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Fast jeder dritte Schlaganfall-Patient wird harninkontinent

Autor: Maria Weiß

Doch trotz ihrer großen Bedeutung scheint die Inkontinenz in der Rehabilitation eher vernachlässigt zu werden. Doch trotz ihrer großen Bedeutung scheint die Inkontinenz in der Rehabilitation eher vernachlässigt zu werden. © iStock/RapidEye
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Die Harninkontinenz gehört zu den häufigen Folgen eines Schlaganfalls. Doch trotz ihrer großen Bedeutung für die Betroffenen, scheint sie in der Rehabilitation eher vernachlässigt zu werden.

Die Harninkontinenz gehört zwar zu den häufigen Folgen eines Schlaganfalls. Doch trotz ihrer großen Bedeutung für die Betroffenen, scheint sie in der Rehabilitation eher vernachlässigt zu werden.

Funktionelle Inkontinenz durch kognitive Probleme

Bei 34 % der Frauen und 23 % der Männer ist nach dem Ereignis mit unwillkürlichem Urinabgang und Einnässen zu rechnen. Dabei gilt: Je älter die Patienten, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie bereits vor dem Ereignis Kontinenzprobleme hatten, berichtete Professor Dr. Gerhard Hamann von der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Bezirkskrankenhaus Günzburg.

Was das Inkontinenzrisiko beeinflusst

  • Größe und Schwere des Großhirninfarktes
  • Beteiligung des kortikalen Blasenzentrums
  • höheres Alter
  • weibliches Geschlecht
  • begleitende Aphasien
  • schwere Paresen oder Plegien
  • Gesichtsfelddefekte
  • kognitive Einschränkungen
  • prämorbide Inkontinenz
  • Prostatahypertrophie
  • Polyurie bei Herzinsuffizienz oder renalen Problemen
Durch die Multikausalität ist es kaum möglich, neuroanatomische Schädigungen mit urodynamischen Befunden zu korrelieren, sagte Prof. Hamann

Zahlreiche Faktoren tragen zur Entwicklung der Harninkontinenz bei. So führt eine direkte Schädigung des kortikalen Blasenzentrums oder pontiner Miktionszentren im Hirnstamm zur Blasenhyperreflexie und zur Urge-Inkontinenz. Sprachliche und kognitive Einschränkungen können eine funktionelle Inkontinenz bei eigentlich erhaltener Blasenfunktion triggern, erläuterte der Kollege. Neuropathien, Harnwegsinfektionen und Nebenwirkungen von Medikamenten sind weitere mögliche Ursachen des Einnässens. Zudem führt der mit dem Schlaganfall verbundene Stress häufig zu einer Verschlechterung schon vorher bestehender Kontinenzprobleme.

Kaum Evidenz für gezielte Rehamaßnahmen

Die Folgen sind für die Betroffenen nicht zu unterschätzen: Es drohen verlängerte Krankenhausaufenthalte mit der Folge einer verzögerten Rehabilitation, die Patienten landen häufiger in Pflegeeinrichtungen und ihre Prognose ist insgesamt schlechter. Angesichts dieser Konsequenzen ist es für den Kollegen erschütternd, wie wenig man über die Post-Schlaganfall-Inkontinenz tatsächlich weiß – auch hinsichtlich der Therapie im Rahmen der Rehabilitation, für die es kaum Evidenz gibt. Da der Wirknachweis für Einzelmaßnahmen fehlt, erfolgt in der Regel eine multimodale Behandlung u.a. mit Blasentraining, zeitgestützter Blasenentleerung, Einsatz von Kontinenzpflegekräften, Akupunktur, Elektroakupunktur, anticholinergen und adrenergen Medikamenten, Hormontherapien und physiotherapeutischen Maßnahmen. Als problematisch erachtet Prof. Hamann die Therapie der Inkontinenz im häuslichen Bereich: Während zum Beispiel Logopädie oder Ergotherapie nach der Reha weiterlaufen, fühlt sich für das Einnässen oft keiner so richtig zuständig, kritisierte er. Wichtige Schritte, um die Situation zu verbessern, wären eine standardisierte Evaluation der Inkontinenz bei allen Schlaganfallpatienten sowie gezielte multimodale Therapieansätze.

Quelle: Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin 2021 – digital