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Rauchen Junge Menschen da abholen, wo sie gerne sind

Autor: Friederike Klein

Junge Menschen werden von den bestehenden Präventionsprogrammen häufig nicht erreicht. (Agenturfoto) Junge Menschen werden von den bestehenden Präventionsprogrammen häufig nicht erreicht. (Agenturfoto) © Peter Atkins – stock.adobe.com
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Bereits im Kindes- und Jugendalter werden riskante Verhaltensmuster ausprobiert, die sich verfestigen können. Um den Folgen von gesundheitsschädigendem Verhalten früh vorzubeugen, sollten sich Präventionsmaßnahmen insbesondere an junge Menschen richten. Ein gutes Beispiel ist das Thema Rauchen.

Im Alter von 15 Jahren haben in Deutschland bereits 30,4 % der Mädchen und 31,3 % der Jungen schon einmal Tabak konsumiert, berichtete Dr. Claudia ­Bauer-Kemény, Abteilung für Prävention und Tabakentwöhnung der Thoraxklinik Heidelberg. Die Prävalenz bei den 14- bis 17-Jährigen beläuft sich aktuell auf 15,9 %, erklärte sie.

Junge Menschen werden von den bestehenden Präventionsprogrammen häufig nicht erreicht. Über digitale Spiele ließe sich das möglicherweise ändern. Derartige Spiele sind auf den unterschiedlichsten Endgeräten allgegenwärtig und User verbringen viel Zeit in der virtuellen Welt, erläuterte Dr. Bauer-Kemény. Für die Prävention interessant sind ihrer Ansicht nach insbesondere „Serious Games“, also vollwertige Spiele, bei denen ein explizit formuliertes Bildungsziel verfolgt wird, aber dennoch das Unterhaltungserleben des Spielers im Vordergrund steht. Auf der anderen Seite sind auch Interventionen, die eine „Gamification“ nutzen, vielversprechend: Spielerische Elemente werden in spielfremde und schon bestehende Angebote eingebunden.

In Heidelberg wurde zu beiden Ansätzen jeweils ein Produkt entwickelt: Agents of A.T E.M. (Serious Game) und Ohnekippe, eine Klassenzimmershow, die seit Kurzem mit Gamification arbeitet. Ohnekippe wird in der Thoraxklinik der Universität Heidelberg bereits seit dem Jahr 2000 als Präsenzveranstaltung für die Klassenstufe 7 durchgeführt. Neben einem etwa dreiviertelstündigen Informationsvortrag sehen die Schüler per Video eine echte Bronchoskopie und erleben ein Interview mit einem Patienten. Seit 2021 wird Ohnekippe als Online-Veranstaltung angeboten und enthält nun auch spielerische Elemente. Integriert ist ein Wettbewerb zwischen allen teilnehmenden Klassen. Dabei geht es darum, das Motto der Show zu erraten. 2022 haben etwa 16.000 junge Menschen teilgenommen. Neuerdings gibt es zudem ein Gewinnspiel: Wer ein Jahr nach der Veranstaltung noch rauchfrei ist, kann bis zu 500 Euro gewinnen. In einer Nachbefragung gaben 81,3 % der 2.444 Teilnehmer an, die Klassenzimmershow habe ihnen „super“ oder „gut“ gefallen. 63,7 % erklärten, die Show könnte sie davon abhalten, mit dem Rauchen anzufangen.

Bei Agents of A.T.E.M. – Mission blauer Dunst schlüpft der Spieler in die Rolle eines Geheimagenten der Akademie für Transparenz und Einhaltung von Menschenrechten. Seine Aufgabe ist es, Beweise für die Risiken und Folgen des Konsums von Tabak und anderen inhalativen Suchtmitteln zu sammeln und die dafür Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen. Der Bösewicht in diesem Szenario ist Simon Lipphill, der in den Lipphill Towers, dem Hauptquartier von „Holy Smoke“, residiert. Das Spiel wird von der Deutschen Krebshilfe empfohlen und über einen Wettbewerb für rauchfreie Schulklassen („Be smart – don’t start“) sowie soziale Netzwerke (z.B. Facebook, Instagram) bekannt gemacht. Bis Ende März 2023 haben bereits fast 2.700 Personen teilgenommen. Eine Befragung von 128 Teilnehmern belegt eine hohe Akzeptanz: 59,4 % fanden, dass die Mission, den Spieler vom Rauchen abzuhalten, gut rübergekommen ist.

Für Dr. Bauer-Kemény sind Online-Spiele und Spielelemente ein sehr vielversprechender Ansatz zur Förderung gesunder Verhaltensweisen bei jungen Menschen, Belege für die Wirksamkeit mehren sich. Das Potenzial sei allerdings noch lange nicht ausgeschöpft. Um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen, könnten im Spiel z.B. neue Level eingeführt werden. Kritische Stimmen verweisen auf eine potenzielle Online-Spielsucht und negative Folgen hinsichtlich der sozialen Einstellungen und Verhaltensweisen der Spielenden.

Kongressbericht: 63. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin