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COVID-19: Warum manche Gruppen schwerer erkranken

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Nicht jeder erkrankt gleich stark an Corona, aber woran liegt das? Nicht jeder erkrankt gleich stark an Corona, aber woran liegt das? © iStock/peterhowell
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Die klinische Heterogenität von COVID-19 bereitet Forschern weltweit Kopfzerbrechen. Immerhin für einige Zusammenhänge gibt es Erklärungsansätze.

Warum trifft COVID-19 Kinder und Jugendliche in der Regel nicht so hart und Ältere umso mehr? Was führt dazu, dass Männer und Menschen mit Blutgruppe A kritischere Verläufe haben als Frauen und Träger der Blutgruppe 0? Wie kommt es, dass zum Teil auch junge gesunde Sportler schwer erkranken? Und wieso erwischt es viele Mitarbeiter im Gesundheitswesen so heftig? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das Team um Privatdozent Dr. Paolo­ Matricardi­, Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Die Ärzte konzentrierten sich zunächst auf potenziell schützende immunologische Faktoren und fanden einige Erklärungen bei IgM-Antikörpern (AK). Natürliche IgM-AK gehören zum angeborenen Immunsystem. Man findet sie im Speichel, Nasensekret und Pharynx. Sie neutralisieren Viren direkt, aktivieren das Komplementsystem, lösen die Phagoyztose aus und fördern die antikörperabhängige Zellzytotoxizität. Ihre Konzentration im Körper nimmt im Alter ab, bei 50- bis 65-Jährigen ist sie mehr als 30-mal niedriger als bei 20- bis 24-Jährigen. Und: Männer sowie Menschen mit Blutgruppe A haben niedrigere Konzentrationen.

Nächster Punkt: Die Dosis macht das Gift. Mit einer einzigen kurzen Exposition gegenüber einem jungen Infizierten fängt man sich nur eine niedrige kumulative Menge an Viruspartikeln ein. Der mehrtägige Austausch mit (älteren) Betroffenen, z.B. mit dem Partner zu Hause, erhöht die Dosis deutlich. Die größte Ladung droht aber bei kontinuierlichem, evtl. ungeschütztem Kontakt zu vielen schwer Erkrankten – z.B. als Arzt im Krankenhaus. „Das Gleichgewicht zwischen natürlicher Abwehr und kumulativer Expositionsdosis entscheidet darüber, ob SARS-CoV-2 in den ersten 10 bis 15 Tagen nach der ersten Exposition effizient in die unteren Atemwege eindringt, erklärte dazu Dr. Matricardi. Danach gibt es quasi ein Wettrennen zwischen dem Virus und der adaptiven Immunantwort. Kommt der Erreger noch vor Einsetzen der Immunreaktion in der Lunge an, droht eine frühe – und schwere – Pneumonie.

Auch für die mitunter schweren Verläufe bei Sportlern haben die Kollegen einen Erklärungsansatz: Damit Viruspartikel durch die unspezifische Abwehr im Respirationstrakt neutralisiert werden können, müssen sie auf die Schleimhaut der Atemwege treffen. Das passiert in der Regel bei normaler, meist nasaler Atmung. Bei tiefer oraler Atmung oder bei Hyperventilation mit hohen Volumina kommen einige der Partikel nicht auf die Schleimhaut, sondern werden direkt tief eingeatmet.

Hat jemand bereits Viruspartikel eingeatmet und befindet sich in der Inkubationszeit oder in einer frühen, noch wenig symptomatischen Phase der Erkrankung, kann es zur viralen Autoinhalation kommen. Bei körperlicher Anstrengung wird die ausgeatmete Luft, zumindest teilweise, direkt wieder eingeatmet. Hierdurch erhöht sich das Risiko für frühe und schwere Lungenentzündungen. Vor allem Sportler, körperlich hart arbeitende Menschen, Patienten mit Komorbiditäten und Übergewichtige sind gefährdet.

Quelle: Allergologie im Kloster 2020