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Lungenfunktionsstörungen Geschlechtsspezifischen Aspekten mehr Beachtung schenken

Autor: Dr. Angelika Bischoff

COPD ist längst keine typische Alte-Männer-Krankheit mehr. Frauen haben aufgeholt und sind mittlerweile mindestens genauso häufig betroffen. COPD ist längst keine typische Alte-Männer-Krankheit mehr. Frauen haben aufgeholt und sind mittlerweile mindestens genauso häufig betroffen. © iStock/RapidEye; wikimedia/James Heilman
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Von Lungenfunktionsstörungen wie Asthma oder COPD sind zunehmend Frauen betroffen. Die Medizin ist darauf nur schlecht vorbereitet: Geschlechtsspezifische Aspekte finden noch immer zu wenig Beachtung in Diagnostik und Therapie pneumologischer Erkrankungen.

Seit einigen Jahren nehmen chronische Lungenerkrankungen in den Statistiken zur Todesursache den dritten Platz ein, nach Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Bei Männern sind sie derzeit weltweit für gut 5 % aller Sterbefälle verantwortlich, bei Frauen sind es 6 %. Bronchiektasen, pulmonale Hypertonie und Lymphangiomyomatose betreffen in erster Linie die Damenwelt, die idiopathische Lungenfibrose ist bei den Herren häufiger zu finden. Bei Asthma, COPD und Bronchiektasen ist die Tendenz zu höheren Schweregraden unter weiblichen Patienten auffallend.

Noch immer verbindet man heute mit der COPD allzu oft das Klischee des älteren Herren – sei es der typische Pink Puffer, bei dem das Lungenemphysem im Vordergrund steht, sei es der Blue Bloater mit Obstruktion und ausgeprägter Bronchitis. Dieses Stereotyp stimmt aber schon lange nicht mehr mit der Wirklichkeit überein. Denn infolge der seit vielen Jahren weltweit steigenden Zahl von Raucherinnen hat die COPD-Prävalenz bei Frauen mittlerweile mindestens die der Männer erreicht.

Reagieren die Lungen von Frauen empfindlicher?

Gleichwohl rauchen Frauen heute noch immer weniger als Männer. Womöglich reagieren Frauenlungen empfindlicher auf Tabakrauch als die der Männer, versucht eine gängige These diesen vermeintlichen Widerspruch aufzulösen. Sie fußt unter anderem darauf, dass bei gleicher Körpergröße die Lungen der Frauen kleiner sind als die der Männer. Somit haben sie weniger Fläche zur Verfügung, auf der sich die Schadstoffe aus dem Tabakrauch niederschlagen können.

Bemerkenswerterweise stellen Frauen weltweit zwei Drittel aller COPD-Betroffenen unter den Nichtrauchern. Womöglich, so eine weitere Vermutung, weil sie mehr Innenraumschadstoffen ausgesetzt sind, die beispielsweise beim Verfeuern von Brennstoffen aus Biomasse entstehen.

Zwei Studien aus Nordamerika und Europa weisen darauf hin, dass bei Raucherinnen, die sich dem Arzt mit entsprechenden Symptomen vorstellen, seltener die Diagnose COPD gestellt wird als bei rauchenden Männern mit denselben Krankheitszeichen. Diese Frauen, so hat sich gezeigt, werden auch seltener spirometrisch untersucht oder zum Pneumologen überwiesen.

Bei den Damen verläuft eine COPD insgesamt schwerer als bei den Herren, mit mehr Dyspnoe und Husten, stärkerem Abfall der Lungenfunktion und mehr Klinikaufenthalten. Während bei Männern verstärkt Emphyseme beobachtet werden, sind bei Frauen eher die kleinen Atemwege beteiligt. Die Unterschiede sind dabei nicht nur auf Lungengröße und Schadstoffexposition oder die jeweilige gesellschaftliche Funktion zurückzuführen, sondern auch auf tatsächliche biologische Unterschiede. Ergebnisse aus Tierversuchen sprechen dafür, dass Geschlechtshormonen hierbei eine entscheidende Rolle zukommt. Auch Daten, die mittels Mendelscher Randomisierung gewonnen wurden, lassen sich zusammenfassend so deuten, dass Östrogene den Abfall der Lungenfunktion fördern, während Testosteron eher protektiv wirkt.

Auch für die Prävalenz von Asthma scheinen die Geschlechtshormone von Bedeutung zu sein. Denn während im Kindesalter eher Jungen als Mädchen an der Atemwegserkrankung leiden (8,4 % vs. 5,5 %) kehrt sich dies bei Erwachsenen um (6,1 % vs. 9,8 %). Frauen müssen auch dreimal häufiger wegen Asthmaattacken im Krankenhaus behandelt werden als Männer. Allerdings gibt es keinerlei Evidenz dafür, dass sich die Symptomatik bei Frauen mit der Menopause bessert.

Weibliche Hormone begünstigen die Entstehung von Eosinophilie und einer durch ­T-Helferzellen vom Typ 2 gestützten Inflammation. Frauen leiden häufiger als Männer unter nicht-allergischem Asthma. Zudem zeigen sie insgesamt ein schwereres Krankheitsbild und haben eine höhere Mortalitätsrate. Auf inhalative Steroide scheinen sie alles in allem nicht schlechter anzusprechen als Männer, brauchen jedoch häufiger Biologika.

Bronchiektasen verschiedener Ätiologie, die nicht durch zystische Fibrose bedingt sind, betreffen vor allem Frauen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass diese stärker als Männer zur Entzündung der kleinen Atemwege neigen. In der Therapie besteht die stärkste Evidenz für eine Langzeitgabe von Makroliden, die die Häufigkeit von Exazerbationen halbieren können und bei Patientinnen anscheinend etwas effektiver sind als bei den Männern.

Frauen leiden öfter unter Post-COVID

Auch hinsichtlich des Verlaufs von ­COVID-19 bestehen bekanntermaßen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Von schweren Verläufen mit Todesfolge, Krankenhausaufenthalt oder Intensivbehandlung sind Männer 1,5- bis 2-mal häufiger betroffen – während das Post-­COVID-Syndrom möglicherweise öfter bei Frauen auftritt. Im Rahmen einer prospektiven Studie berichteten 13 % der COVID-19-Patienten über Symptome, die länger als 28 Tage anhielten. Risikofaktoren hierfür waren höheres Lebensalter und höherer BMI – und weibliches Geschlecht.

Quelle: Somayaji R, Chalmers JD. Eur Respir Rev 2022; 31: 210111; DOI: 10.1183/16000617.0111-2021