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Halluzinationen zähmen: Avatare reduzieren eingebildete Stimmen

Autor: Michael Brendler

Mit individuellen Avataren lassen sich auditive Halluzinationen abtrainieren. Mit individuellen Avataren lassen sich auditive Halluzinationen abtrainieren. © Fotolia/kentoh
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Auch in der Psychiatrie macht die IT rasant Karriere: Mithilfe von Avataren trainieren Ärzte Schizophrenie­patienten ihre auditiven Halluzinationen ab. Und erzielen damit bessere Ergebnisse als durch eine psychologische Beratung.

Wer sich Stimmen einbildet, erlebt diese meist als dominant, bösartig und fühlt sich ihnen unterlegen. Jeder vierte Schizophreniekranke hört die akustischen Halluzinationen trotz eingenommener Medikamente und Psychotherapiesitzungen.

Forscher um Professor Dr. Tom­ Craig­ vom Institut für Psychia­trie, Psychologie und Neurowissenschaften am King’s College London zogen den Quälgeistern gewissermaßen die Zähne. Mindestens zwölf Monate litten die an der Studie teilnehmenden Schizophreniekranken trotz Therapie an den Stimmen in ihrem Kopf. Im Mittel mehr als 20 Jahre.

Die Forscher erstellten für jeden der 75 Patienten einen individuellen Avatar, der den auditiven Halluzinationen Gestalt und Stimme schenken sollte. In den Sitzungen ließ ein Therapeut dann diese fiktiven Avatare beim Gespräch mit den Betroffenen zugleich immer zahmer und steuerbarer werden. Auf diese Weise sollten die Kranken das Gefühl bekommen, ihre Halluzinationen unter Kontrolle zu haben.

Tatsächlich ging das Kalkül der Kollegen auf: Nach zwölf Wochen hatten – im Vergleich zu den 75 Leidensgenossen in der Gruppe mit psychologischer Beratung – die Halluzinationen bei ihnen nicht nur deutlich abgenommen (-3,82 im Psychotic Symptom Rating Scales-Auditory Hallucination Total Score).

Anders als in der Kontrollgruppe konnten sie sich auch besser gegen die Stimmen wehren. Dies galt auch nach 24 Wochen. Bösartig klangen die Halluzinationen allerdings weiterhin. Bei einigen Teilnehmern verschwanden sie jedoch sogar komplett. Nebenwirkungen traten nicht auf.

Der Effekt sei deutlich höher als die laut Metaanalysen mittels kognitiver Verhaltenstherapie erreichten Effekte, so das Fazit der Autoren.

Quelle: Craig T et al. Lancet 2018; 5: 31-40