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Tumormutationslast Zuverlässiges Kriterium?

Autor: Lara Sommer

Ist die Tumormutationslast wirklich so gut als Indikator für das Ansprechen auf Immuntherapien geeignet? Ist die Tumormutationslast wirklich so gut als Indikator für das Ansprechen auf Immuntherapien geeignet? © NicoElNino – stock.adobe.com
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Die Tumormutationslast gilt als Surrogatmarker für Neoantigene und das Ansprechen auf Immuntherapien. Zwei Experten diskutierten, wie aussagekräftig der Parameter ist, welcher Grenzwert gelten sollte und ob beides zwischen Entitäten variiert.

Es gebe eine biologische Ratio­nale dafür, die Tumormutationslast (TMB) als Indikator für das Ansprechen auf Immuntherapien zu verwenden, betonte Prof. Dr. Dr. ­Francois ­Ghiringhelli, Centre Georges-François Leclerc, Dijon.1 „Je mehr Mutationen, des­to größer die Wahrscheinlichkeit, dass T-Lymphozyten Tumorzellen erkennen und beseitigen können“, beschrieb der Onkologe.

Ergebnisse der KEYNOTE-158-Studie bestätigten prospektiv, dass die Mutationslast das Ansprechen auf Pembrolizumab vorhersagt. Es nahmen insgesamt 1.032 Patient:innen mit soliden Tumoren teil, die mit einem Grenzwert von 10 mut/MB* stratifiziert wurden. Die ORR betrug bei hoher Mutationslast 29 % ver­glichen mit 6 % im Falle einer niedrigen TMB. „Interessanterweise ist das unabhängig vom MSI-Status“, merkte der Experte an. Auf dieser Grundlage erfolgte eine tumortyp­agnostische Zulassung der FDA für den CPI. 

Kleine Analysen belegten die Aussagekraft der TMB anschließend auch für Mamma- und Kolorektalkarzinome sowie eine gemischte Kohorte, wobei sich beim mikrosatellitenstabilen CRC nur wenige zusätzliche Responder identifizieren ließen. Unter 1.285 NSCLC-Erkrankten, die in der Erstlinie eine Chemoimmuntherapie erhielten, sprach die Gruppe mit der höchsten Mutationslast ebenfalls häufiger an. Sie hatte darüber hinaus ein längeres mPFS und Gesamtüberleben.

„TMB bringt auch einen Zusatznutzen zu PD-L1, insbesondere bei Lungenkrebs“, fügte Prof. ­Ghiringhelli hinzu. NSCLC-Patient:innen mit ähnlicher Expression des Immunmarkers sprachen eher auf CPI an, wenn sie auch eine hohe Mutationslast aufwiesen. Besonders groß schien der Unterschied bei denjenigen mit PD-L1-negativen Tumoren zu sein.

Dr. Dr. ­Benoit J. ­Rousseau vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York bezweifelte, dass man alle Mutationen gleichsetzen sollte.2 So seien einzelne Aminosäuresubstitutionen im Allgemeinen weniger immunogen als Lese­rasterverschiebungen. Das Muster der Veränderungen hänge auch von den jeweiligen mutagenen Einflussfaktoren ab. „Wenn wir beispielsweise den Austausch zu hydrophoben Aminosäuren betrachten, tritt dies bei UV-Licht, Rauchen und MMR-Defekten sehr viel häufiger auf als im Alter oder durch alkylierende Substanzen“, führte der Mediziner an.

Mehr auf Qualität statt Quantität setzen

Der Kollege schlug vor, sich mehr mit der Qualität statt der Quantität der Neoantigene zu beschäftigen. Entitäten, für die Immuntherapien bereits zugelassen sind, wiesen insgesamt die meisten Leserasterverschiebungen auf. Zu ihnen zählen Nierentumoren, die typischerweise ein niedriges TMB haben, aber auf CPI ansprechen. Unter Teilnehmenden von ­KEYNOTE-16 sagte die Anzahl an Insertionen und Deletionen den Therapieerfolg besser voraus als Mikrosatellitenstatus und Missense-Mutationen. Eine Behandlung mit dem Alkylanz Temozolomid, das überwiegend Punktmutationen verursacht, scheint Gliome wiederum nicht sensitiver für eine PD1-Blockade zu machen.

Was ist der beste Grenzwert?

Es lasse sich über den optimalen Cut-off streiten, so Prof. ­Ghiringhelli. Die Entwickler:innen des ­FoundationOne-Tests empfehlen einen Grenzwert von 20 mut/MB, mehrere Studien stützen diesen ebenfalls. Andererseits ermöglichte eine Anhebung über 10 mut/MB hinaus in einer mit Nivolumab/Ipilimumab therapierten NSCLC-Kohorte keine zusätzliche Stratifizierung erfolgreich Behandelter. Ein weiterer Ansatz besteht darin, die 10 % oder 20 % mit dem höchsten TMB der jeweiligen Entität auszuwählen. „Wenn man das allerdings für jeden Tumortyp betrachtet, liegt der Cut-off immer zwischen 10 und 20“, erläuterte der Referent.

Nutzen ist abhängig von Tumortyp und Mutagenese

Gemäß Dr. ­Rousseau können MMR-Defekte und POLE-Mutationen die Aussagekraft des TMB in Studien verfälschen. Wenn Forschende in einer CRC-Kohorte nur Personen mit intakter DNA-Reparatur betrachteten, profitierten diejenigen mit mehr als 10 mut/MB nicht stärker von einer Checkpoint-Inhibition als bei Werten darunter. Für manche Entitäten lasse sich jedoch weiterhin ein Effekt der Tumormutationslast erkennen. „Das sind überwiegend mit Tabak assoziierte oder UV-Licht verbundene Krebsformen“, fasste der Experte zusammen, beispielsweise NSCLC, Melanome und Kopf-Hals-Tumoren.

Er schlussfolgerte, dass CPI bei den am stärksten karzinogen­bedingt hypermutierten Malignomen auch ohne DNA-Reparaturdefekt einen Überlebensvorteil bringen (TMB-sensitiv), während dies für andere Entitäten nicht oder kaum gilt (TMB-insensitiv). Alles in allem korreliere eine hohe Mutationslast zwar mit besseren Immuntherapie-Outcomes, der zu erwartende Nutzen hänge aber vom Tumortyp und dem Mechanismus der Mutagenese ab.

*    Nicht-synonyme Mutationen/Megabase
Quellen:
1.    Ghiringhelli F. ESMO Immuno-Oncology 2023; Vortrag „Is TMB a good predictive biomarker for immunotherapy? Yes“
2.    Rousseau BJ. ESMO Immuno-Oncology 2023; Vortrag „Is TMB a good predictive biomarker for immunotherapy? No“