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Bei Schwerhörigkeit die kognitive Belastung berücksichtigen

Autor: Dr. Alexandra Bischoff

Bei Cochleaimplantaten und Hörgeräten zählt bisher nur die Sprachverständlichkeit. Bei Cochleaimplantaten und Hörgeräten zählt bisher nur die Sprachverständlichkeit. © iStock/AlexRaths
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Hörgeräte funktionieren nicht so gut, wenn Hintergrundgeräusche bestehen oder Menschen parallel reden. Dann sind die kognitiven Fähigkeiten gefragt. Jedoch verzögert sich dadurch der Prozess des Sprachverständnis. Dieses Zusammenspiel namens Höranstrengung steht mittlerweile im Fokus der Wissenschaft.

Im Alter nimmt bekanntlich das Hörvermögen ab. Oftmals ist bei einem moderaten Hörverlust in ruhiger Umgebung noch eine Kommunikation möglich. Schwierig wird es hingegen, wenn Lärmquellen das Sprach­signal überlagern oder mehrere Personen gleichzeitig sprechen. Neben dem Hörverlust spielen kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis eine bedeutsame Rolle für das Sprachverständnis in akustisch schwierigen Situationen. Auch diese Leistungen lassen jedoch alters­bedingt nach.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Menschen gewöhnen sich an ihre Hörgeräte. So konnten in einer Studie Senioren, die bereits länger ihre Hörhilfe nutzten, Sätze aus Störgeräuschen schneller erschließen als „Neulinge“. Vermutlich kompensieren kognitive Prozesse das verschlechterte Sprachverstehen – was wiederum kognitive Ressourcen beansprucht und die Sprachverarbeitung verzögert.

„Höranstrengung wird künftig eine große Rolle spielen“

Bislang berücksichtige man bei der Wahl von Hörgeräten und Cochlea­implantaten allerdings nur die Sprachverständlichkeit unter bestimmten Bedingungen. Die damit verbundene individuelle kognitive Anstrengung fand keine Beachtung. Das soll sich künftig ändern, schreibt der Elektrotechniker Professor Dr. Hartmut ­Meister­ vom Jean Uhrmacher Institut für klinische HNO-Forschung der Universität zu Köln.

Im Bereich der Audiometrie rückt das Konzept der Höranstrengung als Ausdruck der kognitiven Belastung beim Sprachverstehen immer stärker in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Höranstrengung lässt sich anhand unterschiedlicher Methoden sowohl subjektiv als auch objektiv erfassen, es existiert aber noch kein Goldstandard. Als Beispiel nennt der Medizintechniker die Pupillometrie, die folgende Aspekte beim Sprachverstehen abbildet:

  • zu verarbeitendes Sprachsignal (zum Beispiel linguistische Komplexität)
  • Übertragung des Sprachsignals (Qualität, Maskierung mit Rauschen oder konkurrierenden Sprechern)
  • hörende Person (Hörvermögen, kognitive Leistungen, Alter)

Das Ziel der aktuellen Forschung ist, audiometrische Verfahren zu entwickeln, die beides können – die Hörbarkeit von Sprache verbessern und gleichzeitig die kognitive Belastung beim Sprachverstehen verringern. Die Höranstrengung wird künftig in der klinischen Praxis eine große Rolle spielen, so Prof. Meister­.

Quelle: Meister H. HNO 2020; 68: 171-175; DOI: 10.1007/s00106-019-0727-2