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Hyperprogrediente Erkrankung unter Immuntherapie durch Tumorwachstumsrate beschreiben

Autor: Josef Gulden

Retrospektiv wurden die Daten von insgesamt 406 Patienten mit NSCLC analysiert. Retrospektiv wurden die Daten von insgesamt 406 Patienten mit NSCLC analysiert. © Kateryna_Kon – stock.adobe.com
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Immuntherapien gehen teilweise mit einer Hyperprogression der Krebserkrankung einher. Diese ist bisher nicht einheitlich beschrieben. Französische Forscher schlagen nun eine neue Definition vor. Sie basiert darauf, wie sich die Tumorwachstumsrate verändert.

Checkpoint-Inhibitoren haben die Prognose von Patienten mit diversen Tumorentitäten verbessert. Teilweise kommt es zu lang anhaltenden Remissionen. Mittlerweile sind die Substanzen für eine Reihe von Krebsarten zugelassen, unter anderem für das Melanom sowie das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC). Unter PD1- und PD-L1-Hemmung treten aber auch immer wieder neuartige Reaktionen auf, zum Beispiel eine Pseudoprogression. Das bedeutet, dass der Tumor initial anschwillt und später eine Remission folgt.

Weiterhin entwickelt eine Subgruppe von Patienten ein unerwartetes dramatisches Krebswachstum, das als hyperprogrediente Erkrankung (HPD) bezeichnet wird. Autoren diverser Studien definierten dieses Phänomen allerdings unterschiedlich. Grundlage waren bisher vor allem Parameter wie Wachstumsrate, d.h. die prozentuale Erhöhung des Krebsvolumens pro Monat, und Kinetik, also die Veränderung in der Tumorgröße pro Zeiteinheit. Ein weiteres Kriterium ist die Zeit bis zum Therapieversagen.

Hyperprogression stets mit kürzerem Leben verbunden

Ein Team um Baptiste Kas, Université Paris-Saclay, Villejuif, verglich die verschiedenen Definitionen nun in einer Kohortenstudie. Dazu analysierten sie retrospektiv die Daten von insgesamt 406 Patienten mit NSCLC. Diese waren innerhalb von viereinhalb Jahren in acht französischen Zentren mit PD1- oder PD-L1-Inhibitoren behandelt worden.

Zwischen 5,4 % und 18,5 % von ihnen wiesen eine Hyperprogression auf. Den niedrigsten Wert beobachteten die Forscher, wenn sie eine mehr als zweifache Progressionsgeschwindigkeit und eine Zeit bis zum Therapieversagen von weniger als zwei Monaten zugrunde legten (Definition B, siehe Kasten). Die höchste Rate ergab sich mit einer Beschreibung der HPD auf Basis der Tumorwachstumsrate.

Bisherige Definitionen einer Hyperprogression

  • Definition A: RECIST(Response Evaluation Criteria in Solid Tumors)- Progress und TGR(Tumorwachstumsrate)-Quotient aus vor und während der Therapie > 2
  • Definition B: Zeit bis zum Therapieversagen < 2 Monate, RECIST > 50 % und Progressionsgeschwindigkeit > 2-fach
  • Definition C: TGK(Tumorwachstumskinetik)-Quotient aus vor und während der Therapie > 2
  • Definition D: RECIST Progression, RECIST > 50 % und Quotient aus vor und während der Therapie > 2
  • Definition E: RECIST Progress und TGR-Differenz aus vor und während der Therapie > 50 %

Die Konkordanz zwischen den verschiedenen Definitionen variierte zwischen einem und etwas mehr als zwei Dritteln. Sie korrelierten aber stets mit einem kürzeren Überleben der Patienten. Dieses lag zwischen median 3,4 und 6,0 Monaten und fiel in allen Fällen schlechter aus als bei Personen ohne Hyperprogression. Am stärksten mit einem kurzen Überleben assoziiert war eine neue Definition, die auf der Differenz der Wachstumsraten vor und unter der Therapie beruht; sie konnte zudem am besten Patienten mit HPD von solchen, die das Phänomen nicht aufwiesen, differenzieren. Laut den Autoren ist ein Unterschied in der Tumorwachstumsrate von mehr als 100 am geeignetsten, um diese voneinander zu trennen. Das Fazit der Forscher: Die retrospektiv erhobenen Daten sprechen dafür, dass die fünf verfügbaren Definitionen von Hyperprogression unter einer Checkpoint-Blockade nicht das gleiche Tumorverhalten wiedergeben. Die neue Beschreibung, die die Veränderung des Krebswachstums von vor Therapiebeginn bis zum Zeitpunkt während der Behandlung nutzt, scheint am stärksten mit den Charakteristika einer HPD assoziiert zu sein – nämlich mit einer wachsenden Tumorkinetik und einem schlechten Gesamtüberleben. Um die Genauigkeit dieser vorgeschlagenen Definition zu bestätigen und sie weiter zu validieren, sind zusätzliche Studien mit größeren Patientenzahlen und möglichst prospektivem Design erforderlich. 

Quelle: Kas B et al. JAMA Oncol 2020; 6:1039-1046; DOI: 10.1001/jamaoncol.2020.1634