Anzeige

Grenzwert für die eGFR  Jüngere Nieren früh testen

Autor: Dr. Franziska Hainer

Der Grenzwert für die eGFR identifiziert Betroffene einer chronischen Nierenerkrankung womöglich viel zu spät. Der Grenzwert für die eGFR identifiziert Betroffene einer chronischen Nierenerkrankung womöglich viel zu spät. © Graphicroyalty – stock.adobe.com
Anzeige

Ihr 35-jähriger Patient hat eine eGFR von 80 ml/min/1,73m2, also alles prima? Nicht unbedingt, denn bei jungen Erwachsenen, die mit hohen Werten starten, können schon geringe Abfälle gravierende Folgen haben. 

Für alle Altersklassen beginnt eine chronische Nierenerkrankung (chronic kidney disease, CKD) definitionsgemäß, wenn die  geschätzte GFR (eGFR) mehr als 90 Tage unter 60  ml/min/1,73 m² liegt. Menschen unter 40 Jahren haben aber oft Werte von > 100 ml/min/1,73 m². Bis bei ihnen eine CKD diagnostiziert werden würde, hätten sie vermutlich schon die Hälfte ihres funktionsfähigen Nierengewebes eingebüßt, schreiben Junayd Hussain von der School of Epidemiology and Public Health der University of Ottawa und Kollegen. 

Das Team untersuchte daher die Auswirkungen mäßiger eGFR-Abfälle nach altersadaptierten Grenzwerten. Es analysierte retrospektiv die Daten von rund 8,7 Millionen Bewohnern Ontarios mit mindestens einer ambulanten eGFR-Bestimmung zwischen 2008 und 2020 und einem Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Es wurden drei Altersgruppen mit eigenen Referenzwerten definiert: jung (18–39 Jahre, 100–110 ml/min/1,73m2), mittelalt (40–49 Jahre, 90–100 ml/min/1,73m2) und älter (50–65 Jahre, 80–90 ml/min/1,73m2). Als kombinierte negative Outcomes definierten die Autoren Mortalität jeder Ursache, jegliches kardiovaskuläre Ereignis (Herzinsuffizienz, akutes Koronarsyndrom, Schlaganfall, Vorhofflimmern) und Nierenversagen (beginnende Dialysepflichtigkeit oder Nierentransplantation).

Häufigere Komplikationen bei jungen Patient:innen

Im Durchschnitt waren die Teilnehmer 41,3 Jahre alt, das mediane Follow-up lag bei 9,2 Jahren. Die mittlere Index-eGFR betrug 104,2 ml/min/1,73 m². In der Kohorte hatten 18 % der jungen Erwachsenen, 19 % der mittelalten und 17 % der älteren moderat erniedrigte Grenzwerte (60–100 ml/min/1,73m2). Die Gefahr für Komplikationen war für die jungen am größten – und zwar bei jedem Abfall unter die altersdefinierte Grenze. Beispielsweise lag das Risiko bei Werten zwischen 70 und 80 ml/min/1,73m2 für sie um etwa 40 % höher (Hazard Ratio, HR 1,42). Für 40- bis 49-Jährige ermittelte man in diesem eGFR-Bereich eine HR von 1,13, für 50- bis 65-Jährige von 1,08. 

Die Ergebnisse zeigen, dass schon moderate Reduktionen der eGFR um die 20 % bei jüngeren Erwachsenen eine signifikante Assoziation mit Komplikationen aufweisen. Die Autoren plädieren dafür, die Nierenfunktion mittels eGFR und Albumin-Kreatinin-Quotient schon früh zu kontrollieren, um gefährdete Menschen identifizieren und schützen zu können.

Quelle:
Hussain J et al. BMJ 2023; 381: e075062; DOI: 10.1136/bmj-2023-075062