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Ist zufällig ein Arzt an Bord? Keine Angst vor Notfällen im Flugzeug

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Via Satellitentelefon kollegialen Rat holen. Via Satellitentelefon kollegialen Rat holen. © fotolia/visivasnc
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Saßen Sie auch schon mal in einem Flugzeug, als über die Lautsprecher die berühmte Frage nach dem „Arzt an Bord“ ertönte? Die Furcht vor Schadensersatzansprüchen hat schon manchen Kollegen auf seinem Sitz gehalten. Dabei ist die Sorge unbegründet.

Bei einem jährlichen Aufkommen von 700 000 Flügen verzeichnet z.B. die Lufthansa etwa 5000 medizinische Zwischenfälle. Und nur ungefähr 40 machen eine außerplanmäßige Landung erforderlich, berichtete Professor Dr. Jürgen Graf, ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Frankfurt. „Unter dem Strich ist bei 4500 dieser Ereignisse die medizinische Brisanz sehr übersichtlich“, so der Kollege.

An Bord sinken Luftdruck und -feuchtigkeit, was einige physiologische Änderungen zur Folge hat:

  • milde Hypoxie
  • geringe Hyperventilation
  • steigender Puls
  • trockene Schleimhäute
  • hydrostatische Ödeme

Den größten Anteil an medizinischen Zwischenfällen haben kardiovaskuläre Probleme, gefolgt von gastrointestinalen Beschwerden.

Was ärztliche Handungen betrifft, muss niemand juristische Konsequenzen fürchten, es gibt einen vollständigen Versicherungsschutz, betonte Prof. Graf. Ausnahmen stellen natürlich grobe Fahrlässigkeit und vorsätzliche Schädigung dar. Häufig gibt es die Möglichkeit, sich via Satellitentelefon von einem Kollegen am Boden unterstützen zu lassen. Außerdem wichtig zu wissen: Das Geschäftsverhältnis besteht zwischen Arzt und Passagier, nicht zwischen Arzt und Fluggesellschaft.

Natürlich sollte jeder nur im Rahmen der eigenen Möglichkeiten handeln und mit Kabine und Cockpit kommunizieren. Man darf auch nicht vergessen, sich die Zustimmung der Betroffenen einzuholen. So kann es beispielsweise vorkommen, dass eine muslimische Frau die Behandlung durch einen männlichen Mediziner ablehnt.

Was die Ausrüstung an Bord und die Schulung des Flugpersonals angeht, gibt es erhebliche Unterschiede bei den verschiedenen Fluggesellschaften. Die gesetzlichen Anforderungen ans Equipment sind minimal.

Die Lufthansa zählt mit einem gut bestückten Notfallkoffer und Defibrillator sowie regelmäßigen Trainings ihrer Flugbegleiter da schon zur gehobenen Klasse. Bei jedem echten Notfall gilt es auch, eine mögliche Zwischenlandung zu evaluieren. „Dabei sollten Sie aber mit in Betracht ziehen, welche Möglichkeiten der Versorgung es am nächstgelegen Flughafen gibt“, warnte der Referent.

Das letzte Wort hat immer der Pilot

So kann es beim Überfliegen von Entwicklungsländern sinnvoller sein, lieber bis zum nächsten Staat mit gutem medizinischem Standard abzuwarten. Übrigens: Die Entscheidung über eine Zwischenlandung liegt immer beim Piloten.

Quelle: 4. Rhein-Main-Herztage 2017