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Bestrahlung nach Brusterhalt Einige Seniorinnen mit frühem Mammakarzinom brauchen wohl keine Radiatio

Autor: Dr. Judith Lorenz

Nach rund zehn Jahren betrug die kumulative Lokalrezidivrate bei den nicht-bestrahlten Frauen 9,5 %, bei den bestrahlten dagegen nur 0,9 %. Nach rund zehn Jahren betrug die kumulative Lokalrezidivrate bei den nicht-bestrahlten Frauen 9,5 %, bei den bestrahlten dagegen nur 0,9 %. © Jirawatfoto – stock.adobe.com
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Die brusterhaltende Therapie des Mammakarzinoms zieht prakisch automatisch eine Radiatio nach sich. Bei älteren Patientinnen mit Tumoren im Frühstadium kann man aber scheinbar auch darauf verzichten, wie eine schottische Studie nahelegt.

Brust­erhaltend operierte Mammakarzinompatientinnen müssen sich anschließend üblicherweise einer Bestrahlung unterziehen. Älteren Frauen mit günstiger Tumorkon­stellation kann diese Behandlung vermutlich erspart werden, wie die PRIME-II-Studie zeigt. An der Untersuchung nahmen 1.326 Patientinnen im Alter von mindestens 65 Jahren teil, die sich aufgrund eines hormonrezeptorpositiven, nodal negativen, maximal drei Zentimeter durchmessenden Mammakarzinoms einer brusterhaltenden Operation mit Axillastaging sowie einer endokrinen Therapie unterzogen hatten. Etwa die Hälfte erhielt zusätzlich eine Ganzbrustradiatio, schreiben Prof. Dr. Ian Kunkler von der Universität Edinburgh und Kollegen. 

Nach rund zehn Jahren betrug die kumulative Lokalrezidivrate bei den nicht-bestrahlten Frauen 9,5 %, bei den bestrahlten dagegen nur 0,9 %. Trotz des etwa zehnfach erhöhten Lokalrezidivrisikos traten regionale Rezidive und Fernmetastasen in beiden Studienarmen ähnlich häufig auf und auch bezüglich des brustkrebsspezifischen und des Gesamtüberlebens nach zehn Jahren unterschieden sich die beiden Kollektive nicht signifikant (97 vs. 98 % bzw. 81 vs. 81 %).

Bei Seniorinnen mit einem stark östrogenrezeptorexprimierenden Niedrigrisiko-Mammakarzinom im Frühstadium kann – eine konsequente fünfjährige adjuvante endokrine Therapie vorausgesetzt – auf eine Bestrahlung verzichtet werden, meinen die Forschenden. 

Dr. Alice Ho von der Duke University School of Medicine in Durham und Kollegin sehen das genauso: Da gerade ältere Patientinnen ein hohes Risiko für eine Übertherapie haben, sollten bei ihnen die Vorteile der Bestrahlung sorgfältig gegen deren potenzielle Nachteile (Schmerzen, Dermatitis, Herz- und Lungenkomplikationen) abgewogen werden. Sie verweisen allerdings auch auf Möglichkeiten zur Reduktion der Belastungen – beispielsweise durch eine Therapieverkürzung oder Verkleinerung des Zielvolumens. Gegenwärtig prüfen einige Studien, ob der Verzicht auf eine Radiatio auch für jüngere Patientinnen infrage kommt. Möglicherweise lassen sich anhand von Tumor-Biomarkern Frauen mit geringem Lokalrezidivrisiko identifizieren, was vermutlich weitreichende Konsequenzen für das klinische Management hätte.

Quellen: 1. Kunkler IH et al. N Engl J Med 2023; 388: 585-594; DOI: 10.1056/NEJMoa2207586 / 2. Ho AY, Bellon JR. N Engl J Med 2023; 388: 652-653; DOI: 10.1056/NEJMe2216133