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Diabetestechnologie: Patienten prägen Trends und treiben die Entwicklung voran

Autor: Antje Thiel

Smartphones haben auch in der Medizin viel verändert. Smartphones haben auch in der Medizin viel verändert. © iStock/AzmanJaka
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Die Rolle der Diabetestechnologie hat sich in den vergangenen Jahren drastisch gewandelt. Galt ihr vor einigen Jahrzehnten höchstens stiefmütterliches Interesse, steht sie mittlerweile im Zentrum der Diabetestherapie. Ihre Weiterentwicklung wird künftig von anderen als den gewohnten Akteuren vorangetrieben, wie Professor Dr. Lutz Heinemann betonte.

Wir schreiben heute das Jahr 12 AIP, after iPhone“, erklärte Prof. Heinemann. „2007 hätte sich allerdings niemand vorstellen können, in welchem Umfang dieses Gerät unser Leben einmal verändern wird.“ Eine vergleichbare Umwälzung hat es aber auch in der Diabetestechnologie gegeben. So war die Blutzuckerselbstmessung noch vor wenigen Jahren ein Milliardenmarkt. Doch dieses Geld ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den Wachstumsmarkt der CGM-Systeme geflossen. „Diese Entwicklung wurde vor allem von der Firma Abbott getrieben, die mit der disruptiven Technologie des Flash-Glucose-Monitoring den Markt aufgemischt hat“, sagte Prof. Heinemann.

Mittlerweile nutzten weltweit über eine Million Menschen das Freestyle-Libre-System. Allerdings gebe es durchaus noch Raum für Verbesserungen bei sämtlichen verfügbaren CGM-Systemen: „Wir sind immer noch meilenweit entfernt von einem idealen CGM“, meinte Prof. Heinemann und verwies auf die Bestrebungen der Hersteller, kostengünstigere Sensoren mit längerer Lebensdauer, weniger Schmerzen bei der Applikation und hautfreundlichen Klebstoffen anzubieten. Eine zunehmend wichtige Rolle spielten hierbei die Patienten selbst, die immer weniger Verständnis für lange Entwicklungs- und Zulassungszyklen zeigen und vorhandene Einzelkomponenten miteinander vernetzen, um sich ihren Closed Loop Marke DIY-AID (Do it yourself Automated Insulin Delivery) selbst bauen.

Was beeinflusst die Behandlungspfade der Zukunft?

Aktuell gibt es in der Community drei verschiedene Systeme: LOOP für Geräte mit iOS-Betriebssystem, das Linux-basierte OpenAPS und AndroidAPS für alle mobilen Endgeräte mit Android-Betriebssystem. Die Therapieerfolge der Looper sind beachtlich. So zeigte Prof. Heinemann den schnurgeraden 90-Tage-Glukoseverlauf einer Looperin und sagte: „Wäre es nicht schön, wenn alle Menschen mit Diabetes derartige Verläufe vorweisen könnten?“

Diabetes-Müll eindämmen

Closed-Loop-Systeme sind nicht das einzige Gebiet, auf dem sich die Patienten-Community engagiert und neue Lösungen einfordert: „Die Anwender von Pumpen und CGM-Systemen ärgern sich zunehmend über die Unmengen von Plastikabfall, die mit der Nutzung ihrer Systeme einhergehen“, berichtete Prof. Heinemann. So bringt eine CGM-Setzhilfe aus Plastik 80 g auf die Waage. Summa summarum kann ein Pumpen- und Sensorträger mit dem Diabetesmüll von nur zwei Wochen problemlos einen ganzen handelsüblichen Müllbeutel füllen – das passt nicht zu dem Trend, Plastikmüll einzudämmen.

Was die Behandlungspfade der Zukunft angeht, sieht der Experte in erster Linie die Digitalisierung und den demographischen Wandel als treibende Kräfte. Denn immer weniger Diabetologen bzw. Endokrinologen stünden einer wachsenden Zahl von Menschen mit Diabetes gegenüber. Diesem Missverhältnis könne man u.a. mit der Nutzung von Algorithmen und Clinical Decision Support Systems begegnen. Immerhin seien etwa 80 % aller Patientenkontakte reine Routinetermine. Algorithmen könnten die verbleibenden 20 % herausfiltern, die tatsächlich die Aufmerksamkeit eines Arztes benötigen: „Es geht nicht unbedingt darum, immer mehr Patienten zu behandeln, sondern die richtigen Patienten zu behandeln und ihnen dann auch ausreichend Zeit zu widmen“, erklärte Prof. Heinemann.

Quelle: 12th International Conference on Advanced Technologies & Treatments in Diabetes (ATTD)