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Elektrokrampftherapie auch bei neurodegenerativen Krankheiten und depressiven Jugendlichen?

Autor: Friederike Klein

Strom für Jung und Alt? Strom für Jung und Alt? © iStock/koto_feja
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Typische Indikationen für die Elektrokonvulsionstherapie sind schwere oder therapieresistente Depression, Katatonie und Schizophrenie. Wenig eingesetzt wird sie bislang bei Jugendlichen oder Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen, Agitation und Aggression – möglicherweise zu Unrecht.

Nach der bis 2018 gültigen, aber immer noch nicht aktualisierten S3-Leitlinie zur Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern und Jugendlichen wird die Elektrokonvul­sionstherapie (EKT) für Fünf- bis Elfjährige grundsätzlich nicht empfohlen. Bei Jugendlichen mit sehr schwerer therapieresistenter Depression kann man sie in Erwägung ziehen.

Deutsche Studiendaten sprechen für Therapieerfolg

Die der Leitlinie zugrunde liegenden EKT-Studien stammten nicht aus Deutschland und umfassten oft nur kleine Fallzahlen, berichtete Professor Dr. Henrik Uebel-von Sandersleben von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen. Er präsentierte jetzt eine Fallserie aus Deutschland mit 29 jungen Patienten, deren Hauptdiagnosen Schizophrenie, Katatonie oder Depression lauteten und die mittels Elektrokrampftherapie behandelt wurden. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 15,4 Jahren. Das Ansprechen wurde über die Symptomschwere in der Clinical Global Impression-Skala (CGI-S) gemessen.

Sie zeigte nach im Mittel 18 EKTs eine Verbesserung des Mittelwertes von 6,9 auf 3,7. Eine solche Differenz bei Patienten, die alle bereits mehrere erfolglose Therapien erhalten hatten, ist laut Prof. Uebel-von Sandersleben als sehr positiv zu werten.

Kein negativer Einfluss auf die Kognition älterer Patienten

Die Chancen der Patienten auf ein Ansprechen verringerten sich allerdings, je mehr Medikamente sie in den letzten sechs Monaten eingenommen hatten. Auf der Children’s Depression Rating Scale-Revised (CDRS-R) fanden sich in allen Kategorien Verbesserungen – von der Beeinträchtigung der Schulleistungen über Müdigkeit, Reizbarkeit oder Selbstmordgedanken bis hin zu Sprachtempo und Hypoaktivität.

Auch bei älteren Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen ist eine EKT nicht grundsätzlich ausgeschlossen, berichtete Professor Dr. Alexander Sartorius von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Man könne die Therapie auch bei über 65-Jährigen sicher durchführen, es komme keineswegs zu einer Verstärkung des kognitiven Abbaus. Die Hälfte der in seinem Institut mit EKT behandelten Patienten seien über 65 Jahre alt.

Interessanterweise nimmt das Betaamyloid 1-42 im Liquor mit der Zahl der EKTs zu, während dieser Marker im Verlauf einer Alzheimerdemenz abfällt. Ebenso steigt der Spiegel des Klotho-Proteins, das Prof. Sartorius als „Anti-Aging-Protein“ bezeichnete und das bei Alzheimerpatienten erniedrigt ist.

Auch führt die wiederholte EKT zu einem unspezifischen Zuwachs an grauer Substanz, vor allem im temporomesialen und hippokampalen Kortex, wo sie bei Alzheimerdemenz verloren geht. In einer Studie zeigte sich dann auch ein Trend hin zu einem erniedrigten Demenzrisiko bei Patienten, die irgendwann in ihrem Leben eine EKT bekommen hatten.

Als Hauptindikation zur EKT bei älteren Patienten nannte Prof. Sartorius die therapieresistente schwere Depression, auch eine durch die Depression ausgelöste Pseudodemenz lasse sich dadurch bessern. In Einzelfällen kommt die Therapie bei anhaltender, resistenter Aggression und Agitation sowie katatonen Symptomen im Zuge einer Demenz in Betracht.

Kongressbericht: DGPPN-Kongress 2020 – digital (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde)