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Pflegeaufwand Der Preis der steigenden Lebenserwartung

Autor: Michael Brendler/Tobias Stolzenberg

In Würde Altern und Sterben aktuell die wenigsten Senioren. (Agenturfoto) In Würde Altern und Sterben aktuell die wenigsten Senioren. (Agenturfoto) © Kzenon – stock.adobe.com
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In ihrem letzten Lebensjahr sind die meisten Menschen in hohem Grad auf Pflege und Versorgung angewiesen. Ist die zusätzliche Lebenszeit, die uns der medizinische Fortschritt bringt, tatsächlich ein Gewinn? Oder verlängert er nur die Sterbephase?

Ist die zusätzliche Lebenszeit, die der medizinische Fortschritt inzwischen ermöglicht, tatsächlich ein Gewinn für alle? Können alte Menschen ihre letzten Monate und Jahre bei guter Gesundheit verbringen – oder dämmern sie als schwer Pflege­bedürftige im Heim oder in der Klinik ihrem Ende entgegen? 

Gemeinsam mit zwei Kollegen ist Dr. Marcus­ Ebeling­ vom Karolinska­-Institut in Stockholm der Frage nachgegangen, wie sich das Sterben in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat – und was das für den Einzelnen, die Gesellschaft und die Gesundheitssysteme bedeutet.

Hierzu haben die drei Wissenschaftler die Daten der schwedischen Sterberegister aus den Jahren 2018 bis 2020 ausgewertet. Unter anderem analysierten sie, wie viel Zeit Menschen ab dem 70. Lebensjahr in den letzten zwölf Monaten ihres Lebens in häuslicher Pflege, in einer Pflege­einrichtung oder in einem Krankenhaus verbracht hatten. Eingang in die Auswertung fand auch, ob die Alten in ihrer letzten Lebensphase auf spezielle Maßnahmen, etwa eine palliativmedizinische Betreuung, angewiesen waren.

Je nach Unterbringung und Versorgung teilten Dr. Ebeling­ und Kollegen die Senioren in sechs verschiedene Gruppen ein. In der ersten waren Menschen, die innerhalb kurzer Zeit gestorben waren. Die anderen Kategorien reichten von den „Abhängigen“ – Personen, die in ihrem letzten Lebensjahr zum überwiegenden Teil in häuslicher oder institutioneller Pflege verbracht hatten – bis zu den „akut Sterbenskranken“. Das waren Menschen, die sehr wahrscheinlich unter einer fortschreitenden tödlichen Krankheit gelitten hatten.

Ein „guter“ Tod ist eher die Ausnahme als die Regel

Nur gut jeder zehnte Senior in Schweden war demnach nach einem kurzen Leiden gestorben. Zwei Drittel hingegen hatten ihre letzten Monate in der Langzeitpflege verbracht. Besonders hoch waren Pflege- und Versorgungsbedarf bei Menschen, die im Alter von 84 Jahren oder älter starben. 

Die meisten Sterbeverläufe entsprechen heutzutage nicht dem, was man sich gemeinhin unter einem guten Tod vorstellt, fassen die drei Studienautoren ihre Ergebnisse zusammen. Der Zuwachs an Lebensjahren scheine vielmehr auf einen verlängerten Sterbeprozess zurückzugehen. Dies gelte umso mehr, wenn man die höheren Altersstufen betrachtet.

Auch für die Gesundheitssysteme sind das keine guten Nachrichten, so die Autoren weiter: Schon jetzt fallen bei der Mehrzahl der Menschen am Lebensende sehr hohe Kosten an. Grund ist der ausgesprochen hohe Versorgungsbedarf.

Quelle: Ebeling M et al. Am J Public Health 2023; DOI: 10.2105/AJPH.2023.307281