen die Verfasser ebenfalls zunächst auf Abwarten. Bessern sich die Beschwerden innerhalb von drei bis sechs Monaten, ist eine IVA vom Typ 1 wahrscheinlich. Eine ausbleibende Besserung spricht dagegen für eine IVA vom Typ 2 oder 3.

Quelle: Schiepatti A et al. BMJ Open Gastro 2021; DOI: 10.1136/bmjgast-2021-000630