Anzeige

Tropenkrankheiten Die Tücken der Mücken

Autor: Stefanie Menzel

Die Stechmücken der Gattungen ­Aedes und Culex gehören inzwischen zu den wichtigsten Vektoren in unseren Breiten. Die Stechmücken der Gattungen ­Aedes und Culex gehören inzwischen zu den wichtigsten Vektoren in unseren Breiten. © iStock/hokja, nechaev-kon, Dimitris66
Anzeige

Seit einigen Jahren treten (sub-)tropische Erkrankungen, die durch Mücken übertragen werden, auch in Europa auf. Zu den Gründen dafür gehören Reisen, globalisierte Warenströme und der Klimawandel. Größere Ausbrüche beobachtet man zum Beispiel beim West-Nil-Fieber.

Jährlich sterben weltweit mehrere Millionen Menschen an den Folgen eines Mückenstichs – mehr als durch den Kontakt mit jeder anderen Tierart, berichtet Dr. Karin Bakran-Lebl vom Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit in Wien. Meist handelt es sich bei den Überträgern um Mücken der Gattungen Culex und Aedes. Die beiden wichtigsten Vektoren in unseren Breiten sind die einheimische Gemeine Stechmücke (Culex pipiens) und die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus).

Die Verbreitung von Erregern läuft immer ähnlich ab: Hat die Mücke infiziertes Blut gesaugt, vermehren sich die Erreger in ihrem Verdauungstrakt, wandern dann in die Speicheldrüsen und werden per Stich dem Opfer injiziert. In diesem Kreislauf ist der Mensch oftmals ein Fehlwirt.

Bei unspezifischem Fieber nach letztem Reiseziel fragen

Hierzulande beobachtet man autochthone Infektionen eher selten. Allerdings besteht durchaus die Gefahr, sich ein Urlaubssouvenir aus Spanien, Italien oder Frankreich mitzubringen. Doch steigende Temperaturen könnten zukünftig den Erregern und den Vektoren auch in Deutschland ideale Lebensbedingungen schaffen.

Schutz vor Mücken

Mücken lieben schon kleinste Wasseransammlungen, die sie als Brutstätten nutzen. Man sollte daher Regentonnen abdecken (z.B. mit einem feinmaschigen Netz), Blumenuntersetzer regelmäßig abgießen und Töpfe, Gießkannen, alte Reifen und sonstige Gegenstände, in denen sich Wasser sammeln kann, überdacht lagern. Im Wohnraum halten Insektengitter die Biester draußen, möglichst lange, helle Kleidung kann im Freien vor Stichen bewahren. Repellents schützen teilweise sehr gut, sind für Mensch und Umwelt aber nicht immer unbedenklich. Ihr Einsatz sollte daher gut überlegt sein. Die effektivsten enthalten entweder Diethyltoluolamid (DEET) oder Icaridin. Allerdings können beide Substanzen Augen und Schleimhäute reizen, DEET eignet sich zudem nicht in Schwangerschaft und Stillzeit sowie für Kinder unter zwei Jahren. Icaridin ist besser verträglich, wirkt aber kürzer. Als einzige natürliche – und gut wirksame Alternative – nennt die Autorin Zitroneneukalyptusöl (Para-Menthan-3,8-diol, PMD). Andere ätherische Öle (z.B. Citronella, Geraniol, Lavendel) haben sich nicht bewährt, selbiges gilt für getränkte Armbänder oder Ultraschallgeräte. Wegen der hohen Risiken, die von der Asiatischen Tigermücke ausgehen, empfiehlt Dr. Bakran-Lebl, jede Sichtung über die kostenfreie Handy-App „Mosquito Alert“ zu melden. Eingesendete Fotos werden von Experten begutachtet und die Funde anonym auf einer öffentlich zugänglichen Karte angezeigt.

Die meisten Infektionen beginnen nach unterschiedlichen Inkubationszeiten mit Fieber, manche verlaufen aber auch völlig beschwerdefrei. Die Frage nach Urlaubsziel und Rückreisedatum kann bei einem Patienten mit unspezifischem Fieber für die Diagnose relevant sein.

West-Nil-Virus

Das West-Nil-Virus ist das am häufigsten durch Mücken übertragene Virus. Seit den 1960er-Jahren gab es in Mittel-, Ost- und Südeuropa immer wieder kleine Epidemien. Übertragen wird der Erreger durch einheimische Stechmücken, die Ansteckung kann auch über Bluttransfusionen oder Muttermilch erfolgen. Die meisten Infizierten bleiben asymptomatisch, 20–40 % entwickeln nach 2–14 Tagen moderates bis hohes Fieber und grippeartige Symptome (West-Nil-Fieber, „Sommergrippe“). Dazu können Lymphadenopathie, Exanthem, Konjunktivitis, Erbrechen oder Durchfall kommen. In ca. 1 % der Fälle gibt es eine ZNS-Beteiligung mit akuten Lähmungserscheinungen, Meningitis und Enzephalitis als möglichen Folgen. Die Mortalität liegt in diesen Fällen bei 10 %. Nur selten treten Myokarditis, Hepatitis oder Pankreatitis auf. Meist heilt die Infektion komplett aus, Müdigkeit und Schwäche können aber monatelang persistieren.

