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Kohlenhydrate Apps helfen beim ewigen Kampf

Autor: Antje Thiel

Ein Foto vom Essen reicht, den Rest erledigt dann die Smartphone-App. Ein Foto vom Essen reicht, den Rest erledigt dann die Smartphone-App. © Syda Productions – stock.adobe.com
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Ob Insulinpen, Pumpe oder AID-System – Menschen mit Diabetes, die sich Insulin zuführen, müssen lernen, den Kohlenhydratgehalt ihrer Mahlzeiten einzuschätzen. Smartphone-Anwendungen können helfen, dabei die Fehlerquote zu senken.

Es gibt nicht den einen universellen Weg, die Menge der Kohlenhy­drate in einer Mahlzeit erfolgreich zu erfassen. In Schulungsprogrammen werden Menschen mit Diabetes daher verschiedene Varianten vermittelt: So kann man beim Kochen die einzelnen Zutaten abwiegen oder Schätzhilfen wie Esslöffel oder kleine Schüsseln verwenden. Ebenso kann man üben, per Augen- oder Handmaß zu schätzen. Diese Aufgabe kann einem auch eine Insulinpumpe oder ein System zur automatisierten Insulindosierung (AID) nicht abnehmen. Im Gegenteil: Mit den vielen Möglichkeiten, die ein kombinierter bzw. gesplitteter Bolus bietet, ist das Bolusmanagement und damit auch die Eingabe der korrekten Kohlenhydratmenge unverzichtbar.

Wer mag schon mit Waage im Restaurant anrücken?

Doch die Fehlerquote beim Ermitteln dieser Menge ist hoch: Etwa die Hälfte der Menschen mit Dia­betes verschätzt sich. Während das Schätzen im Alltag bei vielen Betroffenen recht gut klappt, kann es beim auswärtigen Essen – etwa im Restaurant – eine echte Herausforderung darstellen, wie Rosalie­ Lohr­, Dia­betesberaterin DDG und Ernährungsberaterin am LMU-Klinikum München, betonte: „Da mag man ja nicht mit einer Waage anrücken. Doch das Smartphone hat man in der Regel immer dabei.“ Genau deshalb sind Smartphone-Apps auf dem Vormarsch, die den Alltag von Menschen mit Diabetes erleichtern und ihnen mehr Flexibilität bringen sollen. Inzwischen steht eine Reihe von Anwendungen zur Verfügung, die beim Einschätzen des Kohlenhydratgehalts von Mahlzeiten helfen. 

Schon länger erprobt wird die App „GoCarb“, die an der Universität Bern entwickelt wurde. Hierbei muss man eine Referenzkarte mit einem bestimmten Farbmuster neben den Teller legen und mindestens zwei Fotos von der Mahlzeit schießen, damit die App quantitativ ermitteln kann, wie viele Gramm Kohlenhydrate sie enthält. „Die Abweichung beträgt etwa 7 g bei kleineren Mengen und bis zu 20 % bei größeren Portionen“, berichtete Lohr. Perspektivisch soll sich die Anwendung mit AID-Tools verknüpfen lassen.

Bildanalyse und Abgleich mit Lebensmittel-Datenbanken

Die App „SNAQ“, die 2020 mit dem bytes4diabetes-Award ausgezeichnet wurde, berechnet den Kohlenhydrat­anteil ebenfalls aus Mahlzeitenfotos. „Das funktioniert mittels Bildanalyse“, verriet SNAQ-Mitgründer Aurelian­ Briner­. Wenn die App auf einem Foto z.B. Reis, Salat und Hühnchen erkennt, macht sie einen Vorschlag, den man annehmen, ablehnen oder modifizieren kann. Für die Nährwertangaben greift die Software auf Datenbanken zurück.

In Europa müssen medizinische Apps die Anforderungen der CE-Zertifizierung und Medical-Device-Regulation erfüllen. SNAQ wird deshalb hier nur als Lifestyle-App angeboten. In den USA hingegen, wo Digitalprodukte weniger strenger Regulierung unterliegen, hat das Start-up 2021 an der Integration von Diabetes-Devices gearbeitet. Mittlerweile lässt sich die App mit über 20 Geräten verbinden – darunter viele CGM-Systeme und Blutzuckermessgeräte. Die App zeigt dann die postprandiale Zeit im Zielbereich (TiR) an, erkennt Muster und warnt vor möglichen Blutzuckerspitzen bei bestimmten Mahlzeiten. Eine Studie ergab, dass sich die TiR nach dem Essen mithilfe von SNAQ um 10 % steigern lässt. „Als nächstes Feature arbeiten wir an einer Vorhersage für die postprandiale Zeit im Zielbereich“, sagte Briner.

Quelle: DiaTec 2022