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Ernährungsberatung: Geringer Stellenwert bei Ärzten und Patienten

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Die richtige Ernährung ist auch im Krankenhaus essenziell. Die richtige Ernährung ist auch im Krankenhaus essenziell. © Kurhan – stock.adobe.com
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Die Ernährungsmedizin führt in deutschen Krankenhäusern ein Stiefkinddasein, trotz zahlreicher Initiativen von Fachgesellschaften. Es gibt immer noch zu wenige spezialisierte Beratungsteams – und nicht einmal Patienten scheinen daran besonders interessiert. Das muss sich ändern.

Münchner Wissenschaftler haben in der Abteilung Hämatologie/Onkologie einer Münchner Klinik eine zweiteilige Studie durchgeführt. In Teil 1 prüften sie acht Monate lang, ob bei neu aufgenommenen Patienten das Risiko für eine Mangelernährung bestand. Dazu nutzten sie den Nutritional Risk Score, der unter anderem Alter, BMI und Schwere der Erkrankung berücksichtigt. Außerdem bestimmten sie die Körperzusammensetzung und die Muskelkraft mit einem Hand-Dynamometer. Diese Untersuchungen wiederholten die Forscher nach drei Wochen. In Teil 2 wollten sie dann bei Risikopatienten eine Ernährungstherapie einleiten. Am Anfang stand eine Beratung der Betroffenen, darauf folgten ggf. Interventionen, bei denen Mahlzeiten spezifisch angereichert bzw. kalorienreiche Flüssignahrungen supplementiert wurden. Bei Bedarf sollten die Patienten enteral oder parenteral ernährt werden.

Insgesamt fielen die Ergebnisse bei den 173 Studienteilnehmern (70 in Teil 1, 103 in Teil 2) ziemlich ernüchternd aus: Bei fast zwei Dritteln (63,6 %) bestand anfänglich das Risiko einer Mangelernährung, und alle Patienten nahmen während ihres Aufenthaltes an fettfreier Körpermasse ab. Parallel dazu verloren sie an Muskelkraft.

Eine Ernährungsberatung fand bei keinem der Patienten statt

In Teil 1 hatten nur acht Kranke eine Art von Ernährungstherapie erhalten: Sie bekamen zusätzliche Trink­nahrung, zwei von ihnen erhielten parenterale Nährstoffe. Eine ausgewiesene Ernährungsberatung fand in keinem Fall statt, ebenso wenig wurde die Standardkost an die individuelle Situation eines Kranken angepasst. In Teil 2 sah es ähnlich aus: 15 Patienten in riskantem Ernährungszustand erhielten hochkalorische Trinklösungen, fünf von ihnen auch eine parenterale Ernährung. Diese Kranken nahmen über die drei Folgewochen weniger Gewicht ab als diejenigen ohne solche ergänzende Maßnahmen.

Was man im ambulanten Setting tun kann

Schwer kranke Patienten mit Malignom nehmen den Wert einer qualitativ hochwertigen Ernährung anscheinend oft nicht wahr, wie Dr. Ludolph und ihr Team festgestellt haben. Hier sind nicht nur die Kollegen in den Kliniken gefragt. Auch niedergelassenen Ärzten kommt eine wichtige Rolle zu: Es gilt, die Patienten sowie die Familienangehörigen über die Wichtigkeit des Faktors Ernährung aufzuklären und über entsprechende Maßnahmen zu informieren. Zudem müsse die Interaktion zwischen Praxen und Krankenhäusern verbessert werden, fordern die Autoren, um den Patienten bestmöglich zu betreuen.

Überraschend war aber, dass fast alle Patienten (92 %) die angebotene Ernährungsberatung ablehnten – ja, sie empfanden den auftretenden Gewichtsverlust sogar als erwünscht. Weitere Gründe für ihre Ablehnung:
  • Das Essen ist zu Hause ohnehin besser und gesünder.
  • Eine Ernährungsberatung lohnt sich nicht für die paar Tage auf Station.
  • Ernährungsberatung macht das Krankenhausessen auch nicht besser.
Hinzu kam, so räumen die Wissenschaftler ein, dass die wenigen angestellten Diätassistentinnen (vier Teil- und zwei Vollzeitstellen für 650 Betten) zeitlich ohnehin kaum für eine Beratung zur Verfügung hätten stehen können. Auch Ärzte und Pflegekräfte waren für das Problem­ wenig sensibilisiert, schreiben die Autoren. Nach ausführlichen Informationen zeigten sie sich zwar aufgeschlossen, den Ernährungsstatus der Patienten künftig stärker zu berücksichtigen. Aber dafür fehlten schlichtweg die personellen Mittel, sowohl auf den Stationen als auch in der Küche.

Quelle: Ludolph K et al. Ernahrungs Umschau 2020; 67: 174-182; DOI: 10.4455/eu.2020.035