Dengue-Virus

Mit weltweit bis zu 528 Mio. Fällen pro Jahr gehört das Dengue-Fieber zu den bedeutsamsten durch Stechmücken verbreiteten Erkrankungen. Nach einem Ausbruch in Griechenland 1927/28 verzeichnet man in Europa erst seit 2010 wieder au­tochthone Infektionen (Frankreich, Kroatien, Spanien), die offensichtlich mit Reisen in Verbindung standen. Übertragen werden die Viren vor allem durch Asiatische Tigermücken und Gelbfiebermücken (Aedes aegypti). Die Infektion kann grippeähnliche Beschwerden, Übelkeit und Erbrechen sowie Hautausschlag und diffuse Schmerzen verursachen. Gefürchtet ist das Dengue-Schocksyndrom, das mit schweren inneren Blutungen einhergeht und bei jedem Fünften zum Tod führt.

Chikungunya-Virus

Auch für Chikungunya-Viren stellen Asiatische Tiger- und Gelbfiebermücken die wichtigsten Überträger dar. Die Viren gelten in Europa noch nicht als endemisch. Infektionen werden meist auf Reisen nach Afrika, Asien oder Südamerika erworben. Erste Meldungen über autochthone Ansteckungen gab es 2007 in Italien und Frankreich, wo bereits Populationen der Asiatischen Tigermücke existieren. Die Erkrankung manifestiert sich nach 3–12 Tagen Inkubationszeit typischerweise durch ein makulopapulöses Exanthem an Gesicht, Extremitäten und Rumpf, Fieber und Arthralgie, wobei Letztere über Jahre bestehen bleiben kann.

Tahyna-, Usutu- und Batai-Virus

Fälle von Valtice-Fieber, hervorgerufen durch das Tahyna-Virus, sind vor allem aus Mitteleuropa bekannt. Diverse Stechmückenarten übertragen den Erreger auf den Menschen. Infizierte bekommen nach 3–5 Tagen akutes Fieber, begleitet u.a. von Konjunktivitis, Pharyngitis und gastrointestinalen Störungen, gelegentlich auch einer ZNS-Beteiligung (Meningitis) oder Pneumonien. Das Usutu-Virus wurde 1996 aus Gegenden der Subsahara nach Italien eingeschleppt, verbreitet sich hauptsächlich über Vögel und gilt, nach einem großen Amselsterben in Österreich 2001, in Mitteleuropa als endemisch. Bislang wurden nur wenige humane Manifestationen gemeldet. Die Erkrankung verläuft meist mild oder asymptomatisch. Batai-Viren befallen Säugetiere (v.a. Schweine, Pferde, Wiederkäuer), treten in Asien, Mittel-, Ost- und Nordeuropa auf und verlaufen unspezifisch fieberhaft. Zu den neun bekannten humanpathogenen Arboviren gehören außerdem das Sindbis-Virus (Übertragung durch verschiedene Stechmücken, v.a. in Nordeu­ropa) sowie die in Nordeuropa und Russland anzutreffenden Inkoo- und Snowshoe-Hare-Viren. Alle drei verursachen grippeähnliche Erkrankungssymptome, beim Sindbis-Virus kann es zudem zu Hautläsionen, Konjunktivitis und Arthralgien kommen.

Bakterien und Parasiten

Das gramnegative Bakterium Francisella tularensis, das die Tularämie auslöst, verbreitet sich seit etwa 15 Jahren auch hierzulande, Inzidenz steigend. Ansteckungsgefahr droht beim Umgang mit infizierten Nagetieren, durch Verzehr von kontaminierten Speisen sowie Kontakt mit Fliegen, Läusen, Flöhen, Bettwanzen, Milben und Zecken. Grippeähnliche Beschwerden dominieren 3–5 Tage nach der Ansteckung das klinische Bild, je nach Übertragungsweg kann es zudem zu Hautläsionen und einer Lymphadenopathie kommen. Verschiedene Unterarten des Einzellers Plasmodium zeichnen weltweit für jährlich ca. 228 Mio. Malaria-Erkrankte mit mehr als 400.000 Todesfällen verantwortlich. In Europa galt die Seuche seit den 1970er-Jahren dank der Trockenlegung von Sümpfen, der Verfügbarkeit von Medikamenten und nicht zuletzt großflächigem Insektizideinsatz als ausgerottet. Knapp 30 Jahre später tauchten in Spanien, Italien, Griechenland, auf Korsika, in den Niederlanden und in Deutschland wieder vereinzelt Fälle auf. Eine erneute Verbreitung in Europa sei zwar prinzipiell vorstellbar, so die Autorin, angesichts der guten sozioökonomischen und medizinischen Bedingungen aber eher unwahrscheinlich. Auch der Hundehautwurm (Dilofilaria repens) wird durch verschiedene Stechmückenarten weitergegeben. In Süd- und Osteuropa ist er bereits heimisch und verbreitet sich derzeit stark Richtung Norden. In vielen Fällen sterben die Larven nach dem Stich ab. Wenn nicht, zeigen sich an der Einstichstelle Erythem, Juckreiz und Schwellung. Die Larven können dann über Monate durch den Körper wandern und bleiben gelegentlich subkonjunktival im Auge liegen. Der Wurm platziert sich dort gerne als subkutanes Knötchen, das ein Erythem und Pruritus ver­ursacht.

Quelle: Bakran-Lebl K. internistische praxis 2021; 64: 169-179