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Chronische Nierenerkrankungen An den richtigen Stellschrauben drehen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Fast alle Lebensstilveränderungen, die sich zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen eignen, verringern auch die Progression einer CKD. Fast alle Lebensstilveränderungen, die sich zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen eignen, verringern auch die Progression einer CKD. © peterschreiber.media – stock.adobe.com
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Chronische Nierenerkrankungen werden selbst in fortgeschrittenen Stadien oft noch lange übersehen – mit gefährlichen Folgen für die Patienten. Inzwischen gibt es wirksame Möglichkeiten, die Progression zu verlangsamen.

Das Risiko für die Entstehung und das Fortschreiten chronischer Nierenleiden (CKD*) wird vor allem durch Hypertonie, Adipositas, Diabetes, Nikotinkonsum und kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht. Ein zentraler Bestandteil der Progressionshemmung besteht darin, reversible Ursachen für die Verschlechterung zu identifizieren. Infrage kommen neben einer Volumendepletion die Ingestion von NSAR und anderen nephrotoxischen Arzneimitteln oder Substanzen (z.B. Schwermetalle), erklären Dr. ­Turgay ­Saritas und Prof. Dr. ­Jürgen ­Floege vom Uniklinikum der RWTH Aachen. 

Der Abfall der glomerulären Filtrationsrate (GFR) nach dem Beginn einer Therapie mit ACE-Hemmern, AT1-Antagonisten oder SGLT2-Inhibitoren ist dagegen ein rein hämodynamischer Effekt. Er wird durch die verringerte glomeruläre Hyperfiltration ausgelöst und wirkt langfris­tig nephroprotektiv. Nur wenn die GFR unter der Therapie um mehr als 20–30 % sinkt, ist nach anderen Ursachen zu suchen. 

Fast alle Lebensstilveränderungen, die sich zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen eignen, verringern auch die Progression einer CKD. Dazu zählen Gewichtsnormalisierung und regelmäßiges Ausdauertraining sowie ggf. der Nikotinverzicht. Wichtig ist zudem eine ballaststoffreiche Ernährung (z.B. mediterrane Kost) und der Verzicht auf Proteinexzesse. Die Kochsalz­zufuhr sollte auf < 5 g/Tag reduziert werden. 

Der wichtigste Risikofaktor für einen zunehmenden Fuktionsverlust der Niere ist die Hypertonie. Empfohlen wird für Patienten mit Albuminurie und/oder Diabetes ein Zielblutdruck unter 130/80 mmHg. Bei Personen ohne Zuckerkrankheit oder vermehrte Albuminausscheidung sollte der Wert unter 140/90 mmHg liegen. Als Medikamente der ersten Wahl gelten ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten. Zusätzlich zur antihypertensiven Wirkung verringern RAAS-Blocker den intraglomerulären Druck (durch Dilatation des Vas efferens) sowie die Proteinurie. 

Für den Fall, dass der blutdrucksenkende Effekt trotz langsamer Steigerung bis zur maximal erlaubten Dosis nur unzureichend ist, empfehlen die Autoren die Kombination mit einem Diuretikum. Solange die GFR über 30 ml/min/1,73 m2 liegt, kann ein Thiazid verordnet werden. Patienten mit einer GFR unter ­30 ml/min/1,73 m2 sollten ein Schleifendiuretikum erhalten. 

Mit Blick auf die Ernährung ist zu beachten, dass ein hoher Salzkonsum die Wirkung des RAAS-Blockers aufhebt. Eine vorsichtige Dosiserhöhung trotz gut eingestelltem Blutdruck kann bei anhaltend hoher Proteinurie (> 1 g/Tag) sinnvoll sein. Die Einnahme von ACE-Blocker und AT1-Antagonist sollte auch dann fortgesetzt werden, wenn die GFR langsam sinkt und schließlich unter 15–30 ml/min liegt. Denn Dialysepflichtigkeit und kardiovaskuläre Erkrankungen nehmen zu, wenn man RAAS-Blocker im CKD-Stadium 4–5 absetzt. Eine limitierende Hyperkali­ämie sollte primär mit Schleifendiuretika, einem Azidoseausgleich und ggf. Kaliumbindern behandelt werden. Wenn die GFR unter dem RAAS-Blocker rasch um mehr als 20–30 % sinkt, ist zunächst per Ultraschall eine Nierenarterienstenose auszuschließen. 

Bei manchen Patienten mit protein­urischer Nierenerkrankung kommt es trotz Einnahme des RAAS-Blockers und guter Blutdruckeinstellung zu einer erneuten Zunahme der Eiweißausscheidung. In diesem Fall kann die zusätzliche Gabe eines niedrig dosierten Aldosteronantagonisten helfen. Wegen des Hyperkaliämierisikos sollten diese Wirkstoffe aber nur unter einer sorgfältigen Kontrolle eingesetzt werden. 

Für die primär als Antidiabetika entwickelten SGLT2-Inhibitoren ist der nephroprotektive Effekt bei fast allen Formen von CKD gut belegt. Die Wirkstoffe haben einen leichten antihypertensiven Effekt und reduzieren auch den intraglomerulären Druck. Außerdem werden die Tubuluszellen von der energieintensiven Glukoserückresorption entlastet. Zu den wesentlichen Nebenwirkungen gehören genitale Mykosen und sehr selten Ketoazidosen. Letzteres ist der Grund, weshalb die Einnahme bei akuten Erkrankungen pausieren sollte.

Mit dem Fortschreiten der CKD entwickeln fast alle Patienten eine Hyperurikämie. Bei Harnsäurewerten unter 10 mg/dl ist das Risiko für Gichtanfälle gering, weshalb in Leitlinien eine medikamentöse Therapie bei asymptomatischer Harnsäure­erhöhung nicht empfohlen wird. Ein günstiger Einfluss der Harnsäure­senkung auf das Fortschreiten der Niereninsuffizienz ist bisher nicht belegt. Auch eine Korrektur der renalen Anämie (Eisen, erythropoesestimulierende Substanzen) vermag den Funktionsverlust nicht aufzuhalten. 

Ein weiteres Problem: Mit der Progredienz der CKD steigt auch das Infektionsrisiko. Deshalb sollte man bei dieser Klientel besonders auf einen optimalen Impfschutz achten. Mit dem Nachlassen der Nierenfunktion nimmt auch die Impfantwort ab. Besonders gefährdet sind Patienten, die mit Rituximab und Mycophenolatmofetil behandelt werden.

*    chronic kidney disease

Quelle: Saritas T, Floege J. Inn Med (Heidelb) 2023; 64: 240-246; DOI: 10.1007/s00108-023-01482-5