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Kasuistik Pankreastumor erwies sich durch frühe genetische Abklärung als Metastase eines EGFR-mutierten NSCLC

Autor: Josef Gulden

Durch eine frühe und breite molekulargenetische Abklärung erwies sich ein Tumor als Metastase eines EGFR-mutierten NSCLC.
Durch eine frühe und breite molekulargenetische Abklärung erwies sich ein Tumor als Metastase eines EGFR-mutierten NSCLC. © Adin – stock.adobe.com
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Metastasen von Adenokarzinomen der Lunge in der Bauchspeicheldrüse sind ein seltenes Ereignis. Dass man diese Möglichkeit dennoch im Hinterkopf haben sollte, weil sich damit Prognose und Therapie grundlegend ändern können, demonstriert eine Kasuistik amerikanischer Kolleg:innen. Vor allem wird klar, wie hilfreich die frühe und breite molekulargenetische Abklärung ist.

Ein 65-jähriger Mann kaukasischer Herkunft hatte über sechs Monate ungewollt 35 Pfund abgenommen und präsentierte sich in der Notaufnahme mit zunehmenden abdominalen Schmerzen, Fatigue, Appetitverlust und hellem Stuhlgang. Im Zuge der körperlichen Untersuchung war ein Ikterus von Haut und Skleren erkennbar, der im Labor mit einem Gesamtbilirubin von 17,1 mg/dl, sowie erhöhten Werten von alkalischer Phosphatase (1.138 U/l), AST (332 U/l) und ALT (846 U/l) einherging. Kolleg:innen um Dr. Dr. ­Luxi ­Chen vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles entdeckten in der Computertomografie von Abdomen und Becken eine Raumforderung von etwa 25 x 16 mm im Hakenfortsatz des Pankreas. Diese erstreckte sich Richtung Pankreaskopf und -körper und verursachte eine intra- sowie extrahepatische Dilatation des Gallengangs.

Der Patient unterzog sich einer endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikografie mit Sphinkterotomie und Einlage eines Metallstents in den distalen Gallengang. Zwei Wochen später lag der Wert des Tumormarkers CA19-9 bei 97 U/ml. Die Biopsie ergab ein Adenokarzinom und in der Bildgebung waren keine vergrößerten peripankreatischen Lymphknoten zu erkennen. Die Expert:innen im multidisziplinären Tumorboard erachteten das Geschwulst als technisch resektabel mit der Einschränkung, dass die Ausdehnung und das diffuse Erscheinungsbild des Tumors sowie zwei verdächtige Strukturen in der Lunge eine neoadjuvante Chemotherapie erforderten. Die Kolleg:innen planten deshalb ein modifiziertes FOLFIRINOX-Regime.

Bereits nach Entnahme der Biopsie hatten sie eine genetische Untersuchung mittels Next-Generation-Sequencing veranlasst, deren Auswertung noch vor Beginn der neoadjuvanten Behandlung eintraf. Das Ergebnis: Gain-of-Function-Mutationen in zwei Genloci der Exons 18 und 20 des EGFR-Gens (S768I und G719C), die in der Tyrosinkinasedomäne des Rezeptorproteins lagen. Eine Immunfärbung des Tumorgewebes erwies sich als positiv für TTF-1* und Napsin A, was eher für ein Lungen- als für ein Pankreaskarzinom sprach. Da auch EGFR-Mutationen häufig beim NSCLC auftreten, wurde die neoadjuvante FOLFIRINOX-Therapie nicht initiiert.

Verdacht bestätigt!

Die Biopsie eines der Lungenherde bestätigte den Verdacht eines primären NSCLC, das offenbar – was nur sehr selten vorkommt – in das Pankreas gestreut hatte. Der Patient erhielt daraufhin Osimertinib und berichtete beim nächsten Besuch drei Monate später über eine Verbesserung des Befindens und des Appetits, was sich in einer Gewichtszunahme um 15 Pfund äußerte. Die Bildgebung ergab eine Verkleinerung von Lungen- und Pankreasmassen. Den entsprechenden Studien zufolge verlängert Osimertinib gegenüber Standard-TKI sowohl PFS als auch OS signifikant.

NGS früh einsetzen

NGS-basierte Techniken haben bei der genetischen Abklärung von Tumoren erhebliche Vorteile, weil sich damit die wahre Herkunft der Erkrankung aufdecken lässt und sich andererseits die Therapie ändern kann. Neben EGFR kamen in den vergangenen Jahren zahlreiche weitere Genalterationen hinzu, etwa in KRAS, BRAF, HER2, ALK, ROS1, NTRK, RET und MET. 

Nur etwa 2 % aller Raumforderungen im Pankreas sind Metastasen anderer Primärtumoren, vor allem aus Niere, Brust und Lunge sowie von Melanomen und kolorektalen Karzinomen. Da die Herkunft aber erhebliche Konsequenzen für Prognose und Therapie hat, gilt es, diese Möglichkeit immer in Erwägung zu ziehen. Im Mittel vergehen zwischen Diagnose eines Lungenkarzinoms und der Identifizierung von Pankreasmetastasen rund zweieinhalb Jahre, schreiben die Autor:innen. Im berichteten Fall hingegen lag zunächst eher die Vermutung nahe, dass die Lungenherde Abkömmlinge eines primären Pankreastumors sein könnten und dass dieser leitliniengerecht mit FOLFIRINOX behandelt werden sollte.

Weil die Kolleg:innen die molekulargenetische Abklärung sofort nach der Biopsie veranlassten, entdeckten sie noch rechtzeitig vor Beginn der Chemotherapie die EGFR-Mutationen, die sofort den Verdacht auf eine pulmonale Herkunft des Tumors weckten. Die NGS-basierte Genotypisierung bereits zu Beginn der diagnostischen Abklärung bietet damit den Autor:innen zufolge das beste Potenzial für eine rationale Therapieplanung, gegebenenfalls auch für den Einschluss von Patient:innen in passende Studienkonzepte.

*    Thyroidaler Transkriptionsfaktor 1
Quelle:
Chen L et al. J Natl Compr Canc Netw 2022; 21: 6-11; DOI: 10.6004/jnccn.2022.7053